[Spaltenumbruch]
sonderlich nahe am Stamm helffen/ damit das Zweig- lein dem Stammen bald gleich wachse; Man muß auch nichts desto weniger dem untern Stammen/ wann ihn der Zweig überwachsen wolte/ auch mit ein paar Durch- schnitten/ auf die vorige Weise/ nachhelffen/ damit das Fundament und das Gebäu fein überein stimme.
Die Zeit zum beschneiden/ setzt Herr de Serres, wann der Baum im Safft ist/ vom Ende des Mertzens biß Anfang des Julii, weil der Safft den Wunden zu Hülfe komme/ und sie desto eher ausheile; Wiewol die mei- sten andern Authores das Widerspiel vorgeben/ stehet es doch einem Hausvatter frey/ auf Gutbefund eines und anders zu erwehlen/ im dritten oder vierdten Jahr nach ihrer Peltzung können sie an ihre letzte bleibliche Stelle versetzt werden/ wann sie schier eines Armsdick sind/ oder wenigst wie ein Stiel an einem Grabscheid/ später und früher ist waglich und nicht zu rahten; Etli- che brauchen gar keine Kern-Schul/ kauffen die Wild- linge zusammen/ und setzen sie gerad in ihre Peltz- Schulen/ lassen sie allda stehen/ biß sie einwurtzen/ und peltzen sie hernach.
Jch habe zu Klingebrun in Oesterreich einen Unter- than/ Mayr im Haag genannt/ gehabt/ der war von Obst so wol versehen/ daß er zu guten Jahren 80/ 100 und mehr Eimer Birn- und Aepfel-Most hat pressen können; der hat mir vermeldet/ er nehme die Wildlin- ge/ die man ihm bringt im Früling/ und die ihm gefal- len/ und peltze gleich in der Stuben darauf/ setze dar- nach den Wildling und Peltzer miteinander in die Er- den/ und sie gedeyen ihm meistentheils. Von den Wild- lingen aber ist gewiß/ daß mit dem Obst/ das auf diese/ und vom edlen Obst gesamte und gewachsene Stämmlein gepeltzt wird/ ein mercklicher grosser Unterscheid zu fin- den ist/ und diese an Güte und Köstlichkeit jene sehr weit übertreffen.
De Serres vermeint/ wann man einen Baum öff- [Spaltenumbruch]
ter als einmal/ und das erstemal nahend bey der Erden/ mit einem Zweiglein in den Spalt/ das andere Jahr darauf vier Finger höher/ abermal/ und also zum vier- tenmal abpeltzet/ soll das Obst viel vollkommener und besser werden; Wer aber die Gedult nicht hat/ so lang zu warten/ kan ein Stämmlein das erste Jahr nur in den Spalt peltzen; das andere Jahr aber äugeln oder röhrlen/ wiewol diese Art des Pfropfens für Pfersich und Marillen am dienlichsten ist. Vermeldet auch wol- besagter Herr de Serres, daß dieses öffters wiederhol- te Peltzen die Bäumlein am Wachsthum nicht allein nicht verhindere/ sondern vielmehr befördere. Auf den Wildling/ darauf gepeltzt worden/ muß wol Acht ge- geben seyn/ daß er unten keine Wasserzweige austreibe/ ja so bald er beginnet an seinem Stämmlein Bäulen und Knoden zu gewinnen/ ists ein Zeichen/ daß er wolte gern ausschlagen/ wie er dann auch thut/ wo man ihn nicht verhindert. Diese Bäulen nun/ die inwendig gantz grün und voller Safftes sind/ muß man bald mit den Nägeln abzwicken; wann die Peltzer gar zu hoch auf- schiessen/ kan man die schwancke Ruten abstutzen/ und also wird der Baum gestärckt und etwas niedriger er- halten; Wann man aber prüfen will/ ob die von guten Kernen gesäete Bäumlein ungepeltzt gute Früchte brin- gen wollen/ muß man sie das erstemal nicht zu bald um- setzen/ sondern sie eines guten Daumens dick werden lassen/ aber das ist gewiß/ je öffter man sie versetzet/ je besser werden sie/ mit dieser Obsicht/ daß es gradatim allzeit in eine bessere Erde geschehe. Das Stein-Obst muß längst im andern Jahre dahin/ wo es bleiben soll/ versetzt seyn. So kan auch mit den Kern-Wildlingen diese Obsicht gehalten werden/ daß man Acht hat/ wel- che viel Stacheln und Dörner haben/ und von Rinden ungeschlacht sind/ daß man dieselbigen abpeltze; diejeni- gen aber/ welche wenig oder gar keine Dornen/ aber ei- ne glatte Rinden weisen/ mag man wol nur allein ver- setzen.
