Empfindungen getrieben, dem verrufenen Fuchs- winkel zu.
Zehntes Kapitel.
Anton erfährt, was der Tod sei.
Jch bin öfter im Fuchswinkel gewesen, lieber Leser. Jch kenne die Wege und Schliche, die durch Dick und Dünn, durch Urwald und Gehege, durch Tannenschonung und junges Laubholz dahin führen, recht gut; weiß aber doch nicht, ob bei Nacht, beson- ders jedoch in einem Seelen- und Körper-Zustand wie Anton's, ich mich zurecht gefunden haben würde?
Er fand sich zurecht. Ohne daran zu denken; ohne sich nur umzuthun nach dem Pfade, der links, rechts, über Gräben, durch stachlichte Brombeerhecken führte, traf er ihn, wie der junge Wandervogel, vom Jnstinkt gezogen, den Weg findet in Länder, die ihm gar noch fremd sind. Sinnenglut und gekränkte Eitel- keit, Neugier und Todesgrauen, Eifersucht und Weh- muth stritten in ihm um die Herrschaft. Er sollte den unzugänglichen, von Menschen gemiedenen Waldwin- kel wieder betreten, wo er zuerst um seiner Mutter jammervolles Ende geweint. Und den fast gefürchte-
Empfindungen getrieben, dem verrufenen Fuchs- winkel zu.
Zehntes Kapitel.
Anton erfährt, was der Tod ſei.
Jch bin oͤfter im Fuchswinkel geweſen, lieber Leſer. Jch kenne die Wege und Schliche, die durch Dick und Duͤnn, durch Urwald und Gehege, durch Tannenſchonung und junges Laubholz dahin fuͤhren, recht gut; weiß aber doch nicht, ob bei Nacht, beſon- ders jedoch in einem Seelen- und Koͤrper-Zuſtand wie Anton’s, ich mich zurecht gefunden haben wuͤrde?
Er fand ſich zurecht. Ohne daran zu denken; ohne ſich nur umzuthun nach dem Pfade, der links, rechts, uͤber Graͤben, durch ſtachlichte Brombeerhecken fuͤhrte, traf er ihn, wie der junge Wandervogel, vom Jnſtinkt gezogen, den Weg findet in Laͤnder, die ihm gar noch fremd ſind. Sinnenglut und gekraͤnkte Eitel- keit, Neugier und Todesgrauen, Eiferſucht und Weh- muth ſtritten in ihm um die Herrſchaft. Er ſollte den unzugaͤnglichen, von Menſchen gemiedenen Waldwin- kel wieder betreten, wo er zuerſt um ſeiner Mutter jammervolles Ende geweint. Und den faſt gefuͤrchte-
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Empfindungen getrieben, dem verrufenen Fuchs-
winkel zu.
Zehntes Kapitel.
Anton erfährt, was der Tod ſei.
Jch bin oͤfter im Fuchswinkel geweſen, lieber
Leſer. Jch kenne die Wege und Schliche, die durch
Dick und Duͤnn, durch Urwald und Gehege, durch
Tannenſchonung und junges Laubholz dahin fuͤhren,
recht gut; weiß aber doch nicht, ob bei Nacht, beſon-
ders jedoch in einem Seelen- und Koͤrper-Zuſtand
wie Anton’s, ich mich zurecht gefunden haben wuͤrde?
Er fand ſich zurecht. Ohne daran zu denken;
ohne ſich nur umzuthun nach dem Pfade, der links,
rechts, uͤber Graͤben, durch ſtachlichte Brombeerhecken
fuͤhrte, traf er ihn, wie der junge Wandervogel, vom
Jnſtinkt gezogen, den Weg findet in Laͤnder, die ihm
gar noch fremd ſind. Sinnenglut und gekraͤnkte Eitel-
keit, Neugier und Todesgrauen, Eiferſucht und Weh-
muth ſtritten in ihm um die Herrſchaft. Er ſollte den
unzugaͤnglichen, von Menſchen gemiedenen Waldwin-
kel wieder betreten, wo er zuerſt um ſeiner Mutter
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/157>, abgerufen am 24.11.2024.
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