Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite
Socrates.
Betrachte doch einen Ort in dem Homerus/ da
Ulysses etwan von einerley Unruhigung bestritten/
durch Anleitung der Vernunfft seiner Hertzhafftig-
keit zuspricht/ und wie es scheinet/ ein Theil der
Seelen mit der andern reden läst; wie er dann auf
die Brust schlagende/ folgender Gestalt zu reden
beginnet:

Jst die Beständigkeit gestorben?
Schläfft mir dann heute Krafft und Muth?
Mein Hertze rühre deine Glut/
Und zeige dich nicht gantz verdorben;
Wie daß dir diß so bange thut/
Damit du vormals Ruhm erworben?
Glaubest du Simias/ daß Homerus/ wann er
die Seele für eine Zusammenstimmung und ein
Wesen/ so den Regungen des Leibes unterworffen/
gehalten/ so würde geredet haben/ oder daß er sie
vor etwas göttlichers und höhers angesehen. Er
meinte sonder Zweiffel/ sagte Simias/ daß die
Seele etwas göttlichers als eine Einstimmung
sey; So würde es uns dann auf daß höchste für un-
gut gehalten werden/ antwortete Socrates/ wann
wir die Seele vor etwas anders ansehen/ und dem
Homerus/ ja uns selbsten dergestalt zu wider leben
wolten. Es ist die Warheit/ sagte Simias/ ich
bin zu frieden.

So brach/ wiewol mit Schwerigkeit/
Das Licht noch endlich durch die Nacht/
Und der Thebaner harter Streit
Ward also von uns weg gebracht.
Du
Socrates.
Betrachte doch einen Ort in dem Homerus/ da
Ulyſſes etwan von einerley Unruhigung beſtritten/
durch Anleitung der Vernunfft ſeiner Hertzhafftig-
keit zuſpricht/ und wie es ſcheinet/ ein Theil der
Seelen mit der andern reden laͤſt; wie er dann auf
die Bruſt ſchlagende/ folgender Geſtalt zu reden
beginnet:

Jſt die Beſtaͤndigkeit geſtorben?
Schlaͤfft mir dann heute Krafft und Muth?
Mein Hertze ruͤhre deine Glut/
Und zeige dich nicht gantz verdorben;
Wie daß dir diß ſo bange thut/
Damit du vormals Ruhm erworben?
Glaubeſt du Simias/ daß Homerus/ wann er
die Seele fuͤr eine Zuſammenſtimmung und ein
Weſen/ ſo den Regungen des Leibes unterworffen/
gehalten/ ſo wuͤrde geredet haben/ oder daß er ſie
vor etwas goͤttlichers und hoͤhers angeſehen. Er
meinte ſonder Zweiffel/ ſagte Simias/ daß die
Seele etwas goͤttlichers als eine Einſtimmung
ſey; So wuͤrde es uns dann auf daß hoͤchſte fuͤr un-
gut gehalten werden/ antwortete Socrates/ wann
wir die Seele vor etwas anders anſehen/ und dem
Homerus/ ja uns ſelbſten dergeſtalt zu wider leben
wolten. Es iſt die Warheit/ ſagte Simias/ ich
bin zu frieden.

