Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

belästigen. Alt und Jung athmen darin wie in ihrem angeborenen Element, und sogar Gustel hustet nur am Abend seines ersten Debüts. Er singt so klar und rein, daß die Muhme-Lieutnanten ihn vor der ganzen Versammlung beim Kopfe nimmt, ihn abküßt und zwanzig Mal ihr einziges kleines Mündel und allerliebstes, nunschbernes Hundeviechel nennt. Die Gebrüder Knöfel, Beide Portraitmaler, von vaterstädtischem Rufe und außerdem merkwürdige Originale aus jener wundersamen Gallerte Breslauischer Eigenthümlichkeiten, die gegenwärtig fast bis aufs letzte Angedenken ausgestorben sind, treten hinzu und geben ihre Freude an Wawerle's Freude kund. Ganz besonders herzlich erweiset sich der Kupferstecher Endler, klein an Leib, groß an Talent, dem nur ein London oder Paris zur Heimath mangelte, um unsterblich genannt zu werden; der rastlos, unermüdlich strebte, wirkte, schuf; der arm, unbekannt, nicht gewürdiget, das kümmerliche Dasein des von allen Seiten beschränkten Künstlers hinschleppte und dabei die Kraft behielt, eine Reihe schlesischer Ansichten aufzunehmen, zu zeichnen, zu radiren, die heute, wenn man sie nach Verlauf eines halben Jahrhunderts mustert, nicht allein durch ihre fast unglaubliche Menge in Erstaunen, sondern auch durch ihre naturgetreue Auffassung und durch ihre meisterliche Ausführung in Bewunderung versetzen. Er, der unvergeßliche Illustrator des unvergeßlichen Fülleborn!

belästigen. Alt und Jung athmen darin wie in ihrem angeborenen Element, und sogar Gustel hustet nur am Abend seines ersten Debüts. Er singt so klar und rein, daß die Muhme-Lieutnanten ihn vor der ganzen Versammlung beim Kopfe nimmt, ihn abküßt und zwanzig Mal ihr einziges kleines Mündel und allerliebstes, nunschbernes Hundeviechel nennt. Die Gebrüder Knöfel, Beide Portraitmaler, von vaterstädtischem Rufe und außerdem merkwürdige Originale aus jener wundersamen Gallerte Breslauischer Eigenthümlichkeiten, die gegenwärtig fast bis aufs letzte Angedenken ausgestorben sind, treten hinzu und geben ihre Freude an Wawerle's Freude kund. Ganz besonders herzlich erweiset sich der Kupferstecher Endler, klein an Leib, groß an Talent, dem nur ein London oder Paris zur Heimath mangelte, um unsterblich genannt zu werden; der rastlos, unermüdlich strebte, wirkte, schuf; der arm, unbekannt, nicht gewürdiget, das kümmerliche Dasein des von allen Seiten beschränkten Künstlers hinschleppte und dabei die Kraft behielt, eine Reihe schlesischer Ansichten aufzunehmen, zu zeichnen, zu radiren, die heute, wenn man sie nach Verlauf eines halben Jahrhunderts mustert, nicht allein durch ihre fast unglaubliche Menge in Erstaunen, sondern auch durch ihre naturgetreue Auffassung und durch ihre meisterliche Ausführung in Bewunderung versetzen. Er, der unvergeßliche Illustrator des unvergeßlichen Fülleborn!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0021"/>
belästigen. Alt und Jung athmen darin wie                     in ihrem angeborenen Element, und sogar Gustel hustet nur am Abend seines ersten                     Debüts. Er singt so klar und rein, daß die Muhme-Lieutnanten ihn vor der ganzen                     Versammlung beim Kopfe nimmt, ihn abküßt und zwanzig Mal ihr einziges kleines                     Mündel und allerliebstes, nunschbernes Hundeviechel nennt. Die Gebrüder Knöfel,                     Beide Portraitmaler, von vaterstädtischem Rufe und außerdem merkwürdige                     Originale aus jener wundersamen Gallerte Breslauischer Eigenthümlichkeiten, die                     gegenwärtig fast bis aufs letzte Angedenken ausgestorben sind, treten hinzu und                     geben ihre Freude an Wawerle's Freude kund. Ganz besonders herzlich erweiset                     sich der Kupferstecher Endler, klein an Leib, groß an Talent, dem nur ein London                     oder Paris zur Heimath mangelte, um unsterblich genannt zu werden; der rastlos,                     unermüdlich strebte, wirkte, schuf; der arm, unbekannt, nicht gewürdiget, das                     kümmerliche Dasein des von allen Seiten beschränkten Künstlers hinschleppte und                     dabei die Kraft behielt, eine Reihe schlesischer Ansichten aufzunehmen, zu                     zeichnen, zu radiren, die heute, wenn man sie nach Verlauf eines halben                     Jahrhunderts mustert, nicht allein durch ihre fast unglaubliche Menge in                     Erstaunen, sondern auch durch ihre naturgetreue Auffassung und durch ihre                     meisterliche Ausführung in Bewunderung versetzen. Er, der unvergeßliche                     Illustrator des unvergeßlichen Fülleborn!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] belästigen. Alt und Jung athmen darin wie in ihrem angeborenen Element, und sogar Gustel hustet nur am Abend seines ersten Debüts. Er singt so klar und rein, daß die Muhme-Lieutnanten ihn vor der ganzen Versammlung beim Kopfe nimmt, ihn abküßt und zwanzig Mal ihr einziges kleines Mündel und allerliebstes, nunschbernes Hundeviechel nennt. Die Gebrüder Knöfel, Beide Portraitmaler, von vaterstädtischem Rufe und außerdem merkwürdige Originale aus jener wundersamen Gallerte Breslauischer Eigenthümlichkeiten, die gegenwärtig fast bis aufs letzte Angedenken ausgestorben sind, treten hinzu und geben ihre Freude an Wawerle's Freude kund. Ganz besonders herzlich erweiset sich der Kupferstecher Endler, klein an Leib, groß an Talent, dem nur ein London oder Paris zur Heimath mangelte, um unsterblich genannt zu werden; der rastlos, unermüdlich strebte, wirkte, schuf; der arm, unbekannt, nicht gewürdiget, das kümmerliche Dasein des von allen Seiten beschränkten Künstlers hinschleppte und dabei die Kraft behielt, eine Reihe schlesischer Ansichten aufzunehmen, zu zeichnen, zu radiren, die heute, wenn man sie nach Verlauf eines halben Jahrhunderts mustert, nicht allein durch ihre fast unglaubliche Menge in Erstaunen, sondern auch durch ihre naturgetreue Auffassung und durch ihre meisterliche Ausführung in Bewunderung versetzen. Er, der unvergeßliche Illustrator des unvergeßlichen Fülleborn!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:49:22Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/21
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/21>, abgerufen am 28.11.2024.