Cap. X. Vom Peltzen ins gemein.
[Spaltenumbruch]
JSt eine von den schönesten/ nutzbarsten/ leich- testen und verwunderlichsten Künsten/ von der gantzen Oeconomia, eine seltsame Zusammen- heurathung fremder und offt weit hergebrachter Zweige/ oder ein Adoption und an Kindes statt Annehmung/ daß ein kleines Reislein einem fremden Stammen eingepfropfft/ oder durch Aeugeln und Röhrlen einverleibt/ also aus zwey Stucken eines werden/ daß zwar das Unterste dem Obern allen Safft und Nahrung gibt/ das Obere aber nichts desto weniger bey der Gattung desselbigen Baumes verbleibt/ davon es gebrochen worden; und die fremde ungewohnte Nahrung des Wildlings in sei- ne edle Natur per Alchymiam quandam naturalem, digerirt und verändert. Des Baumes/ sonderlich des Wildlings Art wird dadurch geadelt/ verbessert/ erhö- het/ daß aus einem Sommer-Obst ein Lager-Obst; aus einem sauren ein süsses; aus einem wilden ein ge- schlachtes; aus einem unschmackhafften ein wolge- schmackes; aus einem frühen ein spates; ja aus einem Küttenstamm ein Birn- oder Apfelbaum wird/ & vice versa, also daß jener Poet nicht unrecht sagt:
[Spaltenumbruch]
insere surculos plantis & arborum caducam prole nova repara senectam.
Daher diese Kunst nicht allein dem gemeinen Wesen nützlich/ sondern auch grossen Fürsten und Herren an- ständig und üblich ist. Herr de Serres bezeuget/ daß Franciscus I. König in Franckreich unter andern Tu- gendsamen Ubungen/ auch in Peltzung der guten und edlen Obst-Bäume wol erfahren und kündig gewe- sen.
Jch habe auch selbst vornehme Cavalier und Damas gekennt/ die eine Freude damit gehabt/ und sich selbst hierinnen exercirt haben. Will die alten Geschichten von Cyro, Catone, Attalo, Diocletiano, Constanti- no, und andern tapffern berühmten Leuten/ allhier nicht anziehen/ den Leser mit unnöthigen lähren Reden nicht aufzuhalten.
Es sind aber von den bekanntesten und gebräuchi- sten Peltzen viererley Arten/ in den Kern/ in die Rin- den/ das Aeugeln/ und das Röhrlen; wie nun die ersten
zwey
Vierdten Buchs Anderer Theil/ Obſt-Garten.
[Spaltenumbruch]
ſonderlich nahe am Stamm helffen/ damit das Zweig- lein dem Stammen bald gleich wachſe; Man muß auch nichts deſto weniger dem untern Stammen/ wann ihn der Zweig uͤberwachſen wolte/ auch mit ein paar Durch- ſchnitten/ auf die vorige Weiſe/ nachhelffen/ damit das Fundament und das Gebaͤu fein uͤberein ſtimme.
Die Zeit zum beſchneiden/ ſetzt Herr de Serres, wann der Baum im Safft iſt/ vom Ende des Mertzens biß Anfang des Julii, weil der Safft den Wunden zu Huͤlfe komme/ und ſie deſto eher ausheile; Wiewol die mei- ſten andern Authores das Widerſpiel vorgeben/ ſtehet es doch einem Hausvatter frey/ auf Gutbefund eines und anders zu erwehlen/ im dritten oder vierdten Jahr nach ihrer Peltzung koͤnnen ſie an ihre letzte bleibliche Stelle verſetzt werden/ wann ſie ſchier eines Armsdick ſind/ oder wenigſt wie ein Stiel an einem Grabſcheid/ ſpaͤter und fruͤher iſt waglich und nicht zu rahten; Etli- che brauchen gar keine Kern-Schul/ kauffen die Wild- linge zuſammen/ und ſetzen ſie gerad in ihre Peltz- Schulen/ laſſen ſie allda ſtehen/ biß ſie einwurtzen/ und peltzen ſie hernach.
