sondertes Leichenzimmer einzurichten, so bleibt ihnen auch hierin ein trauriger Vorzug vor den Aermeren und Geringeren, die gezwungen sind Luft zu machen, damit sie selbst nur wieder leben und wirken können.
Anton hielt sich herkömmlicher Weise an den drit- ten Tag, wobei er jedoch den eigentlichen Todestag nicht mitrechnete; und dadurch geschah es, daß des freiherrlichen Gutsherrn und der Kantorswittwe Be- stattung in einen und denselben Nachmittag fiel. Eine seltene Begebenheit für Liebenau: zwei Leichen unmittelbar hinter einander!
Eben kamen die leidtragenden Töchter aus der Erbgruft wieder an's Tageslicht, als zwei Träger mit dem Sarge der Frau Hahn in den Friedhof traten. Anton wankte hinter diesem Sarge her, wie bewußt- los. Puschel und Rubs, die sich seines Schmerzes, seiner Rathlosigkeit hülfreich angenommen, leiteten ihn. Das ganze Dorf war noch beisammen von der "Beisetzung" des Baron's. Es blieb versammelt, für das Begräbniß der Mutter Goksch. Blos daß die Leute sich umwendeten, von der Gruft unter der Kirche weg, um sich dem Grabe im frischen Erdboden zu zukehren. Das war Alles. Auch die drei Ba- ronessen stellten sich dahin. Pastor Karich stand schon
ſondertes Leichenzimmer einzurichten, ſo bleibt ihnen auch hierin ein trauriger Vorzug vor den Aermeren und Geringeren, die gezwungen ſind Luft zu machen, damit ſie ſelbſt nur wieder leben und wirken koͤnnen.
Anton hielt ſich herkoͤmmlicher Weiſe an den drit- ten Tag, wobei er jedoch den eigentlichen Todestag nicht mitrechnete; und dadurch geſchah es, daß des freiherrlichen Gutsherrn und der Kantorswittwe Be- ſtattung in einen und denſelben Nachmittag fiel. Eine ſeltene Begebenheit fuͤr Liebenau: zwei Leichen unmittelbar hinter einander!
Eben kamen die leidtragenden Toͤchter aus der Erbgruft wieder an’s Tageslicht, als zwei Traͤger mit dem Sarge der Frau Hahn in den Friedhof traten. Anton wankte hinter dieſem Sarge her, wie bewußt- los. Puſchel und Rubs, die ſich ſeines Schmerzes, ſeiner Rathloſigkeit huͤlfreich angenommen, leiteten ihn. Das ganze Dorf war noch beiſammen von der „Beiſetzung“ des Baron’s. Es blieb verſammelt, fuͤr das Begraͤbniß der Mutter Gokſch. Blos daß die Leute ſich umwendeten, von der Gruft unter der Kirche weg, um ſich dem Grabe im friſchen Erdboden zu zukehren. Das war Alles. Auch die drei Ba- roneſſen ſtellten ſich dahin. Paſtor Karich ſtand ſchon
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ſondertes Leichenzimmer einzurichten, ſo bleibt ihnen
auch hierin ein trauriger Vorzug vor den Aermeren
und Geringeren, die gezwungen ſind Luft zu machen,
damit ſie ſelbſt nur wieder leben und wirken koͤnnen.
Anton hielt ſich herkoͤmmlicher Weiſe an den drit-
ten Tag, wobei er jedoch den eigentlichen Todestag
nicht mitrechnete; und dadurch geſchah es, daß des
freiherrlichen Gutsherrn und der Kantorswittwe Be-
ſtattung in einen und denſelben Nachmittag fiel.
Eine ſeltene Begebenheit fuͤr Liebenau: zwei Leichen
unmittelbar hinter einander!
Eben kamen die leidtragenden Toͤchter aus der
Erbgruft wieder an’s Tageslicht, als zwei Traͤger
mit dem Sarge der Frau Hahn in den Friedhof traten.
Anton wankte hinter dieſem Sarge her, wie bewußt-
los. Puſchel und Rubs, die ſich ſeines Schmerzes,
ſeiner Rathloſigkeit huͤlfreich angenommen, leiteten
ihn. Das ganze Dorf war noch beiſammen von der
„Beiſetzung“ des Baron’s. Es blieb verſammelt,
fuͤr das Begraͤbniß der Mutter Gokſch. Blos daß
die Leute ſich umwendeten, von der Gruft unter der
Kirche weg, um ſich dem Grabe im friſchen Erdboden
zu zukehren. Das war Alles. Auch die drei Ba-
roneſſen ſtellten ſich dahin. Paſtor Karich ſtand ſchon
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/223>, abgerufen am 24.11.2024.
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