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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Der sterbende
Du wirst alle zeit erfahren/ daß fortrefliche Sa-
chen ungemein/ uud mittelmäßige hergegen gemein
seyn. Denn wann gleich Jupiter wegen Verü-
bung allerhand Boßheit und Argens/ etwan einen
Preiß aufsätzen wolte/ so würden doch wenig recht
hoch darinnen steigen/ und vollkommen leichtfertig
seyn.

Wann Phoebus Thron der bösen Sachen/
Sich zur Belohnung wolte machen/
Und auf Betrügerey und Brand/
Ein Kleinoth und Geschencke stellte/
So weiß ich/ daß kein Hertz und Hand
Sich zu den Lastern recht gesellte.
Jst das nicht deine Meinung mein Phädon?
Wie anders/ antwortete ich darauf. Wolan dann/
sagte er wiederum; Doch ist unter den Beweiß-
Gründen und den Menschen ein mercklicher Unter-
scheid/ in dem solche nicht so unter schiedlich/ und un-
gemein in ihrer Vortreflichkeit sind/ als wir itzund
von den Menschen gedacht haben. Doch in diesem
allem nach deiner Meinung zu reden; wie nun/ daß
wir bey unserem Gleichniß bleiben/ und wie wir all-
bereit zuvor gedacht haben/ ein grosser Kunstgrieff
ist/ sich der Menschen recht zu bedienen/ und solche/
daß man nicht betrogen werde/ recht zu erkennen;
So ist es gleichfals eine ausbündige Geschickligkeit/
sich eines Beweiß-Grundes recht zugebrauchen/
und seine rechte Eigenschafft zu wissen. Man kan
gar leichtlich/ wann man etwas vor gewiß hält/ und
auf einen Beweiß-Grund/ ohne richtige Wissen-
schafft
Der ſterbende
Du wirſt alle zeit erfahren/ daß fortrefliche Sa-
chen ungemein/ uud mittelmaͤßige hergegen gemein
ſeyn. Denn wann gleich Jupiter wegen Veruͤ-
bung allerhand Boßheit und Argens/ etwan einen
Preiß aufſaͤtzen wolte/ ſo wuͤrden doch wenig recht
hoch darinnen ſteigen/ und vollkommen leichtfertig
ſeyn.

Wann Phoebus Thron der boͤſen Sachen/
Sich zur Belohnung wolte machen/
Und auf Betruͤgerey und Brand/
Ein Kleinoth und Geſchencke ſtellte/
So weiß ich/ daß kein Hertz und Hand
Sich zu den Laſtern recht geſellte.
Jſt das nicht deine Meinung mein Phaͤdon?
Wie anders/ antwortete ich darauf. Wolan dann/
ſagte er wiederum; Doch iſt unter den Beweiß-
Gruͤnden und den Menſchen ein mercklicher Unter-
ſcheid/ in dem ſolche nicht ſo unter ſchiedlich/ und un-
gemein in ihrer Vortreflichkeit ſind/ als wir itzund
von den Menſchen gedacht haben. Doch in dieſem
allem nach deiner Meinung zu reden; wie nun/ daß
wir bey unſerem Gleichniß bleiben/ und wie wir all-
bereit zuvor gedacht haben/ ein groſſer Kunſtgrieff
iſt/ ſich der Menſchen recht zu bedienen/ und ſolche/
daß man nicht betrogen werde/ recht zu erkennen;
So iſt es gleichfals eine ausbuͤndige Geſchickligkeit/
ſich eines Beweiß-Grundes recht zugebrauchen/
und ſeine rechte Eigenſchafft zu wiſſen. Man kan
gar leichtlich/ wann man etwas vor gewiß haͤlt/ und
auf einen Beweiß-Grund/ ohne richtige Wiſſen-
ſchafft
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[74/0332] Der ſterbende Du wirſt alle zeit erfahren/ daß fortrefliche Sa- chen ungemein/ uud mittelmaͤßige hergegen gemein ſeyn. Denn wann gleich Jupiter wegen Veruͤ- bung allerhand Boßheit und Argens/ etwan einen Preiß aufſaͤtzen wolte/ ſo wuͤrden doch wenig recht hoch darinnen ſteigen/ und vollkommen leichtfertig ſeyn. Wann Phoebus Thron der boͤſen Sachen/ Sich zur Belohnung wolte machen/ Und auf Betruͤgerey und Brand/ Ein Kleinoth und Geſchencke ſtellte/ So weiß ich/ daß kein Hertz und Hand Sich zu den Laſtern recht geſellte. Jſt das nicht deine Meinung mein Phaͤdon? Wie anders/ antwortete ich darauf. Wolan dann/ ſagte er wiederum; Doch iſt unter den Beweiß- Gruͤnden und den Menſchen ein mercklicher Unter- ſcheid/ in dem ſolche nicht ſo unter ſchiedlich/ und un- gemein in ihrer Vortreflichkeit ſind/ als wir itzund von den Menſchen gedacht haben. Doch in dieſem allem nach deiner Meinung zu reden; wie nun/ daß wir bey unſerem Gleichniß bleiben/ und wie wir all- bereit zuvor gedacht haben/ ein groſſer Kunſtgrieff iſt/ ſich der Menſchen recht zu bedienen/ und ſolche/ daß man nicht betrogen werde/ recht zu erkennen; So iſt es gleichfals eine ausbuͤndige Geſchickligkeit/ ſich eines Beweiß-Grundes recht zugebrauchen/ und ſeine rechte Eigenſchafft zu wiſſen. Man kan gar leichtlich/ wann man etwas vor gewiß haͤlt/ und auf einen Beweiß-Grund/ ohne richtige Wiſſen- ſchafft

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/332>, abgerufen am 23.11.2024.