Jch habe zu Klingebrun in Oeſterreich einen Unter- than/ Mayr im Haag genannt/ gehabt/ der war von Obſt ſo wol verſehen/ daß er zu guten Jahren 80/ 100 und mehr Eimer Birn- und Aepfel-Moſt hat preſſen koͤnnen; der hat mir vermeldet/ er nehme die Wildlin- ge/ die man ihm bringt im Fruͤling/ und die ihm gefal- len/ und peltze gleich in der Stuben darauf/ ſetze dar- nach den Wildling und Peltzer miteinander in die Er- den/ und ſie gedeyen ihm meiſtentheils. Von den Wild- lingen aber iſt gewiß/ daß mit dem Obſt/ das auf dieſe/ und vom edlen Obſt geſamte und gewachſene Staͤmmlein gepeltzt wird/ ein mercklicher groſſer Unterſcheid zu fin- den iſt/ und dieſe an Guͤte und Koͤſtlichkeit jene ſehr weit uͤbertreffen.
De Serres vermeint/ wann man einen Baum oͤff- [Spaltenumbruch]
ter als einmal/ und das erſtemal nahend bey der Erden/ mit einem Zweiglein in den Spalt/ das andere Jahr darauf vier Finger hoͤher/ abermal/ und alſo zum vier- tenmal abpeltzet/ ſoll das Obſt viel vollkommener und beſſer werden; Wer aber die Gedult nicht hat/ ſo lang zu warten/ kan ein Staͤmmlein das erſte Jahr nur in den Spalt peltzen; das andere Jahr aber aͤugeln oder roͤhrlen/ wiewol dieſe Art des Pfropfens fuͤr Pferſich und Marillen am dienlichſten iſt. Vermeldet auch wol- beſagter Herr de Serres, daß dieſes oͤffters wiederhol- te Peltzen die Baͤumlein am Wachsthum nicht allein nicht verhindere/ ſondern vielmehr befoͤrdere. Auf den Wildling/ darauf gepeltzt worden/ muß wol Acht ge- geben ſeyn/ daß er unten keine Waſſerzweige austreibe/ ja ſo bald er beginnet an ſeinem Staͤmmlein Baͤulen und Knoden zu gewinnen/ iſts ein Zeichen/ daß er wolte gern ausſchlagen/ wie er dann auch thut/ wo man ihn nicht verhindert. Dieſe Baͤulen nun/ die inwendig gantz gruͤn und voller Safftes ſind/ muß man bald mit den Naͤgeln abzwicken; wann die Peltzer gar zu hoch auf- ſchieſſen/ kan man die ſchwancke Ruten abſtutzen/ und alſo wird der Baum geſtaͤrckt und etwas niedriger er- halten; Wann man aber pruͤfen will/ ob die von guten Kernen geſaͤete Baͤumlein ungepeltzt gute Fruͤchte brin- gen wollen/ muß man ſie das erſtemal nicht zu bald um- ſetzen/ ſondern ſie eines guten Daumens dick werden laſſen/ aber das iſt gewiß/ je oͤffter man ſie verſetzet/ je beſſer werden ſie/ mit dieſer Obſicht/ daß es gradatim allzeit in eine beſſere Erde geſchehe. Das Stein-Obſt muß laͤngſt im andern Jahre dahin/ wo es bleiben ſoll/ verſetzt ſeyn. So kan auch mit den Kern-Wildlingen dieſe Obſicht gehalten werden/ daß man Acht hat/ wel- che viel Stacheln und Doͤrner haben/ und von Rinden ungeſchlacht ſind/ daß man dieſelbigen abpeltze; diejeni- gen aber/ welche wenig oder gar keine Dornen/ aber ei- ne glatte Rinden weiſen/ mag man wol nur allein ver- ſetzen.
Cap. X. Vom Peltzen ins gemein.
