Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Der sterbende Und ist also gar nicht zu vermuthen/ daß ein Wei-ser/ weil er in die rechte Weißheit/ die er erst nach dem Tode geniessen kan/ inbrünstig verliebet ist/ sich zu sterben solte verdriessen lassen. Wie dann auch hergegen leicht zu ermessen ist/ daß die jenigen/ so das Leben alzusehr lieben/ und ohne grosses Be- schwerniß es nicht verlassen können/ keines weges rechte Weise seyn können. Der Weise läst mit Lust das unbequeme Band/ Der jenige so sich zu sehr nach dem Leben sehnet/Und ist fast nichts bestürtzt zu lassen Leut und Land/ Darnach der Geitzhalß trachtet. Denn wer das Leben schleust mit Unmuth und Verdruß/ Der hat nicht recht gelernt den angenehmen Schluß/ Den bloß ein Weiser achtet. giebet sattsamlich zu verstehen/ daß er weniger der Weißheit/ als der Liebe/ oder des Geld und Ehr- geitzes beflissen ist. Jm übrigen so gehören die Tu- genden dem Betrübnisse zu widerstehen/ und die Wollüste zu überwinden/ unter welchen man die ei- ne Großmühtigkeit/ und die andere Mäßigkeit nen- ner/ eigentlich und alleine den Weisen zu. Dann in andere Leute Gemüthe würde man eben diese Tugenden ungereimt und mangelhafft befinden; dieweil solche den Tod vor das gröste Unheil unter der Sonnen halten/ ja wenn sie sich etwan demsel- ben mit Gleichmühtigkeit unterwerffen/ und ihm ohne Schrecken unter Augen gehen/ es mehrenteils aus Argwon eines grösseren Ungemachs herrühret/ und/ so zusagen/ einer Nothkünheit ähnlich siehet. Was
Der ſterbende Und iſt alſo gar nicht zu vermuthen/ daß ein Wei-ſer/ weil er in die rechte Weißheit/ die er erſt nach dem Tode genieſſen kan/ inbruͤnſtig verliebet iſt/ ſich zu ſterben ſolte verdrieſſen laſſen. Wie dann auch hergegen leicht zu ermeſſen iſt/ daß die jenigen/ ſo das Leben alzuſehr lieben/ und ohne groſſes Be- ſchwerniß es nicht verlaſſen koͤnnen/ keines weges rechte Weiſe ſeyn koͤnnen. Der Weiſe laͤſt mit Luſt das unbequeme Band/ Der jenige ſo ſich zu ſehr nach dem Leben ſehnet/Und iſt faſt nichts beſtuͤrtzt zu laſſen Leut und Land/ Darnach der Geitzhalß trachtet. Denn wer das Leben ſchleuſt mit Unmuth und Verdruß/ Der hat nicht recht gelernt den angenehmen Schluß/ Den bloß ein Weiſer achtet. giebet ſattſamlich zu verſtehen/ daß er weniger der Weißheit/ als der Liebe/ oder des Geld und Ehr- geitzes befliſſen iſt. Jm uͤbrigen ſo gehoͤren die Tu- genden dem Betruͤbniſſe zu widerſtehen/ und die Wolluͤſte zu uͤberwinden/ unter welchen man die ei- ne Großmuͤhtigkeit/ und die andere Maͤßigkeit nen- ner/ eigentlich und alleine den Weiſen zu. Dann in andere Leute Gemuͤthe wuͤrde man eben dieſe Tugenden ungereimt und mangelhafft befinden; dieweil ſolche den Tod vor das groͤſte Unheil unter der Sonnen halten/ ja wenn ſie ſich etwan demſel- ben mit Gleichmuͤhtigkeit unterwerffen/ und ihm ohne Schrecken unter Augen gehen/ es mehrenteils aus Argwon eines groͤſſeren Ungemachs herruͤhret/ und/ ſo zuſagen/ einer Nothkuͤnheit aͤhnlich ſiehet. Was
