Abneigung gegen Theodor mit sich und ihren eigenen Empfindungen im Zusammenhang wähnte. Theodor aber, purpurroth im Gesicht und über alle Maßen verlegen, trieb in dieser Verlegenheit den Baron, die Stallleute zu treiben, daß er bald in seiner Gesell- schaft den projektirten Ritt in Wald und Feld begin- nen könne, auf welchem er die ihm zugedachte Domaine besichtigen wollte.
Anton war zum Pastor gegangen, den er, wie immer, bereitwillig, gutmüthig, aufopfernd fand. Dann eilte er zum alten Dorftischler, dem Sarglie- feranten für Liebenau, seit fünfzig Jahren schon und länger: Der Mann war hoch in den Siebzigen.
Wie viele Liebenauer hatte der schon eingekleidet in den letzten hölzernen Rock!
Als Anton diesem sein Anliegen mittheilend zugleich erklärte: er wolle von seinem kleinen Ersparniß den Sarg bezahlen, blickte Meister Fiebig ihn von der Seite an und murmelte fragend: Halt ein Nasen- quetschel? (Du mußt wissen, lieber Leser, so benennt man dort zu Lande jene viereckigen Särge, deren Deckel platt und fest auf dem Körper liegt, und wirk- lich das Gesicht oft zusammen drückt.)
Anton fuhr auf: was denkt ihr, Fiebig? Wenn ich
Abneigung gegen Theodor mit ſich und ihren eigenen Empfindungen im Zuſammenhang waͤhnte. Theodor aber, purpurroth im Geſicht und uͤber alle Maßen verlegen, trieb in dieſer Verlegenheit den Baron, die Stallleute zu treiben, daß er bald in ſeiner Geſell- ſchaft den projektirten Ritt in Wald und Feld begin- nen koͤnne, auf welchem er die ihm zugedachte Domaine beſichtigen wollte.
Anton war zum Paſtor gegangen, den er, wie immer, bereitwillig, gutmuͤthig, aufopfernd fand. Dann eilte er zum alten Dorftiſchler, dem Sarglie- feranten fuͤr Liebenau, ſeit fuͤnfzig Jahren ſchon und laͤnger: Der Mann war hoch in den Siebzigen.
Wie viele Liebenauer hatte der ſchon eingekleidet in den letzten hoͤlzernen Rock!
Als Anton dieſem ſein Anliegen mittheilend zugleich erklaͤrte: er wolle von ſeinem kleinen Erſparniß den Sarg bezahlen, blickte Meiſter Fiebig ihn von der Seite an und murmelte fragend: Halt ein Naſen- quetſchel? (Du mußt wiſſen, lieber Leſer, ſo benennt man dort zu Lande jene viereckigen Saͤrge, deren Deckel platt und feſt auf dem Koͤrper liegt, und wirk- lich das Geſicht oft zuſammen druͤckt.)
Anton fuhr auf: was denkt ihr, Fiebig? Wenn ich
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Abneigung gegen Theodor mit ſich und ihren eigenen
Empfindungen im Zuſammenhang waͤhnte. Theodor
aber, purpurroth im Geſicht und uͤber alle Maßen
verlegen, trieb in dieſer Verlegenheit den Baron, die
Stallleute zu treiben, daß er bald in ſeiner Geſell-
ſchaft den projektirten Ritt in Wald und Feld begin-
nen koͤnne, auf welchem er die ihm zugedachte Domaine
beſichtigen wollte.
Anton war zum Paſtor gegangen, den er, wie
immer, bereitwillig, gutmuͤthig, aufopfernd fand.
Dann eilte er zum alten Dorftiſchler, dem Sarglie-
feranten fuͤr Liebenau, ſeit fuͤnfzig Jahren ſchon und
laͤnger: Der Mann war hoch in den Siebzigen.
Wie viele Liebenauer hatte der ſchon eingekleidet
in den letzten hoͤlzernen Rock!
Als Anton dieſem ſein Anliegen mittheilend zugleich
erklaͤrte: er wolle von ſeinem kleinen Erſparniß den
Sarg bezahlen, blickte Meiſter Fiebig ihn von der
Seite an und murmelte fragend: Halt ein Naſen-
quetſchel? (Du mußt wiſſen, lieber Leſer, ſo benennt
man dort zu Lande jene viereckigen Saͤrge, deren
Deckel platt und feſt auf dem Koͤrper liegt, und wirk-
lich das Geſicht oft zuſammen druͤckt.)
Anton fuhr auf: was denkt ihr, Fiebig? Wenn ich
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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