[Spaltenumbruch]
JSt eine von den ſchoͤneſten/ nutzbarſten/ leich- teſten und verwunderlichſten Kuͤnſten/ von der gantzen Oeconomia, eine ſeltſame Zuſammen- heurathung fremder und offt weit hergebrachter Zweige/ oder ein Adoption und an Kindes ſtatt Annehmung/ daß ein kleines Reislein einem fremdẽ Stam̃en eingepfropfft/ oder durch Aeugeln und Roͤhrlen einverleibt/ alſo aus zwey Stucken eines werden/ daß zwar das Unterſte dem Obern allen Safft und Nahrung gibt/ das Obere aber nichts deſto weniger bey der Gattung deſſelbigen Baumes verbleibt/ davon es gebrochen worden; und die fremde ungewohnte Nahrung des Wildlings in ſei- ne edle Natur per Alchymiam quandam naturalem, digerirt und veraͤndert. Des Baumes/ ſonderlich des Wildlings Art wird dadurch geadelt/ verbeſſert/ erhoͤ- het/ daß aus einem Sommer-Obſt ein Lager-Obſt; aus einem ſauren ein ſuͤſſes; aus einem wilden ein ge- ſchlachtes; aus einem unſchmackhafften ein wolge- ſchmackes; aus einem fruͤhen ein ſpates; ja aus einem Kuͤttenſtamm ein Birn- oder Apfelbaum wird/ & vice verſâ, alſo daß jener Poet nicht unrecht ſagt:
Daher dieſe Kunſt nicht allein dem gemeinen Weſen nuͤtzlich/ ſondern auch groſſen Fuͤrſten und Herren an- ſtaͤndig und uͤblich iſt. Herr de Serres bezeuget/ daß Franciſcus I. Koͤnig in Franckreich unter andern Tu- gendſamen Ubungen/ auch in Peltzung der guten und edlen Obſt-Baͤume wol erfahren und kuͤndig gewe- ſen.
Jch habe auch ſelbſt vornehme Cavalier und Damas gekennt/ die eine Freude damit gehabt/ und ſich ſelbſt hierinnen exercirt haben. Will die alten Geſchichten von Cyro, Catone, Attalo, Diocletiano, Conſtanti- no, und andern tapffern beruͤhmten Leuten/ allhier nicht anziehen/ den Leſer mit unnoͤthigen laͤhren Reden nicht aufzuhalten.
Es ſind aber von den bekannteſten und gebraͤuchi- ſten Peltzen viererley Arten/ in den Kern/ in die Rin- den/ das Aeugeln/ und das Roͤhrlen; wie nun die erſten
zwey
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0417"n="399"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vierdten Buchs Anderer Theil/ Obſt-Garten.</hi></fw><lb/><cb/>ſonderlich nahe am Stamm helffen/ damit das Zweig-<lb/>
lein dem Stammen bald gleich wachſe; Man muß auch<lb/>
nichts deſto weniger dem untern Stammen/ wann ihn<lb/>
der Zweig uͤberwachſen wolte/ auch mit ein paar Durch-<lb/>ſchnitten/ auf die vorige Weiſe/ nachhelffen/ damit das<lb/><hirendition="#aq">Fundament</hi> und das Gebaͤu fein uͤberein ſtimme.</p><lb/><p>Die Zeit zum beſchneiden/ ſetzt Herr <hirendition="#aq">de Serres,</hi> wann<lb/>
der Baum im Safft iſt/ vom Ende des Mertzens biß<lb/>
Anfang des <hirendition="#aq">Julii,</hi> weil der Safft den Wunden zu Huͤlfe<lb/>
komme/ und ſie deſto eher ausheile; Wiewol die mei-<lb/>ſten andern <hirendition="#aq">Authores</hi> das Widerſpiel vorgeben/ ſtehet<lb/>
es doch einem Hausvatter frey/ auf Gutbefund eines<lb/>
und anders zu erwehlen/ im dritten oder vierdten Jahr<lb/>
nach ihrer Peltzung koͤnnen ſie an ihre letzte bleibliche<lb/>
Stelle verſetzt werden/ wann ſie ſchier eines Armsdick<lb/>ſind/ oder wenigſt wie ein Stiel an einem Grabſcheid/<lb/>ſpaͤter und fruͤher iſt waglich und nicht zu rahten; Etli-<lb/>
