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Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Entschlusse ab, sich ins Gebirge zu flüchten, wofür sie einige Neigung zeigte.

Für Vater Tiesel wurde das Kometenjahr ein Glücksjahr, denn es beförderte ihn. Seine bescheidene Rechtlichkeit hatte ihm das Vertrauen einiger Vorgesetzten erworben, und man ernannte ihn zum Verwalter einer kleinen Depositalkasse, wodurch seine Einnahme sich vermehrte. Das galt ihm und den seinigen, wie gesagt, für ein Glück. Es sollte sein Unglück werden; denn seine Töchter hielten sich dadurch für berechtiget, ihren Aufwand zu steigern, und weder die kränkelnde Mutter noch der allzu nachgiebige Vater verstanden dem unsinnigen Treiben ernstlich Einhalt zu thun. Wawerle that es. Sie trat gewissermaßen aus ihrer Natur heraus; zum ersten Male, seitdem sie lebte, sagte sie: entweder oder. Das heißt: entweder haltet die Mädel kürzer, untersagt ihnen den Verkehr mit zweideutigen Frauenzimmern und jungen müßigen Herumtreibern, weiset sie zur Arbeit, zur häuslichen Beschränkung und Ersparung an; -- oder "wir trennen sich"!

Es blieb beim Alten, -- und nach etlichen Wochen hatte die Muhme-Lieutnanten eine andere Wohnung bezogen, ward auch bei Tiesel's nie mehr gesehen. Der Vater seufzte, die Mutter weinte im Stillen, Lene und Fritzel lachten laut dazu: desto besser, daß wir sie und ihr Saloppe! los sind! Brauchen wir sie doch nicht mehr, der Vater ist ja Kassierer.

Entschlusse ab, sich ins Gebirge zu flüchten, wofür sie einige Neigung zeigte.

Für Vater Tiesel wurde das Kometenjahr ein Glücksjahr, denn es beförderte ihn. Seine bescheidene Rechtlichkeit hatte ihm das Vertrauen einiger Vorgesetzten erworben, und man ernannte ihn zum Verwalter einer kleinen Depositalkasse, wodurch seine Einnahme sich vermehrte. Das galt ihm und den seinigen, wie gesagt, für ein Glück. Es sollte sein Unglück werden; denn seine Töchter hielten sich dadurch für berechtiget, ihren Aufwand zu steigern, und weder die kränkelnde Mutter noch der allzu nachgiebige Vater verstanden dem unsinnigen Treiben ernstlich Einhalt zu thun. Wawerle that es. Sie trat gewissermaßen aus ihrer Natur heraus; zum ersten Male, seitdem sie lebte, sagte sie: entweder oder. Das heißt: entweder haltet die Mädel kürzer, untersagt ihnen den Verkehr mit zweideutigen Frauenzimmern und jungen müßigen Herumtreibern, weiset sie zur Arbeit, zur häuslichen Beschränkung und Ersparung an; — oder „wir trennen sich“!

Es blieb beim Alten, — und nach etlichen Wochen hatte die Muhme-Lieutnanten eine andere Wohnung bezogen, ward auch bei Tiesel's nie mehr gesehen. Der Vater seufzte, die Mutter weinte im Stillen, Lene und Fritzel lachten laut dazu: desto besser, daß wir sie und ihr Saloppe! los sind! Brauchen wir sie doch nicht mehr, der Vater ist ja Kassierer.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/26>, abgerufen am 27.11.2024.