Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Dich, Muhme Lieutnanten, rief er, möcht' ich spazieren fahren, wenn dir nicht zu kalt wäre; 's ist hübsch, so zu gleiten. Warst du schon einmal auf der Bahn? Im Leben nicht, Gustel. Dachte auch nicht auf meine alten Tage dergleichen zu thun. Wenn's dir aber Vergnügen macht, in des Herrn Namen! Verfrieren werd' ich nicht; hab' ich doch mein Saloppel. Gustel nahm's aus dem Schranke: Ein bissel kurz ist's freilich, gar dick auch nicht, besonders hinten 'rum wie mit Weinessig gefüttert. Mag's doch; 's ist und bleibt schon mein liebes Muhme-Lieutnant-Saloppel. Weißt du noch, Wawerle, wie du zu uns kamst ins Langeholzgässel, und wie ich ihm zuerst den Beinamen zulegte? Das vergess' ich gewiß nicht, sagte sie. Und ich erst gar nicht, sagte er, so wenig, wie ich dich vergessen will, wenn ich auf Universitäten reise. Denn in Breslau, setzte er kleinlaut hinzu, kann ich nicht studiren; ich müßte mich als Bursche alle Wochen dreimal pauken wegen meinen Schwestern ... Hier brach er ab und senkte den Kopf. Wawerle verstand ihn wohl und drückte ihm die Hand. Dann fing er wieder scherzhaft an: Was hast du denn für Papierwerk in der großen Tasche, Wawerle 's wiegt schwer. Unnützes Zeug, Gustel. War einmal sechstausend Thaler werth; jetzt nicht einen Sechser. Dich, Muhme Lieutnanten, rief er, möcht' ich spazieren fahren, wenn dir nicht zu kalt wäre; 's ist hübsch, so zu gleiten. Warst du schon einmal auf der Bahn? Im Leben nicht, Gustel. Dachte auch nicht auf meine alten Tage dergleichen zu thun. Wenn's dir aber Vergnügen macht, in des Herrn Namen! Verfrieren werd' ich nicht; hab' ich doch mein Saloppel. Gustel nahm's aus dem Schranke: Ein bissel kurz ist's freilich, gar dick auch nicht, besonders hinten 'rum wie mit Weinessig gefüttert. Mag's doch; 's ist und bleibt schon mein liebes Muhme-Lieutnant-Saloppel. Weißt du noch, Wawerle, wie du zu uns kamst ins Langeholzgässel, und wie ich ihm zuerst den Beinamen zulegte? Das vergess' ich gewiß nicht, sagte sie. Und ich erst gar nicht, sagte er, so wenig, wie ich dich vergessen will, wenn ich auf Universitäten reise. Denn in Breslau, setzte er kleinlaut hinzu, kann ich nicht studiren; ich müßte mich als Bursche alle Wochen dreimal pauken wegen meinen Schwestern ... Hier brach er ab und senkte den Kopf. Wawerle verstand ihn wohl und drückte ihm die Hand. Dann fing er wieder scherzhaft an: Was hast du denn für Papierwerk in der großen Tasche, Wawerle 's wiegt schwer. Unnützes Zeug, Gustel. War einmal sechstausend Thaler werth; jetzt nicht einen Sechser. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0029"/> <p>Dich, Muhme Lieutnanten, rief er, möcht' ich spazieren fahren, wenn dir nicht zu kalt wäre; 's ist hübsch, so zu gleiten. Warst du schon einmal auf der Bahn?</p><lb/> <p>Im Leben nicht, Gustel. Dachte auch nicht auf meine alten Tage dergleichen zu thun. Wenn's dir aber Vergnügen macht, in des Herrn Namen! Verfrieren werd' ich nicht; hab' ich doch mein Saloppel.</p><lb/> <p>Gustel nahm's aus dem Schranke: Ein bissel kurz ist's freilich, gar dick auch nicht, besonders hinten 'rum wie mit Weinessig gefüttert. Mag's doch; 's ist und bleibt schon mein liebes Muhme-Lieutnant-Saloppel. Weißt du noch, Wawerle, wie du zu uns kamst ins Langeholzgässel, und wie ich ihm zuerst den Beinamen zulegte?</p><lb/> <p>Das vergess' ich gewiß nicht, sagte sie.</p><lb/> <p>Und ich erst gar nicht, sagte er, so wenig, wie ich dich vergessen will, wenn ich auf Universitäten reise. Denn in Breslau, setzte er kleinlaut hinzu, kann ich nicht studiren; ich müßte mich als Bursche alle Wochen dreimal pauken wegen meinen Schwestern ... Hier brach er ab und senkte den Kopf. Wawerle verstand ihn wohl und drückte ihm die Hand.</p><lb/> <p>Dann fing er wieder scherzhaft an: Was hast du denn für Papierwerk in der großen Tasche, Wawerle 's wiegt schwer.</p><lb/> <p>Unnützes Zeug, Gustel. War einmal sechstausend Thaler werth; jetzt nicht einen Sechser.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Dich, Muhme Lieutnanten, rief er, möcht' ich spazieren fahren, wenn dir nicht zu kalt wäre; 's ist hübsch, so zu gleiten. Warst du schon einmal auf der Bahn?
Im Leben nicht, Gustel. Dachte auch nicht auf meine alten Tage dergleichen zu thun. Wenn's dir aber Vergnügen macht, in des Herrn Namen! Verfrieren werd' ich nicht; hab' ich doch mein Saloppel.
Gustel nahm's aus dem Schranke: Ein bissel kurz ist's freilich, gar dick auch nicht, besonders hinten 'rum wie mit Weinessig gefüttert. Mag's doch; 's ist und bleibt schon mein liebes Muhme-Lieutnant-Saloppel. Weißt du noch, Wawerle, wie du zu uns kamst ins Langeholzgässel, und wie ich ihm zuerst den Beinamen zulegte?
Das vergess' ich gewiß nicht, sagte sie.
Und ich erst gar nicht, sagte er, so wenig, wie ich dich vergessen will, wenn ich auf Universitäten reise. Denn in Breslau, setzte er kleinlaut hinzu, kann ich nicht studiren; ich müßte mich als Bursche alle Wochen dreimal pauken wegen meinen Schwestern ... Hier brach er ab und senkte den Kopf. Wawerle verstand ihn wohl und drückte ihm die Hand.
Dann fing er wieder scherzhaft an: Was hast du denn für Papierwerk in der großen Tasche, Wawerle 's wiegt schwer.
Unnützes Zeug, Gustel. War einmal sechstausend Thaler werth; jetzt nicht einen Sechser.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/29 |
Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/29>, abgerufen am 05.07.2024. |