Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Hypothek aufkündiget; denn sobald dies geschieht,
bin ich ein Bettler; meine Töchter müssen nackt und
blos aus ihrer Väter Burg ziehen und nehmen nicht
einen silbernen Löffel mit, auf dem unser reichsfrei-
herrliches Wappen eingegraben steht; überhaupt kein
anderes Wappen, als das schwarze, welches ihr von
Geburt tragt und wofür euch kein Jude einen falschen
Groschen zahlt. Folglich muß geheirathet werden,
Tiele, es muß! Du darfft ihn nicht mehr locker lassen.
Wirf Dich in's Zeug und mach' ein Ende!"

Sie schwieg -- und ging, was er sich für ver-
schämten, kindlichen Gehorsam auslegte.

Der böse Geist trieb sein Spiel, mengte sich in
dieses Mißverständniß und richtete seine Sachen so
schlau ein, daß am Abend desselben Tages, wo der
Baron jene eindringliche Rede gehalten, ihm durch
den Gärtner, einen geschwätzigen dummen Menschen,
Nachricht zukam, über nächtliche Besuche, welche der
verehrte jugendliche Gast bei sich empfange. Zuerst,
versicherte der Gärtner, pflege sich die hintere Haus-
thür zu öffnen, zu welcher Christian sich einen Schlüssel
ausgeliehen, weil er öfters bei Nacht im Stall Ge-
schäfte haben wolle. Dann trete der Fremde heraus
und treibe sich im Garten umher. Doch müsse ein

Hypothek aufkuͤndiget; denn ſobald dies geſchieht,
bin ich ein Bettler; meine Toͤchter muͤſſen nackt und
blos aus ihrer Vaͤter Burg ziehen und nehmen nicht
einen ſilbernen Loͤffel mit, auf dem unſer reichsfrei-
herrliches Wappen eingegraben ſteht; uͤberhaupt kein
anderes Wappen, als das ſchwarze, welches ihr von
Geburt tragt und wofuͤr euch kein Jude einen falſchen
Groſchen zahlt. Folglich muß geheirathet werden,
Tiele, es muß! Du darfft ihn nicht mehr locker laſſen.
Wirf Dich in’s Zeug und mach’ ein Ende!“

Sie ſchwieg — und ging, was er ſich fuͤr ver-
ſchaͤmten, kindlichen Gehorſam auslegte.

Der boͤſe Geiſt trieb ſein Spiel, mengte ſich in
dieſes Mißverſtaͤndniß und richtete ſeine Sachen ſo
ſchlau ein, daß am Abend deſſelben Tages, wo der
Baron jene eindringliche Rede gehalten, ihm durch
den Gaͤrtner, einen geſchwaͤtzigen dummen Menſchen,
Nachricht zukam, uͤber naͤchtliche Beſuche, welche der
verehrte jugendliche Gaſt bei ſich empfange. Zuerſt,
verſicherte der Gaͤrtner, pflege ſich die hintere Haus-
thuͤr zu oͤffnen, zu welcher Chriſtian ſich einen Schluͤſſel
ausgeliehen, weil er oͤfters bei Nacht im Stall Ge-
ſchaͤfte haben wolle. Dann trete der Fremde heraus
und treibe ſich im Garten umher. Doch muͤſſe ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="169"/>
Hypothek aufku&#x0364;ndiget; denn &#x017F;obald dies ge&#x017F;chieht,<lb/>
bin ich ein Bettler; meine To&#x0364;chter mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nackt und<lb/>
blos aus ihrer Va&#x0364;ter Burg ziehen und nehmen nicht<lb/>
einen &#x017F;ilbernen Lo&#x0364;ffel mit, auf dem un&#x017F;er reichsfrei-<lb/>
herrliches Wappen eingegraben &#x017F;teht; u&#x0364;berhaupt kein<lb/>
anderes Wappen, als das &#x017F;chwarze, welches ihr von<lb/>
Geburt tragt und wofu&#x0364;r euch kein Jude einen fal&#x017F;chen<lb/>
Gro&#x017F;chen zahlt. Folglich muß geheirathet werden,<lb/>
Tiele, es muß! Du darfft ihn nicht mehr locker la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Wirf Dich in&#x2019;s Zeug und mach&#x2019; ein Ende!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;chwieg &#x2014; und ging, was er &#x017F;ich fu&#x0364;r ver-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mten, kindlichen Gehor&#x017F;am auslegte.</p><lb/>
        <p>Der bo&#x0364;&#x017F;e Gei&#x017F;t trieb &#x017F;ein Spiel, mengte &#x017F;ich in<lb/>
die&#x017F;es Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndniß und richtete &#x017F;eine Sachen &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlau ein, daß am Abend de&#x017F;&#x017F;elben Tages, wo der<lb/>
Baron jene eindringliche Rede gehalten, ihm durch<lb/>
den Ga&#x0364;rtner, einen ge&#x017F;chwa&#x0364;tzigen dummen Men&#x017F;chen,<lb/>
Nachricht zukam, u&#x0364;ber na&#x0364;chtliche Be&#x017F;uche, welche der<lb/>
verehrte jugendliche Ga&#x017F;t bei &#x017F;ich empfange. Zuer&#x017F;t,<lb/>
ver&#x017F;icherte der Ga&#x0364;rtner, pflege &#x017F;ich die hintere Haus-<lb/>
thu&#x0364;r zu o&#x0364;ffnen, zu welcher Chri&#x017F;tian &#x017F;ich einen Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el<lb/>
ausgeliehen, weil er o&#x0364;fters bei Nacht im Stall Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fte haben wolle. Dann trete der Fremde heraus<lb/>
und treibe &#x017F;ich im Garten umher. Doch mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0185] Hypothek aufkuͤndiget; denn ſobald dies geſchieht, bin ich ein Bettler; meine Toͤchter muͤſſen nackt und blos aus ihrer Vaͤter Burg ziehen und nehmen nicht einen ſilbernen Loͤffel mit, auf dem unſer reichsfrei- herrliches Wappen eingegraben ſteht; uͤberhaupt kein anderes Wappen, als das ſchwarze, welches ihr von Geburt tragt und wofuͤr euch kein Jude einen falſchen Groſchen zahlt. Folglich muß geheirathet werden, Tiele, es muß! Du darfft ihn nicht mehr locker laſſen. Wirf Dich in’s Zeug und mach’ ein Ende!“ Sie ſchwieg — und ging, was er ſich fuͤr ver- ſchaͤmten, kindlichen Gehorſam auslegte. Der boͤſe Geiſt trieb ſein Spiel, mengte ſich in dieſes Mißverſtaͤndniß und richtete ſeine Sachen ſo ſchlau ein, daß am Abend deſſelben Tages, wo der Baron jene eindringliche Rede gehalten, ihm durch den Gaͤrtner, einen geſchwaͤtzigen dummen Menſchen, Nachricht zukam, uͤber naͤchtliche Beſuche, welche der verehrte jugendliche Gaſt bei ſich empfange. Zuerſt, verſicherte der Gaͤrtner, pflege ſich die hintere Haus- thuͤr zu oͤffnen, zu welcher Chriſtian ſich einen Schluͤſſel ausgeliehen, weil er oͤfters bei Nacht im Stall Ge- ſchaͤfte haben wolle. Dann trete der Fremde heraus und treibe ſich im Garten umher. Doch muͤſſe ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/185
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/185>, abgerufen am 24.11.2024.