So brach/ wiewol mit Schwerigkeit/
Das Licht noch endlich durch die Nacht/
Und der Thebaner harter Streit
Ward alſo von uns weg gebracht.
Du
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SOC">
          <pb facs="#f0345" n="87"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Socrates.</hi> </fw><lb/>
          <p>Betrachte doch einen Ort in dem Homerus/ da<lb/>
Uly&#x017F;&#x017F;es etwan von einerley Unruhigung be&#x017F;tritten/<lb/>
durch Anleitung der Vernunfft &#x017F;einer Hertzhafftig-<lb/>
keit zu&#x017F;pricht/ und wie es &#x017F;cheinet/ ein Theil der<lb/>
Seelen mit der andern reden la&#x0364;&#x017F;t; wie er dann auf<lb/>
die Bru&#x017F;t &#x017F;chlagende/ folgender Ge&#x017F;talt zu reden<lb/>
beginnet:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>J&#x017F;t die Be&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit ge&#x017F;torben?</l><lb/>
            <l>Schla&#x0364;fft mir dann heute Krafft und Muth?</l><lb/>
            <l>Mein Hertze ru&#x0364;hre deine Glut/</l><lb/>
            <l>Und zeige dich nicht gantz verdorben;</l><lb/>
            <l>Wie daß dir diß &#x017F;o bange thut/</l><lb/>
            <l>Damit du vormals Ruhm erworben?</l>
          </lg><lb/>
          <p>Glaube&#x017F;t du Simias/ daß Homerus/ wann er<lb/>
die Seele fu&#x0364;r eine Zu&#x017F;ammen&#x017F;timmung und ein<lb/>
We&#x017F;en/ &#x017F;o den Regungen des Leibes unterworffen/<lb/>
gehalten/ &#x017F;o wu&#x0364;rde geredet haben/ oder daß er &#x017F;ie<lb/>
vor etwas go&#x0364;ttlichers und ho&#x0364;hers ange&#x017F;ehen. Er<lb/>
meinte &#x017F;onder Zweiffel/ &#x017F;agte Simias/ daß die<lb/>
Seele etwas go&#x0364;ttlichers als eine Ein&#x017F;timmung<lb/>
&#x017F;ey; So wu&#x0364;rde es uns dann auf daß ho&#x0364;ch&#x017F;te fu&#x0364;r un-<lb/>
gut gehalten werden/ antwortete Socrates/ wann<lb/>
wir die Seele vor etwas anders an&#x017F;ehen/ und dem<lb/>
Homerus/ ja uns &#x017F;elb&#x017F;ten derge&#x017F;talt zu wider leben<lb/>
wolten. Es i&#x017F;t die Warheit/ &#x017F;agte Simias/ ich<lb/>
bin zu frieden.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>So brach/ wiewol mit Schwerigkeit/</l><lb/>
            <l>Das Licht noch endlich durch die Nacht/</l><lb/>
            <l>Und der Thebaner harter Streit</l><lb/>
            <l>Ward al&#x017F;o von uns weg gebracht.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0345] Socrates. Betrachte doch einen Ort in dem Homerus/ da Ulyſſes etwan von einerley Unruhigung beſtritten/ durch Anleitung der Vernunfft ſeiner Hertzhafftig- keit zuſpricht/ und wie es ſcheinet/ ein Theil der Seelen mit der andern reden laͤſt; wie er dann auf die Bruſt ſchlagende/ folgender Geſtalt zu reden beginnet: Jſt die Beſtaͤndigkeit geſtorben? Schlaͤfft mir dann heute Krafft und Muth? Mein Hertze ruͤhre deine Glut/ Und zeige dich nicht gantz verdorben; Wie daß dir diß ſo bange thut/ Damit du vormals Ruhm erworben? Glaubeſt du Simias/ daß Homerus/ wann er die Seele fuͤr eine Zuſammenſtimmung und ein Weſen/ ſo den Regungen des Leibes unterworffen/ gehalten/ ſo wuͤrde geredet haben/ oder daß er ſie vor etwas goͤttlichers und hoͤhers angeſehen. Er meinte ſonder Zweiffel/ ſagte Simias/ daß die Seele etwas goͤttlichers als eine Einſtimmung ſey; So wuͤrde es uns dann auf daß hoͤchſte fuͤr un- gut gehalten werden/ antwortete Socrates/ wann wir die Seele vor etwas anders anſehen/ und dem Homerus/ ja uns ſelbſten dergeſtalt zu wider leben wolten. Es iſt die Warheit/ ſagte Simias/ ich bin zu frieden. So brach/ wiewol mit Schwerigkeit/ Das Licht noch endlich durch die Nacht/ Und der Thebaner harter Streit Ward alſo von uns weg gebracht. Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/345
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/345>, abgerufen am 23.11.2024.