Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Liebe zwischen Graf Bald. und Judith in Flandern/ war nicht allein wegen seiner Leibes-gestalt/ sondern auch wegen seiner Fürtrefflig- keit in Rittermässigen Ubungen/ einer von den Berühmtesten seiner Zeiten. König Carl in Franckreich/ ingemein der kahle geheissen/ wie auch sein Sohn Ludovic/ bedienten sich ge- dachten Heldens Tapfferkeit/ in dem Kriege ge- gen die Nordmänner; und die Saracenen erfuh- ren/ daß er nicht minder wieder Auß-als Jnlän- dische Glück hätte. Bey dieser Gelegenheit konte er sich der Liebe nicht erwehren/ wiewohl er seiner angebohrnen Hohheit nach/ Augen und Hertz allezeit nach dem Purpur wendete/ und ihm die Königs Farbe der brennenden Liebe am mei- sten gefallen lies. Die gröste Meisterin seiner Seele war Judith hochgedachten Königs Carls Tochter. Er liebete sie als Fräulein in ihres Vatern Hofe/ wiewol in höchster Behutsamkeit/ konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden/ biß Adolph König in Engelland sie zu einer Frau/ und der Todt ihres Gemahls sie zu einer Wittib ge- macht hatte: Da denn die alten Funcken/ bey Balduin wieder herfür brachen. Wie er nun sein Anliegen schriftlich erfrischet/ also erkühnte er sich diese verwittibte inbrünstig zuersuchen/ sich mit ehester Gelegenheit nach ihres Vatern Reich zumachen/ da er dann/ dafern es ihr nicht gäntzlich ent- E 4
Liebe zwiſchen Graf Bald. und Judith in Flandern/ war nicht allein wegen ſeiner Leibes-geſtalt/ ſondern auch wegen ſeiner Fuͤrtrefflig- keit in Rittermaͤſſigen Ubungen/ einer von den Beruͤhmteſten ſeiner Zeiten. Koͤnig Carl in Franckreich/ ingemein der kahle geheiſſen/ wie auch ſein Sohn Ludovic/ bedienten ſich ge- dachten Heldens Tapfferkeit/ in dem Kriege ge- gen die Nordmaͤnner; und die Saracenen erfuh- ren/ daß er nicht minder wieder Auß-als Jnlaͤn- diſche Gluͤck haͤtte. Bey dieſer Gelegenheit konte er ſich der Liebe nicht erwehren/ wiewohl er ſeiner angebohrnen Hohheit nach/ Augen und Hertz allezeit nach dem Purpur wendete/ und ihm die Koͤnigs Farbe der brennenden Liebe am mei- ſten gefallen lies. Die groͤſte Meiſterin ſeiner Seele war Judith hochgedachten Koͤnigs Carls Tochter. Er liebete ſie als Fraͤulein in ihres Vatern Hofe/ wiewol in hoͤchſter Behutſamkeit/ konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden/ biß Adolph Koͤnig in Engelland ſie zu einer Frau/ und der Todt ihres Gemahls ſie zu einer Wittib ge- macht hatte: Da denn die alten Funcken/ bey Balduin wieder herfuͤr brachen. Wie er nun ſein Anliegen ſchriftlich erfriſchet/ alſo erkuͤhnte er ſich dieſe verwittibte inbruͤnſtig zuerſuchen/ ſich mit eheſter Gelegenheit nach ihres Vatern Reich zumachen/ da er dann/ dafern es ihr nicht gaͤntzlich ent- E 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0495" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Liebe zwiſchen Graf Bald. und Judith</hi></fw><lb/> in Flandern/ war nicht allein wegen ſeiner Leibes-<lb/> geſtalt/ ſondern auch wegen