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SIM"> <pb facs="#f0284" n="26"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der ſterbende</hi> </fw><lb/> <p>Und iſt alſo gar nicht zu vermuthen/ daß ein Wei-<lb/> ſer/ weil er in die rechte Weißheit/ die er erſt nach<lb/> dem Tode genieſſen kan/ inbruͤnſtig verliebet iſt/ ſich<lb/> zu ſterben ſolte verdrieſſen laſſen. Wie dann auch<lb/> hergegen leicht zu ermeſſen iſt/ daß die jenigen/ ſo<lb/> das Leben alzuſehr lieben/ und ohne groſſes Be-<lb/> ſchwerniß es nicht verlaſſen koͤnnen/ keines weges<lb/> rechte Weiſe ſeyn koͤnnen.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Der Weiſe laͤſt mit Luſt das unbequeme Band/</l><lb/> <l>Und iſt faſt nichts beſtuͤrtzt zu laſſen Leut und Land/</l><lb/> <l>Darnach der Geitzhalß trachtet.</l><lb/> <l>Denn wer das Leben ſchleuſt mit Unmuth und Verdruß/</l><lb/> <l>Der hat nicht recht gelernt den angenehmen Schluß/</l><lb/> <l>Den bloß ein Weiſer achtet.</l> </lg><lb/> <p>Der jenige ſo ſich zu ſehr nach dem Leben ſehnet/<lb/> giebet ſattſamlich zu verſtehen/ daß er weniger der<lb/> Weißheit/ als der Liebe/ oder des Geld und Ehr-<lb/> geitzes befliſſen iſt. Jm uͤbrigen ſo gehoͤren die Tu-<lb/> genden dem Betruͤbniſſe zu widerſtehen/ und die<lb/> Wolluͤſte zu uͤberwinden/ unter welchen man die ei-<lb/> ne Großmuͤhtigkeit/ und die andere Maͤßigkeit nen-<lb/> ner/ eigentlich und alleine den Weiſen zu. Dann<lb/> in andere Leute Gemuͤthe wuͤrde man eben dieſe<lb/> Tugenden ungereimt und mangelhafft befinden;<lb/> dieweil ſolche den Tod vor das groͤſte Unheil unter<lb/> der Sonnen halten/ ja wenn ſie ſich etwan demſel-<lb/> ben mit Gleichmuͤhtigkeit unterwerffen/ und ihm<lb/> ohne Schrecken unter Augen gehen/ es mehrenteils<lb/> aus Argwon eines groͤſſeren Ungemachs herruͤhret/<lb/> und/ ſo zuſagen/ einer Nothkuͤnheit aͤhnlich ſiehet.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [26/0284]
Der ſterbende
Und iſt alſo gar nicht zu vermuthen/ daß ein Wei-
ſer/ weil er in die rechte Weißheit/ die er erſt nach
dem Tode genieſſen kan/ inbruͤnſtig verliebet iſt/ ſich
zu ſterben ſolte verdrieſſen laſſen. Wie dann auch
hergegen leicht zu ermeſſen iſt/ daß die jenigen/ ſo
das Leben alzuſehr lieben/ und ohne groſſes Be-
ſchwerniß es nicht verlaſſen koͤnnen/ keines weges
rechte Weiſe ſeyn koͤnnen.
Der Weiſe laͤſt mit Luſt das unbequeme Band/
Und iſt faſt nichts beſtuͤrtzt zu laſſen Leut und Land/
Darnach der Geitzhalß trachtet.
Denn wer das Leben ſchleuſt mit Unmuth und Verdruß/
Der hat nicht recht gelernt den angenehmen Schluß/
Den bloß ein Weiſer achtet.
Der jenige ſo ſich zu ſehr nach dem Leben ſehnet/
giebet ſattſamlich zu verſtehen/ daß er weniger der
Weißheit/ als der Liebe/ oder des Geld und Ehr-
geitzes befliſſen iſt. Jm uͤbrigen ſo gehoͤren die Tu-
genden dem Betruͤbniſſe zu widerſtehen/ und die
Wolluͤſte zu uͤberwinden/ unter welchen man die ei-
ne Großmuͤhtigkeit/ und die andere Maͤßigkeit nen-
ner/ eigentlich und alleine den Weiſen zu. Dann
in andere Leute Gemuͤthe wuͤrde man eben dieſe
Tugenden ungereimt und mangelhafft befinden;
dieweil ſolche den Tod vor das groͤſte Unheil unter
der Sonnen halten/ ja wenn ſie ſich etwan demſel-
ben mit Gleichmuͤhtigkeit unterwerffen/ und ihm
ohne Schrecken unter Augen gehen/ es mehrenteils
aus Argwon eines groͤſſeren Ungemachs herruͤhret/
und/ ſo zuſagen/ einer Nothkuͤnheit aͤhnlich ſiehet.
Was
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |