am offenen Grabe. Er redete nur wenig zum Andenken der Verstorbenen; doch dies Wenige scheint mir eigenthümlich genug, damit es hier ein Plätzchen finde!
Jch habe, -- so lautete die Trauerrede für Anton's Großmutter, -- jetzt eben meinen ältesten Gönner und hohen Freund, unsern gnädigen Grundherren, zur ewigen Ruhe eingesegnet, indem ich für selbigen, kraft meines Amtes als berufener und verordneter Diener Gottes, die Gnade des Himmels erflehete und barmherzige Verzeihung Alles dessen, was menschlich- sündhaft an ihm gewesen. Er ist gestorben, ohne seinen Frieden mit der Ewigkeit abzuschließen; darum ist sein Ende mir ein zweifacher Schmerz.
Hier dagegen stehen wir am Grabe einer so red- lichen, sanften, verständigen und dabei bescheidenen Frau, daß ihr Beispiel Allen empfohlen werden kann, die noch auf Erden wandeln. Während sie hier unter uns lebte hat niemand eine böse Rede, ein hartes Wort von ihr gehört, niemand eine üble That von ihr gesehen. Wie sie lebte ist sie gestorben, im frohen Vertrauen auf die ewige Macht, welche Alles leitet und lenkt.
Sie hat einen Enkel hinterlassen, der ihrer würdig
am offenen Grabe. Er redete nur wenig zum Andenken der Verſtorbenen; doch dies Wenige ſcheint mir eigenthuͤmlich genug, damit es hier ein Plaͤtzchen finde!
Jch habe, — ſo lautete die Trauerrede fuͤr Anton’s Großmutter, — jetzt eben meinen aͤlteſten Goͤnner und hohen Freund, unſern gnaͤdigen Grundherren, zur ewigen Ruhe eingeſegnet, indem ich fuͤr ſelbigen, kraft meines Amtes als berufener und verordneter Diener Gottes, die Gnade des Himmels erflehete und barmherzige Verzeihung Alles deſſen, was menſchlich- ſuͤndhaft an ihm geweſen. Er iſt geſtorben, ohne ſeinen Frieden mit der Ewigkeit abzuſchließen; darum iſt ſein Ende mir ein zweifacher Schmerz.
Hier dagegen ſtehen wir am Grabe einer ſo red- lichen, ſanften, verſtaͤndigen und dabei beſcheidenen Frau, daß ihr Beiſpiel Allen empfohlen werden kann, die noch auf Erden wandeln. Waͤhrend ſie hier unter uns lebte hat niemand eine boͤſe Rede, ein hartes Wort von ihr gehoͤrt, niemand eine uͤble That von ihr geſehen. Wie ſie lebte iſt ſie geſtorben, im frohen Vertrauen auf die ewige Macht, welche Alles leitet und lenkt.
Sie hat einen Enkel hinterlaſſen, der ihrer wuͤrdig
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0224"n="208"/>
am offenen Grabe. Er redete nur wenig zum<lb/>
Andenken der Verſtorbenen; doch dies Wenige ſcheint<lb/>
mir eigenthuͤmlich genug, damit es hier ein Plaͤtzchen<lb/>
finde!</p><lb/><p>Jch habe, —ſo lautete die Trauerrede fuͤr Anton’s<lb/>
Großmutter, — jetzt eben meinen aͤlteſten Goͤnner<lb/>
und hohen Freund, unſern gnaͤdigen Grundherren,<lb/>
zur ewigen Ruhe eingeſegnet, indem ich fuͤr ſelbigen,<lb/>
kraft meines Amtes als berufener und verordneter<lb/>
Diener Gottes, die Gnade des Himmels erflehete und<lb/>
barmherzige Verzeihung Alles deſſen, was menſchlich-<lb/>ſuͤndhaft an ihm geweſen. Er iſt geſtorben, ohne<lb/>ſeinen Frieden mit der Ewigkeit abzuſchließen; darum<lb/>
iſt ſein Ende mir ein zweifacher Schmerz.</p><lb/><p>Hier dagegen ſtehen wir am Grabe einer ſo red-<lb/>
lichen, ſanften, verſtaͤndigen und dabei beſcheidenen<lb/>
Frau, daß ihr Beiſpiel Allen empfohlen werden kann,<lb/>
die noch auf Erden wandeln. Waͤhrend ſie hier unter<lb/>
uns lebte hat niemand eine boͤſe Rede, ein hartes<lb/>
Wort von ihr gehoͤrt, niemand eine uͤble That von<lb/>
ihr geſehen. Wie ſie lebte iſt ſie geſtorben, im frohen<lb/>
Vertrauen auf die ewige Macht, welche Alles leitet<lb/>
und lenkt.</p><lb/><p>Sie hat einen Enkel hinterlaſſen, der ihrer wuͤrdig<lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0224]
am offenen Grabe. Er redete nur wenig zum
Andenken der Verſtorbenen; doch dies Wenige ſcheint
mir eigenthuͤmlich genug, damit es hier ein Plaͤtzchen
finde!
Jch habe, — ſo lautete die Trauerrede fuͤr Anton’s
Großmutter, — jetzt eben meinen aͤlteſten Goͤnner
und hohen Freund, unſern gnaͤdigen Grundherren,
zur ewigen Ruhe eingeſegnet, indem ich fuͤr ſelbigen,
kraft meines Amtes als berufener und verordneter
Diener Gottes, die Gnade des Himmels erflehete und
barmherzige Verzeihung Alles deſſen, was menſchlich-
ſuͤndhaft an ihm geweſen. Er iſt geſtorben, ohne
ſeinen Frieden mit der Ewigkeit abzuſchließen; darum
iſt ſein Ende mir ein zweifacher Schmerz.
Hier dagegen ſtehen wir am Grabe einer ſo red-
lichen, ſanften, verſtaͤndigen und dabei beſcheidenen
Frau, daß ihr Beiſpiel Allen empfohlen werden kann,
die noch auf Erden wandeln. Waͤhrend ſie hier unter
uns lebte hat niemand eine boͤſe Rede, ein hartes
Wort von ihr gehoͤrt, niemand eine uͤble That von
ihr geſehen. Wie ſie lebte iſt ſie geſtorben, im frohen
Vertrauen auf die ewige Macht, welche Alles leitet
und lenkt.
Sie hat einen Enkel hinterlaſſen, der ihrer wuͤrdig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/224>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.