immer zärtlich gegen ihn -- -- dennoch schilt er sie: nennt sie ein leichtsinniges Weibsstück? Wenn er weiß, daß sie das ist, warum ist er dann ihr Liebster? Kann man schlechte Weiber auch lieb haben?? Ach, ich weiß ja vom lieben, langen Tage nichts; ich bin doch ein erbärmlich dummer Dorfteufel. -- Jetzt, denk' ich, wär' es an der Zeit, heimzuschleichen. Die Groß- mutter ängstiget sich, daß ich zu Schaden gekommen? -- Wenn sie nur schon schliefe! Denn säße sie etwa noch beim Lämpchen an der Arbeit und sähe mir in's Angesicht, -- ich verginge vor Scham und Schande. Nein, ich will mich gleich in's Bette vergraben und Alles verschlafen, wie einen verrückten Traum!"
Mit diesem redlichen Entschlusse trat unser Freund den Rückzug an. Kaum hundert Schritt im Finstern weiter gedrungen, vernahm er Tritte, Flüstern, unter- drücktes Lachen hinter sich her. Wie von banger Ahnung gewarnt, schlüpft' er hinter einen dicken Wei- denstamm, der ihn schützend barg, als dicht bei ihm vier glühende Augen vorüberleuchteten. Von den Gestalten der beiden Personen, denen diese Augen zugehörten, konnte er kaum einen Umriß ausnehmen; doch hörte er, was sie sprachen und verstand deutlich die Worte: "Kirchhof, -- der alte Baron, -- Pflaster!"
Die Vagabunden. I. 8
immer zaͤrtlich gegen ihn — — dennoch ſchilt er ſie: nennt ſie ein leichtſinniges Weibsſtuͤck? Wenn er weiß, daß ſie das iſt, warum iſt er dann ihr Liebſter? Kann man ſchlechte Weiber auch lieb haben?? Ach, ich weiß ja vom lieben, langen Tage nichts; ich bin doch ein erbaͤrmlich dummer Dorfteufel. — Jetzt, denk’ ich, waͤr’ es an der Zeit, heimzuſchleichen. Die Groß- mutter aͤngſtiget ſich, daß ich zu Schaden gekommen? — Wenn ſie nur ſchon ſchliefe! Denn ſaͤße ſie etwa noch beim Laͤmpchen an der Arbeit und ſaͤhe mir in’s Angeſicht, — ich verginge vor Scham und Schande. Nein, ich will mich gleich in’s Bette vergraben und Alles verſchlafen, wie einen verruͤckten Traum!“
Mit dieſem redlichen Entſchluſſe trat unſer Freund den Ruͤckzug an. Kaum hundert Schritt im Finſtern weiter gedrungen, vernahm er Tritte, Fluͤſtern, unter- druͤcktes Lachen hinter ſich her. Wie von banger Ahnung gewarnt, ſchluͤpft’ er hinter einen dicken Wei- denſtamm, der ihn ſchuͤtzend barg, als dicht bei ihm vier gluͤhende Augen voruͤberleuchteten. Von den Geſtalten der beiden Perſonen, denen dieſe Augen zugehoͤrten, konnte er kaum einen Umriß ausnehmen; doch hoͤrte er, was ſie ſprachen und verſtand deutlich die Worte: „Kirchhof, — der alte Baron, — Pflaſter!“
Die Vagabunden. I. 8
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immer zaͤrtlich gegen ihn — — dennoch ſchilt er ſie:
nennt ſie ein leichtſinniges Weibsſtuͤck? Wenn er weiß,
daß ſie das iſt, warum iſt er dann ihr Liebſter? Kann
man ſchlechte Weiber auch lieb haben?? Ach, ich weiß
ja vom lieben, langen Tage nichts; ich bin doch ein
erbaͤrmlich dummer Dorfteufel. — Jetzt, denk’ ich,
waͤr’ es an der Zeit, heimzuſchleichen. Die Groß-
mutter aͤngſtiget ſich, daß ich zu Schaden gekommen?
— Wenn ſie nur ſchon ſchliefe! Denn ſaͤße ſie etwa
noch beim Laͤmpchen an der Arbeit und ſaͤhe mir in’s
Angeſicht, — ich verginge vor Scham und Schande.
Nein, ich will mich gleich in’s Bette vergraben und
Alles verſchlafen, wie einen verruͤckten Traum!“
Mit dieſem redlichen Entſchluſſe trat unſer Freund
den Ruͤckzug an. Kaum hundert Schritt im Finſtern
weiter gedrungen, vernahm er Tritte, Fluͤſtern, unter-
druͤcktes Lachen hinter ſich her. Wie von banger
Ahnung gewarnt, ſchluͤpft’ er hinter einen dicken Wei-
denſtamm, der ihn ſchuͤtzend barg, als dicht bei ihm
vier gluͤhende Augen voruͤberleuchteten. Von den
Geſtalten der beiden Perſonen, denen dieſe Augen
zugehoͤrten, konnte er kaum einen Umriß ausnehmen;
doch hoͤrte er, was ſie ſprachen und verſtand deutlich
die Worte: „Kirchhof, — der alte Baron, — Pflaſter!“
Die Vagabunden. I. 8
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/129>, abgerufen am 23.11.2024.
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