Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite

Verliebte und

Des grausen todes bleicher strich
Muß keine frische lippen färben.
Dein aug' ist allzu schön dazu,
Sich auf die düstre grufft zu lencken.
Das alter sucht die lange ruh;
Die jugend darff daran nicht ohne zittern dencken.

2.
Der scepter, den ein könig
Aus lieb in deinen schos gelegt,
Jst doch kein baum, der dornen trägt.
Jst diese gunst vielleicht zu wenig?
Wie viele lebten höchst-vergnügt,
Wenn sie ein eintzig strahl beschienen!
Und Bellamire seufftzt und liegt,
Da gantze sternen ihr zu der Erquickung dienen.
3.
Daß dich mein mund geküsset,
Jst trost genung vor deinen geist;
Die kost, so das gemüthe speist,
Bleibt dessentwegen unvermisset.
Dein könig liebt dich mehr, als vor;
Vor bahnet' ihm der schnee der glieder
Die glatte bahn zum liebes-thor:
Jtzt legt sich blos sein geist zu deinem geiste nieder.
4.
Drum, kluge Bellamire!
Besiehl dem munde, daß er schweigt,
So offt ein fleischlich ach! aufsteigt,
Damit ich dich nicht gantz verliere.
Die schönheit hat genung erlangt,
So eines helden faust gebunden;
Damit dein witz nun höher prangt,
So zeige, daß er selbst den sieger überwunden.
5.
Die eyfernden gedancken
Stehn keinem grossen hertzen an.
Die

Verliebte und

Des grauſen todes bleicher ſtrich
Muß keine friſche lippen faͤrben.
Dein aug’ iſt allzu ſchoͤn dazu,
Sich auf die duͤſtre grufft zu lencken.
Das alter ſucht die lange ruh;
Die jugend darff daran nicht ohne zittern dencken.