che brauchen gar keine Kern-Schul/ kauffen die Wild-<lb/>
linge zuſammen/ und ſetzen ſie gerad in ihre Peltz-<lb/>
Schulen/ laſſen ſie allda ſtehen/ biß ſie einwurtzen/ und<lb/>
peltzen ſie hernach.</p><lb/><p>Jch habe zu Klingebrun in Oeſterreich einen Unter-<lb/>
than/ Mayr im Haag genannt/ gehabt/ der war von<lb/>
Obſt ſo wol verſehen/ daß er zu guten Jahren 80/ 100<lb/>
und mehr Eimer Birn- und Aepfel-Moſt hat preſſen<lb/>
koͤnnen; der hat mir vermeldet/ er nehme die Wildlin-<lb/>
ge/ die man ihm bringt im Fruͤling/ und die ihm gefal-<lb/>
len/ und peltze gleich in der Stuben darauf/ ſetze dar-<lb/>
nach den Wildling und Peltzer miteinander in die Er-<lb/>
den/ und ſie gedeyen ihm meiſtentheils. Von den Wild-<lb/>
lingen aber iſt gewiß/ daß mit dem Obſt/ das auf dieſe/<lb/>
und vom edlen Obſt geſamte und gewachſene Staͤmmlein<lb/>
gepeltzt wird/ ein mercklicher groſſer Unterſcheid zu fin-<lb/>
den iſt/ und dieſe an Guͤte und Koͤſtlichkeit jene ſehr weit<lb/>
uͤbertreffen.</p><lb/><p><hirendition="#aq">De Serres</hi> vermeint/ wann man einen Baum oͤff-<lb/><cb/>
ter als einmal/ und das erſtemal nahend bey der Erden/<lb/>
mit einem Zweiglein in den Spalt/ das andere Jahr<lb/>
darauf vier Finger hoͤher/ abermal/ und alſo zum vier-<lb/>
tenmal abpeltzet/ ſoll das Obſt viel vollkommener und<lb/>
beſſer werden; Wer aber die Gedult nicht hat/ ſo lang<lb/>
zu warten/ kan ein Staͤmmlein das erſte Jahr nur in<lb/>
den Spalt peltzen; das andere Jahr aber aͤugeln oder<lb/>
roͤhrlen/ wiewol dieſe Art des Pfropfens fuͤr Pferſich<lb/>
und Marillen am dienlichſten iſt. Vermeldet auch wol-<lb/>
beſagter Herr <hirendition="#aq">de Serres,</hi> daß dieſes oͤffters wiederhol-<lb/>
te Peltzen die Baͤumlein am Wachsthum nicht allein<lb/>
nicht verhindere/ ſondern vielmehr befoͤrdere. Auf den<lb/>
Wildling/ darauf gepeltzt worden/ muß wol Acht ge-<lb/>
geben ſeyn/ daß er unten keine Waſſerzweige austreibe/<lb/>
ja ſo bald er beginnet an ſeinem Staͤmmlein Baͤulen<lb/>
und Knoden zu gewinnen/ iſts ein Zeichen/ daß er wolte<lb/>
gern ausſchlagen/ wie er dann auch thut/ wo man ihn<lb/>
nicht verhindert. Dieſe Baͤulen nun/ die inwendig gantz<lb/>
gruͤn und voller Safftes ſind/ muß man bald mit den<lb/>
Naͤgeln abzwicken; wann die Peltzer gar zu hoch auf-<lb/>ſchieſſen/ kan man die ſchwancke Ruten abſtutzen/ und<lb/>
alſo wird der Baum geſtaͤrckt und etwas niedriger er-<lb/>
halten; Wann man aber pruͤfen will/ ob die von guten<lb/>
Kernen geſaͤete Baͤumlein ungepeltzt gute Fruͤchte brin-<lb/>
gen wollen/ muß man ſie das erſtemal nicht zu bald um-<lb/>ſetzen/ ſondern ſie eines guten Daumens dick werden<lb/>
laſſen/ aber das iſt gewiß/ je oͤffter man ſie verſetzet/<lb/>
je beſſer werden ſie/ mit dieſer Obſicht/ daß es <hirendition="#aq">gradatim</hi><lb/>
allzeit in eine beſſere Erde geſchehe. Das Stein-Obſt<lb/>
muß laͤngſt im andern Jahre dahin/ wo es bleiben ſoll/<lb/>
verſetzt ſeyn. So kan auch mit den Kern-Wildlingen<lb/>
dieſe Obſicht gehalten werden/ daß man Acht hat/ wel-<lb/>
che viel Stacheln und Doͤrner haben/ und von Rinden<lb/>
