Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.inneren Bau des Muhme-Lieutnant-Saloppels, sowie jener verborgenen Tasche Ausdehnung sehr genau und beeilten sich gern, der wohlthätigen Spenderin durch Hand und Mund Erleichterung zu verschaffen. Lene wie Fritzel thaten dies, ohne daß sie sich dabei durch Bezeigung ihrer Dankbarkeit in große Unkosten setzten. Sie nahmen, was ihrer heißhungerigen Genäschigkeid dargeboten ward, gierig hin und fragten weiter nicht, wie die Muhme dazu gekommen sei. Gefräßige Mädchen sind an und für sich nicht angenehm zu sehen; entwickeln sie nebenbei noch die Keime gedankenloser Selbstsucht, die nur nach sinnlichen Genüssen begehrt, ohne Regung der Seele und des Gemüthes, dann steht zu fürchten, daß auch in reiferen Jahren ihnen der Augenblick mehr gelten werde, als ein ganzes Leben. Gustel, obschon ein Junge, zeigte ungleich mehr von sanfteren Empfindungen, als beide Schwestern. Er nahm nur, was ihm dargeboten wurde, aß nur, nachdem er die Geberin ermuntert hatte, vorher zu nehmen, empfing Nichts ohne kindlichen Dank und hing sich an die kleine, von seinen Schwestern oft mit Spott belohnte Freundin des Hauses in aller Treue eines dankbaren Knaben. Die Capitulation der Festung war noch nicht erfolgt, die Verträge der Uebergabe an den Feind waren noch nicht abgeschlossen, als bereits zwischen Wawerle und Gustel ein ehrenvollerer Vertrag innigster An- inneren Bau des Muhme-Lieutnant-Saloppels, sowie jener verborgenen Tasche Ausdehnung sehr genau und beeilten sich gern, der wohlthätigen Spenderin durch Hand und Mund Erleichterung zu verschaffen. Lene wie Fritzel thaten dies, ohne daß sie sich dabei durch Bezeigung ihrer Dankbarkeit in große Unkosten setzten. Sie nahmen, was ihrer heißhungerigen Genäschigkeid dargeboten ward, gierig hin und fragten weiter nicht, wie die Muhme dazu gekommen sei. Gefräßige Mädchen sind an und für sich nicht angenehm zu sehen; entwickeln sie nebenbei noch die Keime gedankenloser Selbstsucht, die nur nach sinnlichen Genüssen begehrt, ohne Regung der Seele und des Gemüthes, dann steht zu fürchten, daß auch in reiferen Jahren ihnen der Augenblick mehr gelten werde, als ein ganzes Leben. Gustel, obschon ein Junge, zeigte ungleich mehr von sanfteren Empfindungen, als beide Schwestern. Er nahm nur, was ihm dargeboten wurde, aß nur, nachdem er die Geberin ermuntert hatte, vorher zu nehmen, empfing Nichts ohne kindlichen Dank und hing sich an die kleine, von seinen Schwestern oft mit Spott belohnte Freundin des Hauses in aller Treue eines dankbaren Knaben. Die Capitulation der Festung war noch nicht erfolgt, die Verträge der Uebergabe an den Feind waren noch nicht abgeschlossen, als bereits zwischen Wawerle und Gustel ein ehrenvollerer Vertrag innigster An- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0014"/> inneren Bau des Muhme-Lieutnant-Saloppels, sowie jener verborgenen Tasche Ausdehnung sehr genau und beeilten sich gern, der wohlthätigen Spenderin durch Hand und Mund Erleichterung zu verschaffen. Lene wie Fritzel thaten dies, ohne daß sie sich dabei durch Bezeigung ihrer Dankbarkeit in große Unkosten setzten. Sie nahmen, was ihrer heißhungerigen Genäschigkeid dargeboten ward, gierig hin und fragten weiter nicht, wie die Muhme dazu gekommen sei. Gefräßige Mädchen sind an und für sich nicht angenehm zu sehen; entwickeln sie nebenbei noch die Keime gedankenloser Selbstsucht, die nur nach sinnlichen Genüssen begehrt, ohne Regung der Seele und des Gemüthes, dann steht zu fürchten, daß auch in reiferen Jahren ihnen der Augenblick mehr gelten werde, als ein ganzes Leben.</p><lb/> <p>Gustel, obschon ein Junge, zeigte ungleich mehr von sanfteren Empfindungen, als beide Schwestern. Er nahm nur, was ihm dargeboten wurde, aß nur, nachdem er die Geberin ermuntert hatte, vorher zu nehmen, empfing Nichts ohne kindlichen Dank und hing sich an die kleine, von seinen Schwestern oft mit Spott belohnte Freundin des Hauses in aller Treue eines dankbaren Knaben.</p><lb/> <p>Die Capitulation der Festung war noch nicht erfolgt, die Verträge der Uebergabe an den Feind waren noch nicht abgeschlossen, als bereits zwischen Wawerle und Gustel ein ehrenvollerer Vertrag innigster An-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
inneren Bau des Muhme-Lieutnant-Saloppels, sowie jener verborgenen Tasche Ausdehnung sehr genau und beeilten sich gern, der wohlthätigen Spenderin durch Hand und Mund Erleichterung zu verschaffen. Lene wie Fritzel thaten dies, ohne daß sie sich dabei durch Bezeigung ihrer Dankbarkeit in große Unkosten setzten. Sie nahmen, was ihrer heißhungerigen Genäschigkeid dargeboten ward, gierig hin und fragten weiter nicht, wie die Muhme dazu gekommen sei. Gefräßige Mädchen sind an und für sich nicht angenehm zu sehen; entwickeln sie nebenbei noch die Keime gedankenloser Selbstsucht, die nur nach sinnlichen Genüssen begehrt, ohne Regung der Seele und des Gemüthes, dann steht zu fürchten, daß auch in reiferen Jahren ihnen der Augenblick mehr gelten werde, als ein ganzes Leben.
Gustel, obschon ein Junge, zeigte ungleich mehr von sanfteren Empfindungen, als beide Schwestern. Er nahm nur, was ihm dargeboten wurde, aß nur, nachdem er die Geberin ermuntert hatte, vorher zu nehmen, empfing Nichts ohne kindlichen Dank und hing sich an die kleine, von seinen Schwestern oft mit Spott belohnte Freundin des Hauses in aller Treue eines dankbaren Knaben.
Die Capitulation der Festung war noch nicht erfolgt, die Verträge der Uebergabe an den Feind waren noch nicht abgeschlossen, als bereits zwischen Wawerle und Gustel ein ehrenvollerer Vertrag innigster An-
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/14>, abgerufen am 05.07.2024. |