ſeiner Fuͤrtrefflig-<lb/> keit in Rittermaͤſſigen Ubungen/ einer von den<lb/> Beruͤhmteſten ſeiner Zeiten. Koͤnig Carl in<lb/> Franckreich/ ingemein der kahle geheiſſen/ wie<lb/> auch ſein Sohn Ludovic/ bedienten ſich ge-<lb/> dachten Heldens Tapfferkeit/ in dem Kriege ge-<lb/> gen die Nordmaͤnner; und die Saracenen erfuh-<lb/> ren/ daß er nicht minder wieder Auß-als Jnlaͤn-<lb/> diſche Gluͤck haͤtte. Bey dieſer Gelegenheit<lb/> konte er ſich der Liebe nicht erwehren/ wiewohl er<lb/> ſeiner angebohrnen Hohheit nach/ Augen und<lb/> Hertz allezeit nach dem Purpur wendete/ und ihm<lb/> die Koͤnigs Farbe der brennenden Liebe am mei-<lb/> ſten gefallen lies. Die groͤſte Meiſterin ſeiner<lb/> Seele war Judith hochgedachten Koͤnigs Carls<lb/> Tochter. Er liebete ſie als Fraͤulein in ihres<lb/> Vatern Hofe/ wiewol in hoͤchſter Behutſamkeit/<lb/> konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden/ biß<lb/> Adolph Koͤnig in Engelland ſie zu einer Frau/ und<lb/> der Todt ihres Gemahls ſie zu einer Wittib ge-<lb/> macht hatte: Da denn die alten Funcken/ bey<lb/> Balduin wieder herfuͤr brachen. Wie er nun<lb/> ſein Anliegen ſchriftlich erfriſchet/ alſo erkuͤhnte er<lb/> ſich dieſe verwittibte inbruͤnſtig zuerſuchen/ ſich<lb/> mit eheſter Gelegenheit nach ihres Vatern Reich<lb/> zumachen/ da er dann/ dafern es ihr nicht gaͤntzlich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ent-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0495]
Liebe zwiſchen Graf Bald. und Judith
in Flandern/ war nicht allein wegen ſeiner Leibes-
geſtalt/ ſondern auch wegen ſeiner Fuͤrtrefflig-
keit in Rittermaͤſſigen Ubungen/ einer von den
Beruͤhmteſten ſeiner Zeiten. Koͤnig Carl in
Franckreich/ ingemein der kahle geheiſſen/ wie
auch ſein Sohn Ludovic/ bedienten ſich ge-
dachten Heldens Tapfferkeit/ in dem Kriege ge-
gen die Nordmaͤnner; und die Saracenen erfuh-
ren/ daß er nicht minder wieder Auß-als Jnlaͤn-
diſche Gluͤck haͤtte. Bey dieſer Gelegenheit
konte er ſich der Liebe nicht erwehren/ wiewohl er
ſeiner angebohrnen Hohheit nach/ Augen und
Hertz allezeit nach dem Purpur wendete/ und ihm
die Koͤnigs Farbe der brennenden Liebe am mei-
ſten gefallen lies. Die groͤſte Meiſterin ſeiner
Seele war Judith hochgedachten Koͤnigs Carls
Tochter. Er liebete ſie als Fraͤulein in ihres
Vatern Hofe/ wiewol in hoͤchſter Behutſamkeit/
konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden/ biß
Adolph Koͤnig in Engelland ſie zu einer Frau/ und
der Todt ihres Gemahls ſie zu einer Wittib ge-
macht hatte: Da denn die alten Funcken/ bey
Balduin wieder herfuͤr brachen. Wie er nun
ſein Anliegen ſchriftlich erfriſchet/ alſo erkuͤhnte er
ſich dieſe verwittibte inbruͤnſtig zuerſuchen/ ſich
mit eheſter Gelegenheit nach ihres Vatern Reich
zumachen/ da er dann/ dafern es ihr nicht gaͤntzlich
ent-
E 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/495 |
Zitationshilfe: | Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/495>, abgerufen am 17.07.2024. |