ungeſchlacht ſind/ daß man dieſelbigen abpeltze; diejeni-<lb/>
gen aber/ welche wenig oder gar keine Dornen/ aber ei-<lb/>
ne glatte Rinden weiſen/ mag man wol nur allein ver-<lb/>ſetzen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">Cap.</hi></hi> X.</hi><lb/><hirendition="#fr">Vom Peltzen ins gemein.</hi></head><lb/><cb/><p><hirendition="#in">J</hi>St eine von den ſchoͤneſten/ nutzbarſten/ leich-<lb/>
teſten und verwunderlichſten Kuͤnſten/ von der<lb/>
gantzen <hirendition="#aq">Oeconomia,</hi> eine ſeltſame Zuſammen-<lb/>
heurathung fremder und offt weit hergebrachter Zweige/<lb/>
oder ein <hirendition="#aq">Adoption</hi> und an Kindes ſtatt Annehmung/ daß<lb/>
ein kleines Reislein einem fremdẽ Stam̃en eingepfropfft/<lb/>
oder durch Aeugeln und Roͤhrlen einverleibt/ alſo aus<lb/>
zwey Stucken eines werden/ daß zwar das Unterſte<lb/>
dem Obern allen Safft und Nahrung gibt/ das Obere<lb/>
aber nichts deſto weniger bey der Gattung deſſelbigen<lb/>
Baumes verbleibt/ davon es gebrochen worden; und<lb/>
die fremde ungewohnte Nahrung des Wildlings in ſei-<lb/>
ne edle Natur <hirendition="#aq">per Alchymiam quandam naturalem,<lb/>
diger</hi>irt und veraͤndert. Des Baumes/ ſonderlich des<lb/>
Wildlings Art wird dadurch geadelt/ verbeſſert/ erhoͤ-<lb/>
het/ daß aus einem Sommer-Obſt ein Lager-Obſt;<lb/>
aus einem ſauren ein ſuͤſſes; aus einem wilden ein ge-<lb/>ſchlachtes; aus einem unſchmackhafften ein wolge-<lb/>ſchmackes; aus einem fruͤhen ein ſpates; ja aus einem<lb/>
Kuͤttenſtamm ein Birn- oder Apfelbaum wird/ <hirendition="#aq">& vice<lb/>
verſâ,</hi> alſo daß jener Poet nicht unrecht ſagt:</p><lb/><cb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#aq"><hirendition="#et">inſere ſurculos</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">plantis & arborum caducam</hi></l><lb/><l><hirendition="#et">prole novâ repara ſenectam.</hi></l></lg><lb/><p>Daher dieſe Kunſt nicht allein dem gemeinen Weſen<lb/>
nuͤtzlich/ ſondern auch groſſen Fuͤrſten und Herren an-<lb/>ſtaͤndig und uͤblich iſt. Herr <hirendition="#aq">de Serres</hi> bezeuget/ daß<lb/><hirendition="#aq">Franciſcus I.</hi> Koͤnig in Franckreich unter andern Tu-<lb/>
gendſamen Ubungen/ auch in Peltzung der guten und<lb/>
edlen Obſt-Baͤume wol erfahren und kuͤndig gewe-<lb/>ſen.</p><lb/><p>Jch habe auch ſelbſt vornehme <hirendition="#aq">Cavalier</hi> und <hirendition="#aq">Damas</hi><lb/>
gekennt/ die eine Freude damit gehabt/ und ſich ſelbſt<lb/>
hierinnen <hirendition="#aq">exerci</hi>rt haben. Will die alten Geſchichten<lb/>
von <hirendition="#aq">Cyro, Catone, Attalo, Diocletiano, Conſtanti-<lb/>
no,</hi> und andern tapffern beruͤhmten Leuten/ allhier nicht<lb/>
anziehen/ den Leſer mit unnoͤthigen laͤhren Reden nicht<lb/>
aufzuhalten.</p><lb/><p>Es ſind aber von den bekannteſten und gebraͤuchi-<lb/>ſten Peltzen viererley Arten/ in den Kern/ in die Rin-<lb/>
den/ das Aeugeln/ und das Roͤhrlen; wie nun die erſten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zwey</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[399/0417]
Vierdten Buchs Anderer Theil/ Obſt-Garten.
