da doch vorlängst deutlich genug gezeigt worden: daß die götter der heyden, aus aberglauben entstand- ne getichte, und die in versen ertheilten oracula, eine schlaue erfindung der heydnischen pfaffen gewesen. Wir finden zwar in unsrer bibel: daß GOtt wahr- hafftig geredet habe; aber nicht: daß er sich blos ge- bundner reden bedienet.
3. Der göttliche trieb, den man der poesie zuschreibt, ist ebenfalls ein rest des heydenthums, der sammt den Musen längst ausgepeitscht seyn sollte. Es ist nicht ohne: ein poete wird nicht gemacht, sondern geboh- ren; aber daraus folgt gantz keine göttligkeit der menschlichen tichtkunst. Ein mathematicus, und redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei- ben die mathesis und redekunst bey allen vernünffti- gen leuten gantz natürliche künste. Die menschen sind unterschiedner art, und zwar nach der allwei- sen vorsehung und einrichtung des unbegreifflichen Schöpffers. Einer schickt sich zu dem, der andre zu was andern: und so unterschieden die leibes-mischun- gen seyn, so unterschieden ist auch die geschickligkeit der menschen in ansehen ihres verstandes. Die sa- che wird anderwerts weitläufftig ausgeführet, des- wegen ich mich nicht dabey aufhalten, sondern nur noch dieses beyfügen will, daß das vorgeben jenes alten poeten:
Consules fiunt quotannis & novi proconsules: Solus, aut rex, aut poeta non quotannis na- scitur.
mehr hoffart als wahrheit hinter sich habe.
4. Aber
):( 5
Vorrede.
da doch vorlaͤngſt deutlich genug gezeigt worden: daß die goͤtter der heyden, aus aberglauben entſtand- ne getichte, und die in verſen ertheilten oracula, eine ſchlaue erfindung der heydniſchen pfaffen geweſen. Wir finden zwar in unſrer bibel: daß GOtt wahr- hafftig geredet habe; aber nicht: daß er ſich blos ge- bundner reden bedienet.
3. Der goͤttliche tꝛieb, den man deꝛ poeſie zuſchꝛeibt, iſt ebenfalls ein reſt des heydenthums, der ſammt den Muſen laͤngſt ausgepeitſcht ſeyn ſollte. Es iſt nicht ohne: ein poete wird nicht gemacht, ſondern geboh- ren; aber daraus folgt gantz keine goͤttligkeit der menſchlichen tichtkunſt. Ein mathematicus, und redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei- ben die matheſis und redekunſt bey allen vernuͤnffti- gen leuten gantz natuͤrliche kuͤnſte. Die menſchen ſind unterſchiedner art, und zwar nach der allwei- ſen vorſehung und einrichtung des unbegreifflichen Schoͤpffers. Einer ſchickt ſich zu dem, der andre zu was andern: und ſo unterſchieden die leibes-miſchun- gen ſeyn, ſo unterſchieden iſt auch die geſchickligkeit der menſchen in anſehen ihres verſtandes. Die ſa- che wird anderwerts weitlaͤufftig ausgefuͤhret, des- wegen ich mich nicht dabey aufhalten, ſondern nur noch dieſes beyfuͤgen will, daß das vorgeben jenes alten poeten:
Conſules fiunt quotannis & novi proconſules: Solus, aut rex, aut poëta non quotannis na- ſcitur.
mehr hoffart als wahrheit hinter ſich habe.
4. Aber
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[0009]
Vorrede.
da doch vorlaͤngſt deutlich genug gezeigt worden:
daß die goͤtter der heyden, aus aberglauben entſtand-
ne getichte, und die in verſen ertheilten oracula, eine
ſchlaue erfindung der heydniſchen pfaffen geweſen.
Wir finden zwar in unſrer bibel: daß GOtt wahr-
hafftig geredet habe; aber nicht: daß er ſich blos ge-
bundner reden bedienet.
3. Der goͤttliche tꝛieb, den man deꝛ poeſie zuſchꝛeibt,
iſt ebenfalls ein reſt des heydenthums, der ſammt den
Muſen laͤngſt ausgepeitſcht ſeyn ſollte. Es iſt nicht
ohne: ein poete wird nicht gemacht, ſondern geboh-
ren; aber daraus folgt gantz keine goͤttligkeit der
menſchlichen tichtkunſt. Ein mathematicus, und
redner, wird ebenfalls gebohren, und dennoch blei-
ben die matheſis und redekunſt bey allen vernuͤnffti-
gen leuten gantz natuͤrliche kuͤnſte. Die menſchen
ſind unterſchiedner art, und zwar nach der allwei-
ſen vorſehung und einrichtung des unbegreifflichen
Schoͤpffers. Einer ſchickt ſich zu dem, der andre zu
was andern: und ſo unterſchieden die leibes-miſchun-
gen ſeyn, ſo unterſchieden iſt auch die geſchickligkeit
der menſchen in anſehen ihres verſtandes. Die ſa-
che wird anderwerts weitlaͤufftig ausgefuͤhret, des-
wegen ich mich nicht dabey aufhalten, ſondern nur
noch dieſes beyfuͤgen will, daß das vorgeben jenes
alten poeten:
Conſules fiunt quotannis & novi proconſules:
Solus, aut rex, aut poëta non quotannis na-
ſcitur.
mehr hoffart als wahrheit hinter ſich habe.
4. Aber
):( 5
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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/9>, abgerufen am 16.02.2025.
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