weiter nichts. Damit muß man sich bekannt machen. Und mein Wort gab ich ja auch: die Augen will ich ihm schließen!
Nachdem dies geschehen, blieb er auf den Knieen liegen, faltete seine Hände und betete. Hernach zwang er sich, auf die eiskalte Stirn des Todten, obwohl mit Grauen, einen Kuß zu drücken. Endlich stand er langsam auf, betrachtete die Leiche mit festem Blick und sagte: Wie Du daliegst, Wolfgang, will ich Dich im Gedächtniß behalten; will oft an Dich denken und an diese Nacht; das kann nicht schaden.
Elftes Kapitel.
Wie Anton dem schwarzen Wolfgang die letzte Ehre erweiset.
"Grundgütiger Himmel, Anton, was hast Du begangen? Wo kommst Du her? Wo hast Du diese Nacht zugebracht? Welch' Unheil ist geschehen? Wes- sen Blut klebt an Deinen Kleidern, an Deinen Händen?"
Mit diesem Schreckensruf empfing Mutter Goksch ihren Enkel. Dieser erfuhr erst durch sie, daß er einem Mörder ähnlich in's Haus trat. Er bebte vor sich
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weiter nichts. Damit muß man ſich bekannt machen. Und mein Wort gab ich ja auch: die Augen will ich ihm ſchließen!
Nachdem dies geſchehen, blieb er auf den Knieen liegen, faltete ſeine Haͤnde und betete. Hernach zwang er ſich, auf die eiskalte Stirn des Todten, obwohl mit Grauen, einen Kuß zu druͤcken. Endlich ſtand er langſam auf, betrachtete die Leiche mit feſtem Blick und ſagte: Wie Du daliegſt, Wolfgang, will ich Dich im Gedaͤchtniß behalten; will oft an Dich denken und an dieſe Nacht; das kann nicht ſchaden.
Elftes Kapitel.
Wie Anton dem ſchwarzen Wolfgang die letzte Ehre erweiſet.
„Grundguͤtiger Himmel, Anton, was haſt Du begangen? Wo kommſt Du her? Wo haſt Du dieſe Nacht zugebracht? Welch’ Unheil iſt geſchehen? Weſ- ſen Blut klebt an Deinen Kleidern, an Deinen Haͤnden?“
Mit dieſem Schreckensruf empfing Mutter Gokſch ihren Enkel. Dieſer erfuhr erſt durch ſie, daß er einem Moͤrder aͤhnlich in’s Haus trat. Er bebte vor ſich
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weiter nichts. Damit muß man ſich bekannt machen.
Und mein Wort gab ich ja auch: die Augen will ich
ihm ſchließen!
Nachdem dies geſchehen, blieb er auf den Knieen
liegen, faltete ſeine Haͤnde und betete. Hernach zwang
er ſich, auf die eiskalte Stirn des Todten, obwohl
mit Grauen, einen Kuß zu druͤcken. Endlich ſtand er
langſam auf, betrachtete die Leiche mit feſtem Blick
und ſagte: Wie Du daliegſt, Wolfgang, will ich Dich
im Gedaͤchtniß behalten; will oft an Dich denken
und an dieſe Nacht; das kann nicht ſchaden.
Elftes Kapitel.
Wie Anton dem ſchwarzen Wolfgang die letzte Ehre erweiſet.
„Grundguͤtiger Himmel, Anton, was haſt Du
begangen? Wo kommſt Du her? Wo haſt Du dieſe
Nacht zugebracht? Welch’ Unheil iſt geſchehen? Weſ-
ſen Blut klebt an Deinen Kleidern, an Deinen
Haͤnden?“
Mit dieſem Schreckensruf empfing Mutter Gokſch
ihren Enkel. Dieſer erfuhr erſt durch ſie, daß er einem
Moͤrder aͤhnlich in’s Haus trat. Er bebte vor ſich
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/163>, abgerufen am 24.11.2024.
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