ſonderlich nahe am Stamm helffen/ damit das Zweig-
lein dem Stammen bald gleich wachſe; Man muß auch
nichts deſto weniger dem untern Stammen/ wann ihn
der Zweig uͤberwachſen wolte/ auch mit ein paar Durch-
ſchnitten/ auf die vorige Weiſe/ nachhelffen/ damit das
Fundament und das Gebaͤu fein uͤberein ſtimme.
Die Zeit zum beſchneiden/ ſetzt Herr de Serres, wann
der Baum im Safft iſt/ vom Ende des Mertzens biß
Anfang des Julii, weil der Safft den Wunden zu Huͤlfe
komme/ und ſie deſto eher ausheile; Wiewol die mei-
ſten andern Authores das Widerſpiel vorgeben/ ſtehet
es doch einem Hausvatter frey/ auf Gutbefund eines
und anders zu erwehlen/ im dritten oder vierdten Jahr
nach ihrer Peltzung koͤnnen ſie an ihre letzte bleibliche
Stelle verſetzt werden/ wann ſie ſchier eines Armsdick
ſind/ oder wenigſt wie ein Stiel an einem Grabſcheid/
ſpaͤter und fruͤher iſt waglich und nicht zu rahten; Etli-
che brauchen gar keine Kern-Schul/ kauffen die Wild-
linge zuſammen/ und ſetzen ſie gerad in ihre Peltz-
Schulen/ laſſen ſie allda ſtehen/ biß ſie einwurtzen/ und
peltzen ſie hernach.
Jch habe zu Klingebrun in Oeſterreich einen Unter-
than/ Mayr im Haag genannt/ gehabt/ der war von
Obſt ſo wol verſehen/ daß er zu guten Jahren 80/ 100
und mehr Eimer Birn- und Aepfel-Moſt hat preſſen
koͤnnen; der hat mir vermeldet/ er nehme die Wildlin-
ge/ die man ihm bringt im Fruͤling/ und die ihm gefal-
len/ und peltze gleich in der Stuben darauf/ ſetze dar-
nach den Wildling und Peltzer miteinander in die Er-
den/ und ſie gedeyen ihm meiſtentheils. Von den Wild-
lingen aber iſt gewiß/ daß mit dem Obſt/ das auf dieſe/
und vom edlen Obſt geſamte und gewachſene Staͤmmlein
gepeltzt wird/ ein mercklicher groſſer Unterſcheid zu fin-
den iſt/ und dieſe an Guͤte und Koͤſtlichkeit jene ſehr weit
uͤbertreffen.
De Serres vermeint/ wann man einen Baum oͤff-
ter als einmal/ und das erſtemal nahend bey der Erden/
mit einem Zweiglein in den Spalt/ das andere Jahr
darauf vier Finger hoͤher/ abermal/ und alſo zum vier-
tenmal abpeltzet/ ſoll das Obſt viel vollkommener und
beſſer werden; Wer aber die Gedult nicht hat/ ſo lang
zu warten/ kan ein Staͤmmlein das erſte Jahr nur in
den Spalt peltzen; das andere Jahr aber aͤugeln oder
roͤhrlen/ wiewol dieſe Art des Pfropfens fuͤr Pferſich
und Marillen am dienlichſten iſt. Vermeldet auch wol-
beſagter Herr de Serres, daß dieſes oͤffters wiederhol-
te Peltzen die Baͤumlein am Wachsthum nicht allein
nicht verhindere/ ſondern vielmehr befoͤrdere. Auf den
Wildling/ darauf gepeltzt worden/ muß wol Acht ge-
geben ſeyn/ daß er unten keine Waſſerzweige austreibe/
ja ſo bald er beginnet an ſeinem Staͤmmlein Baͤulen
und Knoden zu gewinnen/ iſts ein Zeichen/ daß er wolte
gern ausſchlagen/ wie er dann auch thut/ wo man ihn
nicht verhindert. Dieſe Baͤulen nun/ die inwendig gantz
gruͤn und voller Safftes ſind/ muß man bald mit den
Naͤgeln abzwicken; wann die Peltzer gar zu hoch auf-
ſchieſſen/ kan man die ſchwancke Ruten abſtutzen/ und
