vorzüglich in schlaflosen Nächten dermaßen, daß er sich bisweilen den Tod wünschte und geradezu den schwarzen Wolfgang beneidete um sein Ruheplätzchen in der Kirchhofs-Ecke.
Ja, die schlaflosen Nächte!
Es ist ein großer Segen für die Jugend, daß sie so willig und gut zu schlafen versteht. Der Schlaf ist nicht nur dienlich zur Stärkung ermüdeter Glieder; auch als Tröstung für Leiden bleibt er unschätzbar. Und wie oft legt sich ein Jüngling, sein Kopfkissen mit Thränen befeuchtend, nieder; voll von schwer- müthigem Liebesgrame seufzend, gleich einer alten Kirchthurmsfahne im Abendwind, -- eh' noch fünf Minuten vergangen, schläft er wie ein Sack und verschläft neun Zehntheil alles Jammers. Wenn es erst so weit kommt, daß er nach einem Stündchen unruhigen Schlummers aufschrickt, völlig munter wird und dann die Sekunden zählt, bis nur wieder ein Tag anbrechen will.. dann steht es übel mit ihm.
Auf diese Weise vergingen unserem Freunde verschiedene Nächte, -- schlichen ihm dahin, seit dem Erndtefeste. Wolfgangs Leiche, -- Bärbel mit den Goldstücken in der Hand, -- Theodor auf dem Schlosse, -- Ottilie neben ihm, -- Onkel Nasus ein
Die Vagabunden. I. 11
vorzuͤglich in ſchlafloſen Naͤchten dermaßen, daß er ſich bisweilen den Tod wuͤnſchte und geradezu den ſchwarzen Wolfgang beneidete um ſein Ruheplaͤtzchen in der Kirchhofs-Ecke.
Ja, die ſchlafloſen Naͤchte!
Es iſt ein großer Segen fuͤr die Jugend, daß ſie ſo willig und gut zu ſchlafen verſteht. Der Schlaf iſt nicht nur dienlich zur Staͤrkung ermuͤdeter Glieder; auch als Troͤſtung fuͤr Leiden bleibt er unſchaͤtzbar. Und wie oft legt ſich ein Juͤngling, ſein Kopfkiſſen mit Thraͤnen befeuchtend, nieder; voll von ſchwer- muͤthigem Liebesgrame ſeufzend, gleich einer alten Kirchthurmsfahne im Abendwind, — eh’ noch fuͤnf Minuten vergangen, ſchlaͤft er wie ein Sack und verſchlaͤft neun Zehntheil alles Jammers. Wenn es erſt ſo weit kommt, daß er nach einem Stuͤndchen unruhigen Schlummers aufſchrickt, voͤllig munter wird und dann die Sekunden zaͤhlt, bis nur wieder ein Tag anbrechen will.. dann ſteht es uͤbel mit ihm.
Auf dieſe Weiſe vergingen unſerem Freunde verſchiedene Naͤchte, — ſchlichen ihm dahin, ſeit dem Erndtefeſte. Wolfgangs Leiche, — Baͤrbel mit den Goldſtuͤcken in der Hand, — Theodor auf dem Schloſſe, — Ottilie neben ihm, — Onkel Naſus ein
Die Vagabunden. I. 11
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vorzuͤglich in ſchlafloſen Naͤchten dermaßen, daß er
ſich bisweilen den Tod wuͤnſchte und geradezu den
ſchwarzen Wolfgang beneidete um ſein Ruheplaͤtzchen
in der Kirchhofs-Ecke.
Ja, die ſchlafloſen Naͤchte!
Es iſt ein großer Segen fuͤr die Jugend, daß
ſie ſo willig und gut zu ſchlafen verſteht. Der Schlaf
iſt nicht nur dienlich zur Staͤrkung ermuͤdeter Glieder;
auch als Troͤſtung fuͤr Leiden bleibt er unſchaͤtzbar.
Und wie oft legt ſich ein Juͤngling, ſein Kopfkiſſen
mit Thraͤnen befeuchtend, nieder; voll von ſchwer-
muͤthigem Liebesgrame ſeufzend, gleich einer alten
Kirchthurmsfahne im Abendwind, — eh’ noch fuͤnf
Minuten vergangen, ſchlaͤft er wie ein Sack
und verſchlaͤft neun Zehntheil alles Jammers. Wenn
es erſt ſo weit kommt, daß er nach einem Stuͤndchen
unruhigen Schlummers aufſchrickt, voͤllig munter
wird und dann die Sekunden zaͤhlt, bis nur wieder
ein Tag anbrechen will.. dann ſteht es uͤbel mit ihm.
Auf dieſe Weiſe vergingen unſerem Freunde
verſchiedene Naͤchte, — ſchlichen ihm dahin, ſeit dem
Erndtefeſte. Wolfgangs Leiche, — Baͤrbel mit den
Goldſtuͤcken in der Hand, — Theodor auf dem
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Die Vagabunden. I. 11
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/177>, abgerufen am 22.11.2024.
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