Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Vermögen mit den brennenden Vorstädten in Rauch aufgegangen war! Sie ertrug es eben auch und lernte sogar darüber scherzen, wie sie über den Gestank der Fleischbänke und über die Wanzenbisse scherzen gelernt. Das Grundstück, worauf ich mit meinen sechs Tausenden "infabuliret" bin, Pflegte sie zu sagen, ist jetzt so viel wie gar Nichts mehr werth, weil Glashäuser und Alles mit einander darnieder gebombardiert worden. Und die Feuer-Assecuranzie will nicht zahlen, denn sie spricht: niederschießen wäre nicht abbrennen. Meine sechs Tausende sind vier Nullen geworden; die Sechs ist jetzund die vierte Nulle. Aber ein Tausendglücke bei allem Unglück, daß mein seliger Hanepich das nicht erlebt hat; sonst hätt's was gesetzt. Dabei rieb sie sich wie aus Zerstreuung den Buckel, und wenn Grittel fragte: Hat er Sie denn wirklich geschlagen, der schändliche Dingerich, Muhme-Lieutnanten? -- da erwiderte Jene, als hatte sie diese verfängliche Frage nicht verstanden: 's beißt wich, Grittel; die Wanzen haldig! Brigitte Tiesel seufzte dann. Nicht allein aus Mitleid für Muhme Wawerle und weil gerade diese zarte Seele an einen so rohen Gatten hatte gerathen müssen, sondern auch darüber, daß Herr Tiesel in offenbarem Gegensatze viel zu wenig thue, wo Hanepich viel zu viel gethan: im Kapitel der Schläge und Püffe nämlich, die -- so meinte Grittel -- bei ihrem Vermögen mit den brennenden Vorstädten in Rauch aufgegangen war! Sie ertrug es eben auch und lernte sogar darüber scherzen, wie sie über den Gestank der Fleischbänke und über die Wanzenbisse scherzen gelernt. Das Grundstück, worauf ich mit meinen sechs Tausenden „infabuliret“ bin, Pflegte sie zu sagen, ist jetzt so viel wie gar Nichts mehr werth, weil Glashäuser und Alles mit einander darnieder gebombardiert worden. Und die Feuer-Assecuranzie will nicht zahlen, denn sie spricht: niederschießen wäre nicht abbrennen. Meine sechs Tausende sind vier Nullen geworden; die Sechs ist jetzund die vierte Nulle. Aber ein Tausendglücke bei allem Unglück, daß mein seliger Hanepich das nicht erlebt hat; sonst hätt's was gesetzt. Dabei rieb sie sich wie aus Zerstreuung den Buckel, und wenn Grittel fragte: Hat er Sie denn wirklich geschlagen, der schändliche Dingerich, Muhme-Lieutnanten? — da erwiderte Jene, als hatte sie diese verfängliche Frage nicht verstanden: 's beißt wich, Grittel; die Wanzen haldig! Brigitte Tiesel seufzte dann. Nicht allein aus Mitleid für Muhme Wawerle und weil gerade diese zarte Seele an einen so rohen Gatten hatte gerathen müssen, sondern auch darüber, daß Herr Tiesel in offenbarem Gegensatze viel zu wenig thue, wo Hanepich viel zu viel gethan: im Kapitel der Schläge und Püffe nämlich, die — so meinte Grittel — bei ihrem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0017"/> Vermögen mit den brennenden Vorstädten in Rauch aufgegangen war! Sie ertrug es eben auch und lernte sogar darüber scherzen, wie sie über den Gestank der Fleischbänke und über die Wanzenbisse scherzen gelernt. Das Grundstück, worauf ich mit meinen sechs Tausenden „infabuliret“ bin, Pflegte sie zu sagen, ist jetzt so viel wie gar Nichts mehr werth, weil Glashäuser und Alles mit einander darnieder gebombardiert worden. Und die Feuer-Assecuranzie will nicht zahlen, denn sie spricht: niederschießen wäre nicht abbrennen. Meine sechs Tausende sind vier Nullen geworden; die Sechs ist jetzund die vierte Nulle. Aber ein Tausendglücke bei allem Unglück, daß mein seliger Hanepich das nicht erlebt hat; sonst hätt's was gesetzt. Dabei rieb sie sich wie aus Zerstreuung den Buckel, und wenn Grittel fragte: Hat er Sie denn wirklich geschlagen, der schändliche Dingerich, Muhme-Lieutnanten? — da erwiderte Jene, als hatte sie diese verfängliche Frage nicht verstanden: 's beißt wich, Grittel; die Wanzen haldig!</p><lb/> <p>Brigitte Tiesel seufzte dann. Nicht allein aus Mitleid für Muhme Wawerle und weil gerade diese zarte Seele an einen so rohen Gatten hatte gerathen müssen, sondern auch darüber, daß Herr Tiesel in offenbarem Gegensatze viel zu wenig thue, wo Hanepich viel zu viel gethan: im Kapitel der Schläge und Püffe nämlich, die — so meinte Grittel — bei ihrem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Vermögen mit den brennenden Vorstädten in Rauch aufgegangen war! Sie ertrug es eben auch und lernte sogar darüber scherzen, wie sie über den Gestank der Fleischbänke und über die Wanzenbisse scherzen gelernt. Das Grundstück, worauf ich mit meinen sechs Tausenden „infabuliret“ bin, Pflegte sie zu sagen, ist jetzt so viel wie gar Nichts mehr werth, weil Glashäuser und Alles mit einander darnieder gebombardiert worden. Und die Feuer-Assecuranzie will nicht zahlen, denn sie spricht: niederschießen wäre nicht abbrennen. Meine sechs Tausende sind vier Nullen geworden; die Sechs ist jetzund die vierte Nulle. Aber ein Tausendglücke bei allem Unglück, daß mein seliger Hanepich das nicht erlebt hat; sonst hätt's was gesetzt. Dabei rieb sie sich wie aus Zerstreuung den Buckel, und wenn Grittel fragte: Hat er Sie denn wirklich geschlagen, der schändliche Dingerich, Muhme-Lieutnanten? — da erwiderte Jene, als hatte sie diese verfängliche Frage nicht verstanden: 's beißt wich, Grittel; die Wanzen haldig!
Brigitte Tiesel seufzte dann. Nicht allein aus Mitleid für Muhme Wawerle und weil gerade diese zarte Seele an einen so rohen Gatten hatte gerathen müssen, sondern auch darüber, daß Herr Tiesel in offenbarem Gegensatze viel zu wenig thue, wo Hanepich viel zu viel gethan: im Kapitel der Schläge und Püffe nämlich, die — so meinte Grittel — bei ihrem
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/17>, abgerufen am 05.07.2024. |