Nur unartikulirte, abgerissene Silben stotterte der alte Herr mühselig hervor, aus denen sich der Jäger nach langem Studium zuletzt jene früher schon vernomme- nen, ihm auch jetzt noch unerklärbaren Worte: "brau- ner Racker!" zusammen buchstabirte.
Vierzehntes Kapitel.
Mahnt an eine Todte, die vielleicht noch gar nicht gestorben ist. Dagegen pocht der Tod an Antons Thür.
Es wäre wider den natürlichen Lauf der Dinge gewesen, hätten zur Feierabendstunde Mutter Goksch und ihr Enkel die Ereignisse vergangener Nacht nicht mit einander beschwatzt. Schon des Gutsherrn bedenk- liche Erkrankung, die ärztliche Hülfe und reitende Boten nöthig gemacht, verursachte großes Aufsehen und zweideutige Theilnahme im ganzen Dorfe. Wie viel mehr jene geheimnißvollen, fast fabelhaften Gründe, denen diese Erkrankung beigemessen ward. Der Großmutter konnte nicht entgehen, daß Antons Mitleid für den Kranken, von selbstsüchtiger Freude über Theodors plötzliche Abreise aufgewogen wurde. Auch schalt sie ihn deswegen. Das nahm er zwar
Nur unartikulirte, abgeriſſene Silben ſtotterte der alte Herr muͤhſelig hervor, aus denen ſich der Jaͤger nach langem Studium zuletzt jene fruͤher ſchon vernomme- nen, ihm auch jetzt noch unerklaͤrbaren Worte: „brau- ner Racker!“ zuſammen buchſtabirte.
Vierzehntes Kapitel.
Mahnt an eine Todte, die vielleicht noch gar nicht geſtorben iſt. Dagegen pocht der Tod an Antons Thür.
Es waͤre wider den natuͤrlichen Lauf der Dinge geweſen, haͤtten zur Feierabendſtunde Mutter Gokſch und ihr Enkel die Ereigniſſe vergangener Nacht nicht mit einander beſchwatzt. Schon des Gutsherrn bedenk- liche Erkrankung, die aͤrztliche Huͤlfe und reitende Boten noͤthig gemacht, verurſachte großes Aufſehen und zweideutige Theilnahme im ganzen Dorfe. Wie viel mehr jene geheimnißvollen, faſt fabelhaften Gruͤnde, denen dieſe Erkrankung beigemeſſen ward. Der Großmutter konnte nicht entgehen, daß Antons Mitleid fuͤr den Kranken, von ſelbſtſuͤchtiger Freude uͤber Theodors ploͤtzliche Abreiſe aufgewogen wurde. Auch ſchalt ſie ihn deswegen. Das nahm er zwar
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Nur unartikulirte, abgeriſſene Silben ſtotterte der alte
Herr muͤhſelig hervor, aus denen ſich der Jaͤger nach
langem Studium zuletzt jene fruͤher ſchon vernomme-
nen, ihm auch jetzt noch unerklaͤrbaren Worte: „brau-
ner Racker!“ zuſammen buchſtabirte.
Vierzehntes Kapitel.
Mahnt an eine Todte, die vielleicht noch gar nicht geſtorben iſt. Dagegen pocht
der Tod an Antons Thür.
Es waͤre wider den natuͤrlichen Lauf der Dinge
geweſen, haͤtten zur Feierabendſtunde Mutter Gokſch
und ihr Enkel die Ereigniſſe vergangener Nacht nicht
mit einander beſchwatzt. Schon des Gutsherrn bedenk-
liche Erkrankung, die aͤrztliche Huͤlfe und reitende
Boten noͤthig gemacht, verurſachte großes Aufſehen
und zweideutige Theilnahme im ganzen Dorfe. Wie
viel mehr jene geheimnißvollen, faſt fabelhaften
Gruͤnde, denen dieſe Erkrankung beigemeſſen ward.
Der Großmutter konnte nicht entgehen, daß Antons
Mitleid fuͤr den Kranken, von ſelbſtſuͤchtiger Freude
uͤber Theodors ploͤtzliche Abreiſe aufgewogen wurde.
Auch ſchalt ſie ihn deswegen. Das nahm er zwar
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/194>, abgerufen am 24.11.2024.
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