Schlingel?" an, und ohne selbst recht zu wissen, was er that, befahl er ihm, beim herrschaftlichen Balle zu verweilen. Kaum war diese gebieterische Einladung ausgesprochen, als Ottilie von ihrem Tänzer zurück- trat, dem Vater einen fast zornigen Blick zuwarf, und sich unter die andern Frauenzimmer verlor.
Anton stand in peinvoller Lage da. Sein zarter Sinn ließ ihn die durch Ottilien zugefügte Schmach desto schmerzlicher empfinden, weil die ihr zuvor- gegangene Auszeichnung ihn mit täuschenden Hoff- nungen zu wecken begonnen hatte. Dem Befehle des Barons ungehorsam zu sein, wagte er nicht. So mußte der Arme verbleiben, wo er sich nur geduldet, wo er sich von ihr, um deren Willen allein er gern dort sein mögen, nicht gern gesehen wußte. Deshalb stand er stumm und unbeweglich im Winkel, neben den Musikanten. Als Einer derselben über Schmer- zen in der linken Hand klagte, -- es war ihm ein Glassplitterchen darin sitzen geblieben, von einer Flasche, die er vorgestern einem seiner Freunde am Kopfe entzwei geschlagen, -- nahm Anton dessen Geige und strich statt seiner Ländler und Walzer her- unter.
Gut, Anton, gut! rief jetzt Ottilie, die eben mit
Schlingel?“ an, und ohne ſelbſt recht zu wiſſen, was er that, befahl er ihm, beim herrſchaftlichen Balle zu verweilen. Kaum war dieſe gebieteriſche Einladung ausgeſprochen, als Ottilie von ihrem Taͤnzer zuruͤck- trat, dem Vater einen faſt zornigen Blick zuwarf, und ſich unter die andern Frauenzimmer verlor.
Anton ſtand in peinvoller Lage da. Sein zarter Sinn ließ ihn die durch Ottilien zugefuͤgte Schmach deſto ſchmerzlicher empfinden, weil die ihr zuvor- gegangene Auszeichnung ihn mit taͤuſchenden Hoff- nungen zu wecken begonnen hatte. Dem Befehle des Barons ungehorſam zu ſein, wagte er nicht. So mußte der Arme verbleiben, wo er ſich nur geduldet, wo er ſich von ihr, um deren Willen allein er gern dort ſein moͤgen, nicht gern geſehen wußte. Deshalb ſtand er ſtumm und unbeweglich im Winkel, neben den Muſikanten. Als Einer derſelben uͤber Schmer- zen in der linken Hand klagte, — es war ihm ein Glasſplitterchen darin ſitzen geblieben, von einer Flaſche, die er vorgeſtern einem ſeiner Freunde am Kopfe entzwei geſchlagen, — nahm Anton deſſen Geige und ſtrich ſtatt ſeiner Laͤndler und Walzer her- unter.
Gut, Anton, gut! rief jetzt Ottilie, die eben mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="133"/>
Schlingel?“ an, und ohne ſelbſt recht zu wiſſen, was<lb/>
er that, befahl er ihm, beim herrſchaftlichen Balle zu<lb/>
verweilen. Kaum war dieſe gebieteriſche Einladung<lb/>
ausgeſprochen, als Ottilie von ihrem Taͤnzer zuruͤck-<lb/>
trat, dem Vater einen faſt zornigen Blick zuwarf,<lb/>
und ſich unter die andern Frauenzimmer verlor.</p><lb/><p>Anton ſtand in peinvoller Lage da. Sein zarter<lb/>
Sinn ließ ihn die durch Ottilien zugefuͤgte Schmach<lb/>
deſto ſchmerzlicher empfinden, weil die ihr zuvor-<lb/>
gegangene Auszeichnung ihn mit taͤuſchenden Hoff-<lb/>
nungen zu wecken begonnen hatte. Dem Befehle des<lb/>
Barons ungehorſam zu ſein, wagte er nicht. So<lb/>
mußte der Arme verbleiben, wo er ſich nur geduldet,<lb/>
wo er ſich von ihr, um deren Willen allein er gern<lb/>
dort ſein moͤgen, nicht gern geſehen wußte. <hirendition="#g">Deshalb</hi><lb/>ſtand er ſtumm und unbeweglich im Winkel, neben<lb/>
den Muſikanten. Als Einer derſelben uͤber Schmer-<lb/>
zen in der linken Hand klagte, — es war ihm ein<lb/>
Glasſplitterchen darin ſitzen geblieben, von einer<lb/>
Flaſche, die er vorgeſtern einem ſeiner Freunde am<lb/>
Kopfe entzwei geſchlagen, — nahm Anton deſſen<lb/>
Geige und ſtrich ſtatt ſeiner Laͤndler und Walzer her-<lb/>
unter.</p><lb/><p>Gut, Anton, gut! rief jetzt Ottilie, die eben mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[133/0149]
Schlingel?“ an, und ohne ſelbſt recht zu wiſſen, was
er that, befahl er ihm, beim herrſchaftlichen Balle zu
verweilen. Kaum war dieſe gebieteriſche Einladung
ausgeſprochen, als Ottilie von ihrem Taͤnzer zuruͤck-
trat, dem Vater einen faſt zornigen Blick zuwarf,
und ſich unter die andern Frauenzimmer verlor.
Anton ſtand in peinvoller Lage da. Sein zarter
Sinn ließ ihn die durch Ottilien zugefuͤgte Schmach
deſto ſchmerzlicher empfinden, weil die ihr zuvor-
gegangene Auszeichnung ihn mit taͤuſchenden Hoff-
nungen zu wecken begonnen hatte. Dem Befehle des
Barons ungehorſam zu ſein, wagte er nicht. So
mußte der Arme verbleiben, wo er ſich nur geduldet,
wo er ſich von ihr, um deren Willen allein er gern
dort ſein moͤgen, nicht gern geſehen wußte. Deshalb
ſtand er ſtumm und unbeweglich im Winkel, neben
den Muſikanten. Als Einer derſelben uͤber Schmer-
zen in der linken Hand klagte, — es war ihm ein
Glasſplitterchen darin ſitzen geblieben, von einer
Flaſche, die er vorgeſtern einem ſeiner Freunde am
Kopfe entzwei geſchlagen, — nahm Anton deſſen
Geige und ſtrich ſtatt ſeiner Laͤndler und Walzer her-
unter.
Gut, Anton, gut! rief jetzt Ottilie, die eben mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/149>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.