Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Augenschein nehmen zu wollen, und es sei, meinte
er, die Ausdehnung des Besitzthumes zu bedeutend,
um es mit einigen flüchtigen Spazierritten abzuthun.

Onkel Nasus triumphirte. "Man müßte ja
doch ein komplettes Stück Rindvieh sein, wenn man
zweifeln könnte, daß er um Tieletunke's Willen
bleibt? O wir haben ihn! Wir haben ihn!! Und das
Satansmädel stellt sich an, als wolle sie nichts von
ihm wissen?"

Nicht allein Onkel Nasus, -- der eigentlich nicht
nöthig gehabt hätte, sich selbst eine Nase zu drehen,
da er in diesem Punkte schon so glorreich versorgt
war! -- auch Ottiliens Schwestern, wie des Pastor's
Söhne ließen sich durch Theodors vielsagendes
Schweigen täuschen und gaben sich der Meinung hin,
zwischen ihm und der stolzen Spröden bilde sich im
Geheim ein dauerndes Verhältniß, welches ihn an
Liebenau fessele. Ottilie fand es entweder nicht der
Mühe werth, sie sämmtlich zu enttäuschen, oder sie
schwieg zu jeder noch so unzarten Anspielung, nur
damit ihr Vater nicht fürder in sie dringen möge;
oder, schien es ihr gelegen unter dem gleißnerischen
Mantel einer keimenden Neigung für den jungen
Sohn des reichen Mannes, die längst verborgene

Augenſchein nehmen zu wollen, und es ſei, meinte
er, die Ausdehnung des Beſitzthumes zu bedeutend,
um es mit einigen fluͤchtigen Spazierritten abzuthun.

Onkel Naſus triumphirte. „Man muͤßte ja
doch ein komplettes Stuͤck Rindvieh ſein, wenn man
zweifeln koͤnnte, daß er um Tieletunke’s Willen
bleibt? O wir haben ihn! Wir haben ihn!! Und das
Satansmaͤdel ſtellt ſich an, als wolle ſie nichts von
ihm wiſſen?“

Nicht allein Onkel Naſus, — der eigentlich nicht
noͤthig gehabt haͤtte, ſich ſelbſt eine Naſe zu drehen,
da er in dieſem Punkte ſchon ſo glorreich verſorgt
war! — auch Ottiliens Schweſtern, wie des Paſtor’s
Soͤhne ließen ſich durch Theodors vielſagendes
Schweigen taͤuſchen und gaben ſich der Meinung hin,
zwiſchen ihm und der ſtolzen Sproͤden bilde ſich im
Geheim ein dauerndes Verhaͤltniß, welches ihn an
Liebenau feſſele. Ottilie fand es entweder nicht der
Muͤhe werth, ſie ſaͤmmtlich zu enttaͤuſchen, oder ſie
ſchwieg zu jeder noch ſo unzarten Anſpielung, nur
damit ihr Vater nicht fuͤrder in ſie dringen moͤge;
oder, ſchien es ihr gelegen unter dem gleißneriſchen
Mantel einer keimenden Neigung fuͤr den jungen
Sohn des reichen Mannes, die laͤngſt verborgene

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="159"/>
Augen&#x017F;chein nehmen zu wollen, und es &#x017F;ei, meinte<lb/>
er, die Ausdehnung des Be&#x017F;itzthumes zu bedeutend,<lb/>
um es mit einigen flu&#x0364;chtigen Spazierritten abzuthun.</p><lb/>
        <p>Onkel Na&#x017F;us triumphirte. &#x201E;Man mu&#x0364;ßte ja<lb/>
doch ein komplettes Stu&#x0364;ck Rindvieh &#x017F;ein, wenn man<lb/>
zweifeln ko&#x0364;nnte, daß er um Tieletunke&#x2019;s Willen<lb/>
bleibt? O wir haben ihn! Wir haben ihn!! Und das<lb/>
Satansma&#x0364;del &#x017F;tellt &#x017F;ich an, als wolle &#x017F;ie nichts von<lb/>
ihm wi&#x017F;&#x017F;en?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nicht allein Onkel Na&#x017F;us, &#x2014; der eigentlich nicht<lb/>
no&#x0364;thig gehabt ha&#x0364;tte, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t eine Na&#x017F;e zu drehen,<lb/>
da er in die&#x017F;em Punkte &#x017F;chon &#x017F;o glorreich ver&#x017F;orgt<lb/>
war! &#x2014; auch Ottiliens Schwe&#x017F;tern, wie des Pa&#x017F;tor&#x2019;s<lb/>
So&#x0364;hne ließen &#x017F;ich durch Theodors viel&#x017F;agendes<lb/>
Schweigen ta&#x0364;u&#x017F;chen und gaben &#x017F;ich der Meinung hin,<lb/>
zwi&#x017F;chen ihm und der &#x017F;tolzen Spro&#x0364;den bilde &#x017F;ich im<lb/>
Geheim ein dauerndes Verha&#x0364;ltniß, welches ihn an<lb/>
Liebenau fe&#x017F;&#x017F;ele. Ottilie fand es entweder nicht der<lb/>
Mu&#x0364;he werth, &#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;mmtlich zu entta&#x0364;u&#x017F;chen, oder &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chwieg zu jeder noch &#x017F;o unzarten An&#x017F;pielung, nur<lb/>
damit ihr Vater nicht fu&#x0364;rder in &#x017F;ie dringen mo&#x0364;ge;<lb/>
oder, &#x017F;chien es ihr gelegen unter dem gleißneri&#x017F;chen<lb/>
Mantel einer keimenden Neigung fu&#x0364;r den jungen<lb/>
Sohn des reichen Mannes, die la&#x0364;ng&#x017F;t verborgene<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0175] Augenſchein nehmen zu wollen, und es ſei, meinte er, die Ausdehnung des Beſitzthumes zu bedeutend, um es mit einigen fluͤchtigen Spazierritten abzuthun. Onkel Naſus triumphirte. „Man muͤßte ja doch ein komplettes Stuͤck Rindvieh ſein, wenn man zweifeln koͤnnte, daß er um Tieletunke’s Willen bleibt? O wir haben ihn! Wir haben ihn!! Und das Satansmaͤdel ſtellt ſich an, als wolle ſie nichts von ihm wiſſen?“ Nicht allein Onkel Naſus, — der eigentlich nicht noͤthig gehabt haͤtte, ſich ſelbſt eine Naſe zu drehen, da er in dieſem Punkte ſchon ſo glorreich verſorgt war! — auch Ottiliens Schweſtern, wie des Paſtor’s Soͤhne ließen ſich durch Theodors vielſagendes Schweigen taͤuſchen und gaben ſich der Meinung hin, zwiſchen ihm und der ſtolzen Sproͤden bilde ſich im Geheim ein dauerndes Verhaͤltniß, welches ihn an Liebenau feſſele. Ottilie fand es entweder nicht der Muͤhe werth, ſie ſaͤmmtlich zu enttaͤuſchen, oder ſie ſchwieg zu jeder noch ſo unzarten Anſpielung, nur damit ihr Vater nicht fuͤrder in ſie dringen moͤge; oder, ſchien es ihr gelegen unter dem gleißneriſchen Mantel einer keimenden Neigung fuͤr den jungen Sohn des reichen Mannes, die laͤngſt verborgene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/175
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/175>, abgerufen am 24.11.2024.