Theaterspiel. Wie Anton zum Erstenmal ein Drama sieht. Ein Bekannter tritt auf. Onkel Nasus wird von seiner Leidenschaft für Bärbel geheilt, aber nicht von seiner kupferigen Nase.
Anton war eben wieder zu seiner Arbeit gegangen: einige Bündel frisch eingeweichter Weidenruthen lagen vor ihm und er flocht rüstig, als er scharfe Trommelwirbel die Dorfgasse herab vernahm.
Was ist das, Alte? fragt' er, ohne aufzustehen; fängt etwa der siebenjährige Krieg wieder an?
"Was wird es sein," sagte Mutter Goksch, "Dorfkomödianten sind es, die ihre Thorheiten aus- schreien!"
Dorfkomödianten!? So lange Anton denken konnte, hatten dergleichen sich nach Liebenau niemals verirrt. Er erhob sich vom Arbeits-Schemel, als wollt' er zum kleinen Fenster treten, -- ließ sich aber sogleich wieder zum sitzen nieder. Was geht's mich an? sprach er leise; ich mag sie doch nicht sehen. Das ist nur für lustige Leute, und mir ist nicht lustig zu Sinne.
Jetzt verhallte die Trommel; eine helle Stimme wurde hörbar:
Achtes Kapitel.
Theaterſpiel. Wie Anton zum Erſtenmal ein Drama ſieht. Ein Bekannter tritt auf. Onkel Naſus wird von ſeiner Leidenſchaft für Bärbel geheilt, aber nicht von ſeiner kupferigen Naſe.
Anton war eben wieder zu ſeiner Arbeit gegangen: einige Buͤndel friſch eingeweichter Weidenruthen lagen vor ihm und er flocht ruͤſtig, als er ſcharfe Trommelwirbel die Dorfgaſſe herab vernahm.
Was iſt das, Alte? fragt’ er, ohne aufzuſtehen; faͤngt etwa der ſiebenjaͤhrige Krieg wieder an?
„Was wird es ſein,“ ſagte Mutter Gokſch, „Dorfkomoͤdianten ſind es, die ihre Thorheiten aus- ſchreien!“
Dorfkomoͤdianten!? So lange Anton denken konnte, hatten dergleichen ſich nach Liebenau niemals verirrt. Er erhob ſich vom Arbeits-Schemel, als wollt’ er zum kleinen Fenſter treten, — ließ ſich aber ſogleich wieder zum ſitzen nieder. Was geht’s mich an? ſprach er leiſe; ich mag ſie doch nicht ſehen. Das iſt nur fuͤr luſtige Leute, und mir iſt nicht luſtig zu Sinne.
Jetzt verhallte die Trommel; eine helle Stimme wurde hoͤrbar:
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Achtes Kapitel.
Theaterſpiel. Wie Anton zum Erſtenmal ein Drama ſieht. Ein Bekannter
tritt auf. Onkel Naſus wird von ſeiner Leidenſchaft für Bärbel geheilt,
aber nicht von ſeiner kupferigen Naſe.
Anton war eben wieder zu ſeiner Arbeit gegangen:
einige Buͤndel friſch eingeweichter Weidenruthen
lagen vor ihm und er flocht ruͤſtig, als er ſcharfe
Trommelwirbel die Dorfgaſſe herab vernahm.
Was iſt das, Alte? fragt’ er, ohne aufzuſtehen;
faͤngt etwa der ſiebenjaͤhrige Krieg wieder an?
„Was wird es ſein,“ ſagte Mutter Gokſch,
„Dorfkomoͤdianten ſind es, die ihre Thorheiten aus-
ſchreien!“
Dorfkomoͤdianten!? So lange Anton denken
konnte, hatten dergleichen ſich nach Liebenau niemals
verirrt. Er erhob ſich vom Arbeits-Schemel, als
wollt’ er zum kleinen Fenſter treten, — ließ ſich aber
ſogleich wieder zum ſitzen nieder. Was geht’s mich
an? ſprach er leiſe; ich mag ſie doch nicht ſehen. Das
iſt nur fuͤr luſtige Leute, und mir iſt nicht luſtig zu
Sinne.
Jetzt verhallte die Trommel; eine helle Stimme
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/116>, abgerufen am 16.02.2025.
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