Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.genug unter dickwattirten Seidenmänteln einherrauschen konnten. Und wie wenig Dank erntete sie von diesen herzlosen, eitlen Geschöpfen! Wie schnöde wurden ihre gutgemeinten Warnungen und Ermahnungen zurückgewiesen! Doch darnach fragte sie nicht. Gustav's Fleiß, Anhänglichkeit und Liebe entschädigten sie ja in vollem Maße. Er wurde schon ein starker, munterer Bursche, der seinen vierzehn Jahren alle Ehre machte, sich sauber hielt, nur mit einigen wohlerzogenen Knaben umging, nie zu Klagen Veranlassung gab, an kindlich-aufrichtiger Dankbarkeit für die Muhme-Lieutnanten Nichts verlor und nicht aufhörte, ihr Führer und Begleiter zu sein. Der große Komet von Anno Elf stand am Himmel -- was eigentlich ein dummer Ausdruck ist, weil ein solcher Komet nichts weniger thut, als stille stehen, wie ich mir sagen ließ -- und gab auch den Breslauischen Gevatterinnen viel zu denken, noch mehr zu schwatzen vom Weltuntergänge und herannahenden jüngsten Tage, eine Furcht, deren auch Wawerle kaum Herrin zu werden vermochte, bis es ihrem jungen Freunde gelang, sie durch astronomische Auseinandersetzungen zu beruhigen, die er dem Unterrichte seines würdigen Lehrers Reiche verdankte. Er versicherte sie mit mathematischer Gewißheit, daß die alte Erde fortfahre, ihren gewöhnlichen Marsch zu thun und da? Sie dieses Mal noch nicht aus dem Geleise gestoßen werde. Dadurch brachte er die Wawerle von dem genug unter dickwattirten Seidenmänteln einherrauschen konnten. Und wie wenig Dank erntete sie von diesen herzlosen, eitlen Geschöpfen! Wie schnöde wurden ihre gutgemeinten Warnungen und Ermahnungen zurückgewiesen! Doch darnach fragte sie nicht. Gustav's Fleiß, Anhänglichkeit und Liebe entschädigten sie ja in vollem Maße. Er wurde schon ein starker, munterer Bursche, der seinen vierzehn Jahren alle Ehre machte, sich sauber hielt, nur mit einigen wohlerzogenen Knaben umging, nie zu Klagen Veranlassung gab, an kindlich-aufrichtiger Dankbarkeit für die Muhme-Lieutnanten Nichts verlor und nicht aufhörte, ihr Führer und Begleiter zu sein. Der große Komet von Anno Elf stand am Himmel — was eigentlich ein dummer Ausdruck ist, weil ein solcher Komet nichts weniger thut, als stille stehen, wie ich mir sagen ließ — und gab auch den Breslauischen Gevatterinnen viel zu denken, noch mehr zu schwatzen vom Weltuntergänge und herannahenden jüngsten Tage, eine Furcht, deren auch Wawerle kaum Herrin zu werden vermochte, bis es ihrem jungen Freunde gelang, sie durch astronomische Auseinandersetzungen zu beruhigen, die er dem Unterrichte seines würdigen Lehrers Reiche verdankte. Er versicherte sie mit mathematischer Gewißheit, daß die alte Erde fortfahre, ihren gewöhnlichen Marsch zu thun und da? Sie dieses Mal noch nicht aus dem Geleise gestoßen werde. Dadurch brachte er die Wawerle von dem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0025"/> genug unter dickwattirten Seidenmänteln einherrauschen konnten. Und wie wenig Dank erntete sie von diesen herzlosen, eitlen Geschöpfen! Wie schnöde wurden ihre gutgemeinten Warnungen und Ermahnungen zurückgewiesen! Doch darnach fragte sie nicht. Gustav's Fleiß, Anhänglichkeit und Liebe entschädigten sie ja in vollem Maße.</p><lb/> <p>Er wurde schon ein starker, munterer Bursche, der seinen vierzehn Jahren alle Ehre machte, sich sauber hielt, nur mit einigen wohlerzogenen Knaben umging, nie zu Klagen Veranlassung gab, an kindlich-aufrichtiger Dankbarkeit für die Muhme-Lieutnanten Nichts verlor und nicht aufhörte, ihr Führer und Begleiter zu sein.</p><lb/> <p>Der große Komet von Anno Elf stand am Himmel — was eigentlich ein dummer Ausdruck ist, weil ein solcher Komet nichts weniger thut, als stille stehen, wie ich mir sagen ließ — und gab auch den Breslauischen Gevatterinnen viel zu denken, noch mehr zu schwatzen vom Weltuntergänge und herannahenden jüngsten Tage, eine Furcht, deren auch Wawerle kaum Herrin zu werden vermochte, bis es ihrem jungen Freunde gelang, sie durch astronomische Auseinandersetzungen zu beruhigen, die er dem Unterrichte seines würdigen Lehrers Reiche verdankte. Er versicherte sie mit mathematischer Gewißheit, daß die alte Erde fortfahre, ihren gewöhnlichen Marsch zu thun und da? Sie dieses Mal noch nicht aus dem Geleise gestoßen werde. Dadurch brachte er die Wawerle von dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
genug unter dickwattirten Seidenmänteln einherrauschen konnten. Und wie wenig Dank erntete sie von diesen herzlosen, eitlen Geschöpfen! Wie schnöde wurden ihre gutgemeinten Warnungen und Ermahnungen zurückgewiesen! Doch darnach fragte sie nicht. Gustav's Fleiß, Anhänglichkeit und Liebe entschädigten sie ja in vollem Maße.
Er wurde schon ein starker, munterer Bursche, der seinen vierzehn Jahren alle Ehre machte, sich sauber hielt, nur mit einigen wohlerzogenen Knaben umging, nie zu Klagen Veranlassung gab, an kindlich-aufrichtiger Dankbarkeit für die Muhme-Lieutnanten Nichts verlor und nicht aufhörte, ihr Führer und Begleiter zu sein.
Der große Komet von Anno Elf stand am Himmel — was eigentlich ein dummer Ausdruck ist, weil ein solcher Komet nichts weniger thut, als stille stehen, wie ich mir sagen ließ — und gab auch den Breslauischen Gevatterinnen viel zu denken, noch mehr zu schwatzen vom Weltuntergänge und herannahenden jüngsten Tage, eine Furcht, deren auch Wawerle kaum Herrin zu werden vermochte, bis es ihrem jungen Freunde gelang, sie durch astronomische Auseinandersetzungen zu beruhigen, die er dem Unterrichte seines würdigen Lehrers Reiche verdankte. Er versicherte sie mit mathematischer Gewißheit, daß die alte Erde fortfahre, ihren gewöhnlichen Marsch zu thun und da? Sie dieses Mal noch nicht aus dem Geleise gestoßen werde. Dadurch brachte er die Wawerle von dem
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/25>, abgerufen am 26.07.2024. |