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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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schrecklich bei Todten. Tauche mein Tuch in den
Quell dort nahe bei und leg' es auf die Augen, wenn
sie geschlossen sind. Jch dank' Dir, lieber, lieber
Anton! Sei glücklich!"

Hiernach verstummte der schwarze Wolfgang.

Die Sonne blickte schon durch Morgenwolken und
Anton hielt seinen unseligen Freund noch immer im
Arm, gleich einer Mutter das schlummernde Kind,
schweigend, um ihn nicht zu erwecken. Wie es aber
heller wurde um ihn her, wie er die veränderten Ge-
sichtszüge, das gläserne starre Auge, die Ruhe der
nicht mehr keuchenden Brust bemerkte, da durchzog
unheimliches Grauen sein junges Herz. Er griff nach
der Hand des Verblichenen, -- sie war steif, jede
Lebenswärme aus ihr geschwunden. Er legte die
eigene Hand auf Wolfgangs Wange, -- diese sühlte
sich an wie Stein.

Er ist todt! schrie er auf, zog den Arm, in wel-
chem er den Leichnam gehalten, zurück, sprang empor
und wendete sich ab von dem furchtbaren Bilde, um
schaudernd zu entfliehen. Doch kaum waren einige
Schritte gethan, als er sich beschämt seines Verspre-
chens erinnerte. Pfui, sprach er, wie feig' bin ich doch!
Das ist halt der Tod, wie er uns Allen bestimmt ist,

ſchrecklich bei Todten. Tauche mein Tuch in den
Quell dort nahe bei und leg’ es auf die Augen, wenn
ſie geſchloſſen ſind. Jch dank’ Dir, lieber, lieber
Anton! Sei gluͤcklich!“

Hiernach verſtummte der ſchwarze Wolfgang.

Die Sonne blickte ſchon durch Morgenwolken und
Anton hielt ſeinen unſeligen Freund noch immer im
Arm, gleich einer Mutter das ſchlummernde Kind,
ſchweigend, um ihn nicht zu erwecken. Wie es aber
heller wurde um ihn her, wie er die veraͤnderten Ge-
ſichtszuͤge, das glaͤſerne ſtarre Auge, die Ruhe der
nicht mehr keuchenden Bruſt bemerkte, da durchzog
unheimliches Grauen ſein junges Herz. Er griff nach
der Hand des Verblichenen, — ſie war ſteif, jede
Lebenswaͤrme aus ihr geſchwunden. Er legte die
eigene Hand auf Wolfgangs Wange, — dieſe ſuͤhlte
ſich an wie Stein.

Er iſt todt! ſchrie er auf, zog den Arm, in wel-
chem er den Leichnam gehalten, zuruͤck, ſprang empor
und wendete ſich ab von dem furchtbaren Bilde, um
ſchaudernd zu entfliehen. Doch kaum waren einige
Schritte gethan, als er ſich beſchaͤmt ſeines Verſpre-
chens erinnerte. Pfui, ſprach er, wie feig’ bin ich doch!
Das iſt halt der Tod, wie er uns Allen beſtimmt iſt,

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[146/0162] ſchrecklich bei Todten. Tauche mein Tuch in den Quell dort nahe bei und leg’ es auf die Augen, wenn ſie geſchloſſen ſind. Jch dank’ Dir, lieber, lieber Anton! Sei gluͤcklich!“ Hiernach verſtummte der ſchwarze Wolfgang. Die Sonne blickte ſchon durch Morgenwolken und Anton hielt ſeinen unſeligen Freund noch immer im Arm, gleich einer Mutter das ſchlummernde Kind, ſchweigend, um ihn nicht zu erwecken. Wie es aber heller wurde um ihn her, wie er die veraͤnderten Ge- ſichtszuͤge, das glaͤſerne ſtarre Auge, die Ruhe der nicht mehr keuchenden Bruſt bemerkte, da durchzog unheimliches Grauen ſein junges Herz. Er griff nach der Hand des Verblichenen, — ſie war ſteif, jede Lebenswaͤrme aus ihr geſchwunden. Er legte die eigene Hand auf Wolfgangs Wange, — dieſe ſuͤhlte ſich an wie Stein. Er iſt todt! ſchrie er auf, zog den Arm, in wel- chem er den Leichnam gehalten, zuruͤck, ſprang empor und wendete ſich ab von dem furchtbaren Bilde, um ſchaudernd zu entfliehen. Doch kaum waren einige Schritte gethan, als er ſich beſchaͤmt ſeines Verſpre- chens erinnerte. Pfui, ſprach er, wie feig’ bin ich doch! Das iſt halt der Tod, wie er uns Allen beſtimmt iſt,

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/162>, abgerufen am 24.11.2024.