Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.meine Wawerle Nichts! Den Steinigen hinterließ sie ihres Vermögens Reste, mir aber was mehr war, was mich durch eine stürmische Jugend schützend geführt, was mir als Segen zur Seite ging neben dem Unsegen elterlicher Heimath: mir hinterließ sie ein Andenken voll Dank und Liebe. Und ihr Muhme-Lieutnant-Saloppel, lachte Babet. Ein wunderliches, kurzes Mäntelchen von schlechtem Stoffe. Und wie es aussieht! Alle Verehrung, Vater, für deine Verehrung und Anhänglichkeit gegen die Selige, -- aber ich an deiner Stelle ließe das Ding nicht im Kleiderschränke hängen, wie du thust. Es verbreitet einen eigenthümlichen Geruch, der mich schon manchmal an Leichenduft erinnerte. Mir kommt es unter bebten Kleidungsstücken vor wie ein Gespenst unter lebendigen Menschen. Das sind kindische Einbildungen, sagte der Professor. Laß es nur hängen, es thut dir Nichts zu Leide und meinen Röcken auch nicht. Es geht auch nicht um, wie Gespenster, liegt ruhig und hängt bescheiden, wo man es aufbewahrt. Ich kann mich nicht davon trennen. Hab' es nun länger als ein Vierteljahrhundert mit mir herumgeführt. Mir ist, als müßt' es uns Heil bringen. Hat es in seinen mürben, vernähten Fäden diese Kraft, sagte die Mutter, so mag es sie baldigst entfalten, ehe Heil und Segen für mich zu spät kommen. meine Wawerle Nichts! Den Steinigen hinterließ sie ihres Vermögens Reste, mir aber was mehr war, was mich durch eine stürmische Jugend schützend geführt, was mir als Segen zur Seite ging neben dem Unsegen elterlicher Heimath: mir hinterließ sie ein Andenken voll Dank und Liebe. Und ihr Muhme-Lieutnant-Saloppel, lachte Babet. Ein wunderliches, kurzes Mäntelchen von schlechtem Stoffe. Und wie es aussieht! Alle Verehrung, Vater, für deine Verehrung und Anhänglichkeit gegen die Selige, — aber ich an deiner Stelle ließe das Ding nicht im Kleiderschränke hängen, wie du thust. Es verbreitet einen eigenthümlichen Geruch, der mich schon manchmal an Leichenduft erinnerte. Mir kommt es unter bebten Kleidungsstücken vor wie ein Gespenst unter lebendigen Menschen. Das sind kindische Einbildungen, sagte der Professor. Laß es nur hängen, es thut dir Nichts zu Leide und meinen Röcken auch nicht. Es geht auch nicht um, wie Gespenster, liegt ruhig und hängt bescheiden, wo man es aufbewahrt. Ich kann mich nicht davon trennen. Hab' es nun länger als ein Vierteljahrhundert mit mir herumgeführt. Mir ist, als müßt' es uns Heil bringen. Hat es in seinen mürben, vernähten Fäden diese Kraft, sagte die Mutter, so mag es sie baldigst entfalten, ehe Heil und Segen für mich zu spät kommen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0037"/> meine Wawerle Nichts! Den Steinigen hinterließ sie ihres Vermögens Reste, mir aber was mehr war, was mich durch eine stürmische Jugend schützend geführt, was mir als Segen zur Seite ging neben dem Unsegen elterlicher Heimath: mir hinterließ sie ein Andenken voll Dank und Liebe.</p><lb/> <p>Und ihr Muhme-Lieutnant-Saloppel, lachte Babet. Ein wunderliches, kurzes Mäntelchen von schlechtem Stoffe. Und wie es aussieht! Alle Verehrung, Vater, für deine Verehrung und Anhänglichkeit gegen die Selige, — aber ich an deiner Stelle ließe das Ding nicht im Kleiderschränke hängen, wie du thust. Es verbreitet einen eigenthümlichen Geruch, der mich schon manchmal an Leichenduft erinnerte. Mir kommt es unter bebten Kleidungsstücken vor wie ein Gespenst unter lebendigen Menschen.</p><lb/> <p>Das sind kindische Einbildungen, sagte der Professor. Laß es nur hängen, es thut dir Nichts zu Leide und meinen Röcken auch nicht. Es geht auch nicht um, wie Gespenster, liegt ruhig und hängt bescheiden, wo man es aufbewahrt. Ich kann mich nicht davon trennen. Hab' es nun länger als ein Vierteljahrhundert mit mir herumgeführt. Mir ist, als müßt' es uns Heil bringen.</p><lb/> <p>Hat es in seinen mürben, vernähten Fäden diese Kraft, sagte die Mutter, so mag es sie baldigst entfalten, ehe Heil und Segen für mich zu spät kommen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
meine Wawerle Nichts! Den Steinigen hinterließ sie ihres Vermögens Reste, mir aber was mehr war, was mich durch eine stürmische Jugend schützend geführt, was mir als Segen zur Seite ging neben dem Unsegen elterlicher Heimath: mir hinterließ sie ein Andenken voll Dank und Liebe.
Und ihr Muhme-Lieutnant-Saloppel, lachte Babet. Ein wunderliches, kurzes Mäntelchen von schlechtem Stoffe. Und wie es aussieht! Alle Verehrung, Vater, für deine Verehrung und Anhänglichkeit gegen die Selige, — aber ich an deiner Stelle ließe das Ding nicht im Kleiderschränke hängen, wie du thust. Es verbreitet einen eigenthümlichen Geruch, der mich schon manchmal an Leichenduft erinnerte. Mir kommt es unter bebten Kleidungsstücken vor wie ein Gespenst unter lebendigen Menschen.
Das sind kindische Einbildungen, sagte der Professor. Laß es nur hängen, es thut dir Nichts zu Leide und meinen Röcken auch nicht. Es geht auch nicht um, wie Gespenster, liegt ruhig und hängt bescheiden, wo man es aufbewahrt. Ich kann mich nicht davon trennen. Hab' es nun länger als ein Vierteljahrhundert mit mir herumgeführt. Mir ist, als müßt' es uns Heil bringen.
Hat es in seinen mürben, vernähten Fäden diese Kraft, sagte die Mutter, so mag es sie baldigst entfalten, ehe Heil und Segen für mich zu spät kommen.
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/37>, abgerufen am 05.07.2024. |