Ziererei, den natürlichsten Anstand bezeichnend. Die kleinen Füße schienen, in dünneren Schuhen als jemals ein Liebenauer Bursche besessen, einherschrei- tend, selbst zu zweifeln, ob sie Boden genug fassen könnten, der ihnen anvertrauten Person das rechte Gleichgewicht zu erhalten? Doch ging es herrlich und Anton wandelte auf ihnen muthig einher.
Die Großmutter schaute ihm lange nach, dann erlaubte sie sich die unbescheidene Frage: Du lieber Gott, was wolltest Du mit dem Jungen neben den Dorflümmeln?
Jm Schlosse hatten sie den großen Saal des Erd- geschosses geöffnet, gelüftet, ausgeputzt, für Tanz und Lustbarkeit. Das Mittagsmahl war beendet. Theodor, neben Ottilien gesetzt, und an besseren Wein im väter- lichen Hause gewöhnt, hatte des Barons Ermunte- rungen zum Trinken eben so unbeachtet gelassen, als Ottilie die liebevoll an sie gestellten Aufforderungen: zuvorkommend und kokett zu sein. Sie gaben ein stummes Paar ab. Desto lauter wurden die Anderen. Sie konnten kaum den Beginn des Tanzes mehr erwarten.
Die Pflicht der Schloßfräulein, altherkömmlichem Brauche gemäß, sich einigemale mit den Pferde- und
Ziererei, den natuͤrlichſten Anſtand bezeichnend. Die kleinen Fuͤße ſchienen, in duͤnneren Schuhen als jemals ein Liebenauer Burſche beſeſſen, einherſchrei- tend, ſelbſt zu zweifeln, ob ſie Boden genug faſſen koͤnnten, der ihnen anvertrauten Perſon das rechte Gleichgewicht zu erhalten? Doch ging es herrlich und Anton wandelte auf ihnen muthig einher.
Die Großmutter ſchaute ihm lange nach, dann erlaubte ſie ſich die unbeſcheidene Frage: Du lieber Gott, was wollteſt Du mit dem Jungen neben den Dorfluͤmmeln?
Jm Schloſſe hatten ſie den großen Saal des Erd- geſchoſſes geoͤffnet, geluͤftet, ausgeputzt, fuͤr Tanz und Luſtbarkeit. Das Mittagsmahl war beendet. Theodor, neben Ottilien geſetzt, und an beſſeren Wein im vaͤter- lichen Hauſe gewoͤhnt, hatte des Barons Ermunte- rungen zum Trinken eben ſo unbeachtet gelaſſen, als Ottilie die liebevoll an ſie geſtellten Aufforderungen: zuvorkommend und kokett zu ſein. Sie gaben ein ſtummes Paar ab. Deſto lauter wurden die Anderen. Sie konnten kaum den Beginn des Tanzes mehr erwarten.
Die Pflicht der Schloßfraͤulein, altherkoͤmmlichem Brauche gemaͤß, ſich einigemale mit den Pferde- und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="130"/>
Ziererei, den natuͤrlichſten Anſtand bezeichnend. Die<lb/>
kleinen Fuͤße ſchienen, in duͤnneren Schuhen als<lb/>
jemals ein Liebenauer Burſche beſeſſen, einherſchrei-<lb/>
tend, ſelbſt zu zweifeln, ob ſie Boden genug faſſen<lb/>
koͤnnten, der ihnen anvertrauten Perſon das rechte<lb/>
Gleichgewicht zu erhalten? Doch ging es herrlich und<lb/>
Anton wandelte auf ihnen muthig einher.</p><lb/><p>Die Großmutter ſchaute ihm lange nach, dann<lb/>
erlaubte ſie ſich die unbeſcheidene Frage: Du lieber<lb/>
Gott, was wollteſt Du mit dem Jungen neben den<lb/>
Dorfluͤmmeln?</p><lb/><p>Jm Schloſſe hatten ſie den großen Saal des Erd-<lb/>
geſchoſſes geoͤffnet, geluͤftet, ausgeputzt, fuͤr Tanz und<lb/>
Luſtbarkeit. Das Mittagsmahl war beendet. Theodor,<lb/>
neben Ottilien geſetzt, und an beſſeren Wein im vaͤter-<lb/>
lichen Hauſe gewoͤhnt, hatte des Barons Ermunte-<lb/>
rungen zum Trinken eben ſo unbeachtet gelaſſen, als<lb/>
Ottilie die liebevoll an ſie geſtellten Aufforderungen:<lb/>
zuvorkommend und kokett zu ſein. Sie gaben ein<lb/>ſtummes Paar ab. Deſto lauter wurden die Anderen.<lb/>
Sie konnten kaum den Beginn des Tanzes mehr<lb/>
erwarten.</p><lb/><p>Die Pflicht der Schloßfraͤulein, altherkoͤmmlichem<lb/>
Brauche gemaͤß, ſich einigemale mit den Pferde- und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[130/0146]
Ziererei, den natuͤrlichſten Anſtand bezeichnend. Die
kleinen Fuͤße ſchienen, in duͤnneren Schuhen als
jemals ein Liebenauer Burſche beſeſſen, einherſchrei-
tend, ſelbſt zu zweifeln, ob ſie Boden genug faſſen
koͤnnten, der ihnen anvertrauten Perſon das rechte
Gleichgewicht zu erhalten? Doch ging es herrlich und
Anton wandelte auf ihnen muthig einher.
Die Großmutter ſchaute ihm lange nach, dann
erlaubte ſie ſich die unbeſcheidene Frage: Du lieber
Gott, was wollteſt Du mit dem Jungen neben den
Dorfluͤmmeln?
Jm Schloſſe hatten ſie den großen Saal des Erd-
geſchoſſes geoͤffnet, geluͤftet, ausgeputzt, fuͤr Tanz und
Luſtbarkeit. Das Mittagsmahl war beendet. Theodor,
neben Ottilien geſetzt, und an beſſeren Wein im vaͤter-
lichen Hauſe gewoͤhnt, hatte des Barons Ermunte-
rungen zum Trinken eben ſo unbeachtet gelaſſen, als
Ottilie die liebevoll an ſie geſtellten Aufforderungen:
zuvorkommend und kokett zu ſein. Sie gaben ein
ſtummes Paar ab. Deſto lauter wurden die Anderen.
Sie konnten kaum den Beginn des Tanzes mehr
erwarten.
Die Pflicht der Schloßfraͤulein, altherkoͤmmlichem
Brauche gemaͤß, ſich einigemale mit den Pferde- und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/146>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.