Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zweimal im Jahre überschwemmt wurde; in guten Jahren nur einmal Beide Capitälchen trugen fünf Procent, was denn der Wawerle die mäßige Jahresrente von zweihundert fünfundfünfzig Thalern abwarf. Wie sie eigentlich zu diesem und jenem anderen (in Rauch aufgegangenen) Vermögen gekommen sei, darüber lag ein Schleier, welchen zu lüften auch den Bemühungen ihrer einstigen Jugendfreundinnen wie Neiderinnen niemals hatte recht gelingen wollen. Vetter Tiesel meinte: das hätte so ein curioses Gehänge, und Wawerle wäre weder seines Vaters Schwester, noch seiner Großmutter Tochter, vielmehr das natürliche Kind einer etwas verrückten, wunderlichen Dame, die immer in Mannskleidung umherfuhr, auf die Jagd ritt und Tabak rauchte, wie ein türkischer Pascha. Sie selbst wisse nichts Genaueres über ihre Abstammung, der Freischulze Grundschig aber hätte bei jener Baronin als Lakai gedient und der Hutmacher, da er von der Wanderung heimkam, seinen Bruder auf dem Jagdschlosse besucht, wo es gar lustig zugegangen, und wo die Dienstboten allerlei Verkleidungen und Schauspiele hätten aufführen müssen; weßhalb denn auch bei so großem Aufwande das bedeutende Vermögen zusammengeschmolzen und an die -- in ganz anderen Verhältnissen aufgezogene -- Wawerle nur der letzte Rest gekommen sei. Was in dieser Version Wahres enthalten, wissen wir nicht zu verbürgen. Doch läßt sich nicht ableugnen, zweimal im Jahre überschwemmt wurde; in guten Jahren nur einmal Beide Capitälchen trugen fünf Procent, was denn der Wawerle die mäßige Jahresrente von zweihundert fünfundfünfzig Thalern abwarf. Wie sie eigentlich zu diesem und jenem anderen (in Rauch aufgegangenen) Vermögen gekommen sei, darüber lag ein Schleier, welchen zu lüften auch den Bemühungen ihrer einstigen Jugendfreundinnen wie Neiderinnen niemals hatte recht gelingen wollen. Vetter Tiesel meinte: das hätte so ein curioses Gehänge, und Wawerle wäre weder seines Vaters Schwester, noch seiner Großmutter Tochter, vielmehr das natürliche Kind einer etwas verrückten, wunderlichen Dame, die immer in Mannskleidung umherfuhr, auf die Jagd ritt und Tabak rauchte, wie ein türkischer Pascha. Sie selbst wisse nichts Genaueres über ihre Abstammung, der Freischulze Grundschig aber hätte bei jener Baronin als Lakai gedient und der Hutmacher, da er von der Wanderung heimkam, seinen Bruder auf dem Jagdschlosse besucht, wo es gar lustig zugegangen, und wo die Dienstboten allerlei Verkleidungen und Schauspiele hätten aufführen müssen; weßhalb denn auch bei so großem Aufwande das bedeutende Vermögen zusammengeschmolzen und an die — in ganz anderen Verhältnissen aufgezogene — Wawerle nur der letzte Rest gekommen sei. Was in dieser Version Wahres enthalten, wissen wir nicht zu verbürgen. Doch läßt sich nicht ableugnen, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0023"/> zweimal im Jahre überschwemmt wurde; in guten Jahren nur einmal Beide Capitälchen trugen fünf Procent, was denn der Wawerle die mäßige Jahresrente von zweihundert fünfundfünfzig Thalern abwarf.</p><lb/> <p>Wie sie eigentlich zu diesem und jenem anderen (in Rauch aufgegangenen) Vermögen gekommen sei, darüber lag ein Schleier, welchen zu lüften auch den Bemühungen ihrer einstigen Jugendfreundinnen wie Neiderinnen niemals hatte recht gelingen wollen. Vetter Tiesel meinte: das hätte so ein curioses Gehänge, und Wawerle wäre weder seines Vaters Schwester, noch seiner Großmutter Tochter, vielmehr das natürliche Kind einer etwas verrückten, wunderlichen Dame, die immer in Mannskleidung umherfuhr, auf die Jagd ritt und Tabak rauchte, wie ein türkischer Pascha. Sie selbst wisse nichts Genaueres über ihre Abstammung, der Freischulze Grundschig aber hätte bei jener Baronin als Lakai gedient und der Hutmacher, da er von der Wanderung heimkam, seinen Bruder auf dem Jagdschlosse besucht, wo es gar lustig zugegangen, und wo die Dienstboten allerlei Verkleidungen und Schauspiele hätten aufführen müssen; weßhalb denn auch bei so großem Aufwande das bedeutende Vermögen zusammengeschmolzen und an die — in ganz anderen Verhältnissen aufgezogene — Wawerle nur der letzte Rest gekommen sei.</p><lb/> <p>Was in dieser Version Wahres enthalten, wissen wir nicht zu verbürgen. Doch läßt sich nicht ableugnen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
zweimal im Jahre überschwemmt wurde; in guten Jahren nur einmal Beide Capitälchen trugen fünf Procent, was denn der Wawerle die mäßige Jahresrente von zweihundert fünfundfünfzig Thalern abwarf.
Wie sie eigentlich zu diesem und jenem anderen (in Rauch aufgegangenen) Vermögen gekommen sei, darüber lag ein Schleier, welchen zu lüften auch den Bemühungen ihrer einstigen Jugendfreundinnen wie Neiderinnen niemals hatte recht gelingen wollen. Vetter Tiesel meinte: das hätte so ein curioses Gehänge, und Wawerle wäre weder seines Vaters Schwester, noch seiner Großmutter Tochter, vielmehr das natürliche Kind einer etwas verrückten, wunderlichen Dame, die immer in Mannskleidung umherfuhr, auf die Jagd ritt und Tabak rauchte, wie ein türkischer Pascha. Sie selbst wisse nichts Genaueres über ihre Abstammung, der Freischulze Grundschig aber hätte bei jener Baronin als Lakai gedient und der Hutmacher, da er von der Wanderung heimkam, seinen Bruder auf dem Jagdschlosse besucht, wo es gar lustig zugegangen, und wo die Dienstboten allerlei Verkleidungen und Schauspiele hätten aufführen müssen; weßhalb denn auch bei so großem Aufwande das bedeutende Vermögen zusammengeschmolzen und an die — in ganz anderen Verhältnissen aufgezogene — Wawerle nur der letzte Rest gekommen sei.
Was in dieser Version Wahres enthalten, wissen wir nicht zu verbürgen. Doch läßt sich nicht ableugnen,
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/23>, abgerufen am 26.07.2024. |