Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gustel sprach gar nicht darüber, nannte zu Hause ihren Namen nicht, benützte aber jeden Augenblick, den er seinen Schularbeiten nur abzugewinnen vermochte, zu nichts Anderem, als zum fortdauernden Umgänge mit ihr. Wer sie an seinem Arme nach wie vor zur Feierabendstunde über den Wall trippeln sah, konnte unmöglich ahnen, daß Tiesels und die Muhme-Lieutenanten nicht mehr gute Leute mitsammen waren. Sie hegte keinen Groll wider Vater Tiesel. Der arme Vetter, sagte sie zu Gustel, ist nun einmal so. Was mein Hanepich, Gott hab' ihn selig, zu forsch war, das ist dein Vater zu tuse. Mein Testamentel hab' ich einmal deponirt, umstürzen thu' ich's nicht; er bleibt mein Erbe. Ach Gott, sie werden die Paar Gröschel zeitig genug brauchen! Aber so mir der Himmel das bissel Leben noch ein Weilchen lassen will, Gustel, für dich leg' ich zurück, was ich mir jetzt abspare. Daß du auch einen Nothpfennig hast aus Universchtäten. Davon mochte Gustel immer Nichts hören. Sobald sie vom Sterben zu reden anfing, hatte er Thränen im Auge und hielt ihr den Mund zu. Auch daß sie seinetwegen fortfahren wolle, zu sparen, tadelte er heftig. Sie aber ließ sich nicht abbringen und that, wozu ihr Gefühl sie trieb. Bei ihr lebte Gustav, den die Verirrungen seiner Schwestern tief bekümmerten und oft alles Jugendfrohsinnes beraubten, jedesmal Gustel sprach gar nicht darüber, nannte zu Hause ihren Namen nicht, benützte aber jeden Augenblick, den er seinen Schularbeiten nur abzugewinnen vermochte, zu nichts Anderem, als zum fortdauernden Umgänge mit ihr. Wer sie an seinem Arme nach wie vor zur Feierabendstunde über den Wall trippeln sah, konnte unmöglich ahnen, daß Tiesels und die Muhme-Lieutenanten nicht mehr gute Leute mitsammen waren. Sie hegte keinen Groll wider Vater Tiesel. Der arme Vetter, sagte sie zu Gustel, ist nun einmal so. Was mein Hanepich, Gott hab' ihn selig, zu forsch war, das ist dein Vater zu tuse. Mein Testamentel hab' ich einmal deponirt, umstürzen thu' ich's nicht; er bleibt mein Erbe. Ach Gott, sie werden die Paar Gröschel zeitig genug brauchen! Aber so mir der Himmel das bissel Leben noch ein Weilchen lassen will, Gustel, für dich leg' ich zurück, was ich mir jetzt abspare. Daß du auch einen Nothpfennig hast aus Universchtäten. Davon mochte Gustel immer Nichts hören. Sobald sie vom Sterben zu reden anfing, hatte er Thränen im Auge und hielt ihr den Mund zu. Auch daß sie seinetwegen fortfahren wolle, zu sparen, tadelte er heftig. Sie aber ließ sich nicht abbringen und that, wozu ihr Gefühl sie trieb. Bei ihr lebte Gustav, den die Verirrungen seiner Schwestern tief bekümmerten und oft alles Jugendfrohsinnes beraubten, jedesmal <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0027"/> <p>Gustel sprach gar nicht darüber, nannte zu Hause ihren Namen nicht, benützte aber jeden Augenblick, den er seinen Schularbeiten nur abzugewinnen vermochte, zu nichts Anderem, als zum fortdauernden Umgänge mit ihr. Wer sie an seinem Arme nach wie vor zur Feierabendstunde über den Wall trippeln sah, konnte unmöglich ahnen, daß Tiesels und die Muhme-Lieutenanten nicht mehr gute Leute mitsammen waren.</p><lb/> <p>Sie hegte keinen Groll wider Vater Tiesel. Der arme Vetter, sagte sie zu Gustel, ist nun einmal so. Was mein Hanepich, Gott hab' ihn selig, zu forsch war, das ist dein Vater zu tuse. Mein Testamentel hab' ich einmal deponirt, umstürzen thu' ich's nicht; er bleibt mein Erbe. Ach Gott, sie werden die Paar Gröschel zeitig genug brauchen! Aber so mir der Himmel das bissel Leben noch ein Weilchen lassen will, Gustel, für dich leg' ich zurück, was ich mir jetzt abspare. Daß du auch einen Nothpfennig hast aus Universchtäten.</p><lb/> <p>Davon mochte Gustel immer Nichts hören. Sobald sie vom Sterben zu reden anfing, hatte er Thränen im Auge und hielt ihr den Mund zu. Auch daß sie seinetwegen fortfahren wolle, zu sparen, tadelte er heftig.</p><lb/> <p>Sie aber ließ sich nicht abbringen und that, wozu ihr Gefühl sie trieb. Bei ihr lebte Gustav, den die Verirrungen seiner Schwestern tief bekümmerten und oft alles Jugendfrohsinnes beraubten, jedesmal<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
Gustel sprach gar nicht darüber, nannte zu Hause ihren Namen nicht, benützte aber jeden Augenblick, den er seinen Schularbeiten nur abzugewinnen vermochte, zu nichts Anderem, als zum fortdauernden Umgänge mit ihr. Wer sie an seinem Arme nach wie vor zur Feierabendstunde über den Wall trippeln sah, konnte unmöglich ahnen, daß Tiesels und die Muhme-Lieutenanten nicht mehr gute Leute mitsammen waren.
Sie hegte keinen Groll wider Vater Tiesel. Der arme Vetter, sagte sie zu Gustel, ist nun einmal so. Was mein Hanepich, Gott hab' ihn selig, zu forsch war, das ist dein Vater zu tuse. Mein Testamentel hab' ich einmal deponirt, umstürzen thu' ich's nicht; er bleibt mein Erbe. Ach Gott, sie werden die Paar Gröschel zeitig genug brauchen! Aber so mir der Himmel das bissel Leben noch ein Weilchen lassen will, Gustel, für dich leg' ich zurück, was ich mir jetzt abspare. Daß du auch einen Nothpfennig hast aus Universchtäten.
Davon mochte Gustel immer Nichts hören. Sobald sie vom Sterben zu reden anfing, hatte er Thränen im Auge und hielt ihr den Mund zu. Auch daß sie seinetwegen fortfahren wolle, zu sparen, tadelte er heftig.
Sie aber ließ sich nicht abbringen und that, wozu ihr Gefühl sie trieb. Bei ihr lebte Gustav, den die Verirrungen seiner Schwestern tief bekümmerten und oft alles Jugendfrohsinnes beraubten, jedesmal
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