alſo wird der Baum geſtaͤrckt und etwas niedriger er-
halten; Wann man aber pruͤfen will/ ob die von guten
Kernen geſaͤete Baͤumlein ungepeltzt gute Fruͤchte brin-
gen wollen/ muß man ſie das erſtemal nicht zu bald um-
ſetzen/ ſondern ſie eines guten Daumens dick werden
laſſen/ aber das iſt gewiß/ je oͤffter man ſie verſetzet/
je beſſer werden ſie/ mit dieſer Obſicht/ daß es gradatim
allzeit in eine beſſere Erde geſchehe. Das Stein-Obſt
muß laͤngſt im andern Jahre dahin/ wo es bleiben ſoll/
verſetzt ſeyn. So kan auch mit den Kern-Wildlingen
dieſe Obſicht gehalten werden/ daß man Acht hat/ wel-
che viel Stacheln und Doͤrner haben/ und von Rinden
ungeſchlacht ſind/ daß man dieſelbigen abpeltze; diejeni-
gen aber/ welche wenig oder gar keine Dornen/ aber ei-
ne glatte Rinden weiſen/ mag man wol nur allein ver-
ſetzen.
Cap. X.
Vom Peltzen ins gemein.
JSt eine von den ſchoͤneſten/ nutzbarſten/ leich-
teſten und verwunderlichſten Kuͤnſten/ von der
gantzen Oeconomia, eine ſeltſame Zuſammen-
heurathung fremder und offt weit hergebrachter Zweige/
oder ein Adoption und an Kindes ſtatt Annehmung/ daß
ein kleines Reislein einem fremdẽ Stam̃en eingepfropfft/
oder durch Aeugeln und Roͤhrlen einverleibt/ alſo aus
zwey Stucken eines werden/ daß zwar das Unterſte
dem Obern allen Safft und Nahrung gibt/ das Obere
aber nichts deſto weniger bey der Gattung deſſelbigen
Baumes verbleibt/ davon es gebrochen worden; und
die fremde ungewohnte Nahrung des Wildlings in ſei-
ne edle Natur per Alchymiam quandam naturalem,
digerirt und veraͤndert. Des Baumes/ ſonderlich des
Wildlings Art wird dadurch geadelt/ verbeſſert/ erhoͤ-
het/ daß aus einem Sommer-Obſt ein Lager-Obſt;
aus einem ſauren ein ſuͤſſes; aus einem wilden ein ge-
ſchlachtes; aus einem unſchmackhafften ein wolge-
ſchmackes; aus einem fruͤhen ein ſpates; ja aus einem
Kuͤttenſtamm ein Birn- oder Apfelbaum wird/ & vice
verſâ, alſo daß jener Poet nicht unrecht ſagt:
inſere ſurculos
plantis & arborum caducam
prole novâ repara ſenectam.
Daher dieſe Kunſt nicht allein dem gemeinen Weſen
nuͤtzlich/ ſondern auch groſſen Fuͤrſten und Herren an-
ſtaͤndig und uͤblich iſt. Herr de Serres bezeuget/ daß
Franciſcus I. Koͤnig in Franckreich unter andern Tu-
gendſamen Ubungen/ auch in Peltzung der guten und
edlen Obſt-Baͤume wol erfahren und kuͤndig gewe-
ſen.
Jch habe auch ſelbſt vornehme Cavalier und Damas
gekennt/ die eine Freude damit gehabt/ und ſich ſelbſt
hierinnen exercirt haben. Will die alten Geſchichten
von Cyro, Catone, Attalo, Diocletiano, Conſtanti-
no, und andern tapffern beruͤhmten Leuten/ allhier nicht
anziehen/ den Leſer mit unnoͤthigen laͤhren Reden nicht
aufzuhalten.
Es ſind aber von den bekannteſten und gebraͤuchi-
ſten Peltzen viererley Arten/ in den Kern/ in die Rin-
den/ das Aeugeln/ und das Roͤhrlen; wie nun die erſten
zwey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/417>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.