2.
Der ſcepter, den ein koͤnig
Aus lieb in deinen ſchos gelegt,
Jſt doch kein baum, der dornen traͤgt.
Jſt dieſe gunſt vielleicht zu wenig?
Wie viele lebten hoͤchſt-vergnuͤgt,
Wenn ſie ein eintzig ſtrahl beſchienen!
Und Bellamire ſeufftzt und liegt,
Da gantze ſternen ihr zu der Erquickung dienen.
3.
Daß dich mein mund gekuͤſſet,
Jſt troſt genung vor deinen geiſt;
Die koſt, ſo das gemuͤthe ſpeiſt,
Bleibt deſſentwegen unvermiſſet.
Dein koͤnig liebt dich mehr, als vor;
Vor bahnet’ ihm der ſchnee der glieder
Die glatte bahn zum liebes-thor:
Jtzt legt ſich blos ſein geiſt zu deinem geiſte nieder.
4.
Drum, kluge Bellamire!
Beſiehl dem munde, daß er ſchweigt,
So offt ein fleiſchlich ach! aufſteigt,
Damit ich dich nicht gantz verliere.
Die ſchoͤnheit hat genung erlangt,
So eines helden fauſt gebunden;
Damit dein witz nun hoͤher prangt,
So zeige, daß er ſelbſt den ſieger uͤberwunden.
5.
Die eyfernden gedancken
Stehn keinem groſſen hertzen an.
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>
                <pb facs="#f0068" n="44"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte und</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Des grau&#x017F;en todes bleicher &#x017F;trich</l><lb/>
              <l>Muß keine fri&#x017F;che lippen fa&#x0364;rben.</l><lb/>
              <l>Dein aug&#x2019; i&#x017F;t allzu &#x017F;cho&#x0364;n dazu,</l><lb/>
              <l>Sich auf die du&#x0364;&#x017F;tre grufft zu lencken.</l><lb/>
              <l>Das alter &#x017F;ucht die lange ruh;</l><lb/>
              <l>Die jugend darff daran nicht ohne zittern dencken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <head>2.</head><lb/>
              <l>Der &#x017F;cepter, den ein ko&#x0364;nig</l><lb/>
              <l>Aus lieb in deinen &#x017F;chos gelegt,</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t doch kein baum, der dornen tra&#x0364;gt.</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t die&#x017F;e gun&#x017F;t vielleicht zu wenig?</l><lb/>
              <l>Wie viele lebten ho&#x0364;ch&#x017F;t-vergnu&#x0364;gt,</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;ie ein eintzig &#x017F;trahl be&#x017F;chienen!</l><lb/>
              <l>Und Bellamire &#x017F;eufftzt und liegt,</l><lb/>
              <l>Da gantze &#x017F;ternen ihr zu der Erquickung dienen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <head>3.</head><lb/>
              <l>Daß dich mein mund geku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et,</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t tro&#x017F;t genung vor deinen gei&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Die ko&#x017F;t, &#x017F;o das gemu&#x0364;the &#x017F;pei&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Bleibt de&#x017F;&#x017F;entwegen unvermi&#x017F;&#x017F;et.</l><lb/>
              <l>Dein ko&#x0364;nig liebt dich mehr, als vor;</l><lb/>
              <l>Vor bahnet&#x2019; ihm der &#x017F;chnee der glieder</l><lb/>
              <l>Die glatte bahn zum liebes-thor:</l><lb/>
              <l>Jtzt legt &#x017F;ich blos &#x017F;ein gei&#x017F;t zu deinem gei&#x017F;te nieder.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <head>4.</head><lb/>
              <l>Drum, kluge Bellamire!</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;iehl dem munde, daß er &#x017F;chweigt,</l><lb/>
              <l>So offt ein flei&#x017F;chlich ach! auf&#x017F;teigt,</l><lb/>
              <l>Damit ich dich nicht gantz verliere.</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;cho&#x0364;nheit hat genung erlangt,</l><lb/>
              <l>So eines helden fau&#x017F;t gebunden;</l><lb/>
              <l>Damit dein witz nun ho&#x0364;her prangt,</l><lb/>
              <l>So zeige, daß er &#x017F;elb&#x017F;t den &#x017F;ieger u&#x0364;berwunden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <head>5.</head><lb/>
              <l>Die eyfernden gedancken</l><lb/>
              <l>Stehn keinem gro&#x017F;&#x017F;en hertzen an.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0068] Verliebte und Des grauſen todes bleicher ſtrich Muß keine friſche lippen faͤrben. Dein aug’ iſt allzu ſchoͤn dazu, Sich auf die duͤſtre grufft zu lencken. Das alter ſucht die lange ruh; Die jugend darff daran nicht ohne zittern dencken. 2. Der ſcepter, den ein koͤnig Aus lieb in deinen ſchos gelegt, Jſt doch kein baum, der dornen traͤgt. Jſt dieſe gunſt vielleicht zu wenig? Wie viele lebten hoͤchſt-vergnuͤgt, Wenn ſie ein eintzig ſtrahl beſchienen! Und Bellamire ſeufftzt und liegt, Da gantze ſternen ihr zu der Erquickung dienen. 3. Daß dich mein mund gekuͤſſet, Jſt troſt genung vor deinen geiſt; Die koſt, ſo das gemuͤthe ſpeiſt, Bleibt deſſentwegen unvermiſſet. Dein koͤnig liebt dich mehr, als vor; Vor bahnet’ ihm der ſchnee der glieder Die glatte bahn zum liebes-thor: Jtzt legt ſich blos ſein geiſt zu deinem geiſte nieder. 4. Drum, kluge Bellamire! Beſiehl dem munde, daß er ſchweigt, So offt ein fleiſchlich ach! aufſteigt, Damit ich dich nicht gantz verliere. Die ſchoͤnheit hat genung erlangt, So eines helden fauſt gebunden; Damit dein witz nun hoͤher prangt, So zeige, daß er ſelbſt den ſieger uͤberwunden. 5. Die eyfernden gedancken Stehn keinem groſſen hertzen an. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/68
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/68>, abgerufen am 22.11.2024.