Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Der sterbende Eh sie bezog des Leibes Haus/Was kan man wol hieraus ermessen. entdecken/ mit was vor Gründen du diese Meinung wol behaupten wollest. Schaue dessen einen schö- nen Grund/ antwortete Cebes/ daß die Menschen/ wann man sie etwas fraget/ so fern nur einer solches verständlicher massen fürzutragen weiß/ gereimet darauf antworten/ und der Sache ein Genügen thun/ welches ihnen zu leisten unmöglichen wäre/ wann ihrem Gemüthe nicht eine richtige Wissen- schafft und vollkommene Vernunfft beywohnete/ wie man dann auch/ wann sie zu den unterschiedlichen Satzungen und Formen der Meßkunst geführet werden/ augenscheinlich sehen wird/ daß unsere Gemüther allbereit einen gewissen Vorschmack haben. Wann durch der Götter Glut und Flammen/ Der Beweiß/ welchen Cebes anführete/ thatUnd eine nicht bekante Macht/ Der Seelen Kräfften gantz zusammen Sind in den Klöß des Leibes bracht/ So spührt man wie durch Freundschaffts Wercke/ So unser Geist nicht an sich hält/ Gar vieler Weißheit/ Macht und Stärcke/ Jn Eil zusammen sich gesellt. den Simias genung/ und verändert ihm dergestalt Sinnen und Gedancken/ daß er nunmehr gestehen muste/ wie unser Lernen nichts anders als eine Erin- nerung wäre. Jedennoch trug er Belieben auch den So-
Der ſterbende Eh ſie bezog des Leibes Haus/Was kan man wol hieraus ermeſſen. entdecken/ mit was vor Gruͤnden du dieſe Meinung wol behaupten wolleſt. Schaue deſſen einen ſchoͤ- nen Grund/ antwortete Cebes/ daß die Menſchen/ wann man ſie etwas fraget/ ſo fern nur einer ſolches verſtaͤndlicher maſſen fuͤrzutragen weiß/ gereimet darauf antworten/ und der Sache ein Genuͤgen thun/ welches ihnen zu leiſten unmoͤglichen waͤre/ wann ihrem Gemuͤthe nicht eine richtige Wiſſen- ſchafft und vollkommene Vernunfft beywohnete/ wie man dann auch/ wann ſie zu den unterſchiedlichen Satzungen und Formen der Meßkunſt gefuͤhret werden/ augenſcheinlich ſehen wird/ daß unſere Gemuͤther allbereit einen gewiſſen Vorſchmack haben. Wann durch der Goͤtter Glut und Flammen/ Der Beweiß/ welchen Cebes anfuͤhrete/ thatUnd eine nicht bekante Macht/ Der Seelen Kraͤfften gantz zuſammen Sind in den Kloͤß des Leibes bracht/ So ſpuͤhrt man wie durch Freundſchaffts Wercke/ So unſer Geiſt nicht an ſich haͤlt/ Gar vieler Weißheit/ Macht und Staͤrcke/ Jn Eil zuſammen ſich geſellt. den Simias genung/ und veraͤndert ihm dergeſtalt Sinnen und Gedancken/ daß er nunmehr geſtehen muſte/ wie unſer Lernen nichts anders als eine Erin- nerung waͤre. Jedennoch trug er Belieben auch den So-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SIM"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0294" n="36"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der ſterbende</hi> </fw><lb/> <l>Eh ſie bezog des Leibes Haus/</l><lb/> <l>Was kan man wol hieraus ermeſſen.</l> </lg><lb/> <p>Sey gebeten mein Cebes/ ſagte Simias/ mir zu<lb/> entdecken/ mit was vor Gruͤnden du dieſe Meinung<lb/> wol behaupten wolleſt. Schaue deſſen einen ſchoͤ-<lb/> nen Grund/ antwortete Cebes/ daß die Menſchen/<lb/> wann man ſie etwas fraget/ ſo fern nur einer ſolches<lb/> verſtaͤndlicher maſſen fuͤrzutragen weiß/ gereimet<lb/> darauf antworten/ und der Sache ein Genuͤgen<lb/> thun/ welches ihnen zu leiſten unmoͤglichen waͤre/<lb/> wann ihrem Gemuͤthe nicht eine richtige Wiſſen-<lb/> ſchafft und vollkommene Vernunfft beywohnete/ wie<lb/> man dann auch/ wann ſie zu den unterſchiedlichen<lb/> Satzungen und Formen der Meßkunſt gefuͤhret<lb/> werden/ augenſcheinlich ſehen wird/ daß unſere<lb/> Gemuͤther allbereit einen gewiſſen Vorſchmack<lb/> haben.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wann durch der Goͤtter Glut und Flammen/</l><lb/> <l>Und eine nicht bekante Macht/</l><lb/> <l>Der Seelen Kraͤfften gantz zuſammen</l><lb/> <l>Sind in den Kloͤß des Leibes bracht/</l><lb/> <l>So ſpuͤhrt man wie durch Freundſchaffts Wercke/</l><lb/> <l>So unſer Geiſt nicht an ſich haͤlt/</l><lb/> <l>Gar vieler Weißheit/ Macht und Staͤrcke/</l><lb/> <l>Jn Eil zuſammen ſich geſellt.</l> </lg><lb/> <p>Der Beweiß/ welchen Cebes anfuͤhrete/ that<lb/> den Simias genung/ und veraͤndert ihm dergeſtalt<lb/> Sinnen und Gedancken/ daß er nunmehr geſtehen<lb/> muſte/ wie unſer Lernen nichts anders als eine Erin-<lb/> nerung waͤre. Jedennoch trug er Belieben auch den<lb/> <fw place="bottom" type="catch">So-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [36/0294]
Der ſterbende
Eh ſie bezog des Leibes Haus/
Was kan man wol hieraus ermeſſen.
Sey gebeten mein Cebes/ ſagte Simias/ mir zu
entdecken/ mit was vor Gruͤnden du dieſe Meinung
wol behaupten wolleſt. Schaue deſſen einen ſchoͤ-
nen Grund/ antwortete Cebes/ daß die Menſchen/
wann man ſie etwas fraget/ ſo fern nur einer ſolches
verſtaͤndlicher maſſen fuͤrzutragen weiß/ gereimet
darauf antworten/ und der Sache ein Genuͤgen
thun/ welches ihnen zu leiſten unmoͤglichen waͤre/
wann ihrem Gemuͤthe nicht eine richtige Wiſſen-
ſchafft und vollkommene Vernunfft beywohnete/ wie
man dann auch/ wann ſie zu den unterſchiedlichen
Satzungen und Formen der Meßkunſt gefuͤhret
werden/ augenſcheinlich ſehen wird/ daß unſere
Gemuͤther allbereit einen gewiſſen Vorſchmack
haben.
Wann durch der Goͤtter Glut und Flammen/
Und eine nicht bekante Macht/
Der Seelen Kraͤfften gantz zuſammen
Sind in den Kloͤß des Leibes bracht/
So ſpuͤhrt man wie durch Freundſchaffts Wercke/
So unſer Geiſt nicht an ſich haͤlt/
Gar vieler Weißheit/ Macht und Staͤrcke/
Jn Eil zuſammen ſich geſellt.
Der Beweiß/ welchen Cebes anfuͤhrete/ that
den Simias genung/ und veraͤndert ihm dergeſtalt
Sinnen und Gedancken/ daß er nunmehr geſtehen
muſte/ wie unſer Lernen nichts anders als eine Erin-
nerung waͤre. Jedennoch trug er Belieben auch den
So-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |