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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Galante Getichte.
Und wird den blumen gleich: Je höher solche steigen,
Je tieffer sie den kopff hin zu der erden neigen.
Was fremde leute fast zu der erstaunung führt,
Dadurch wird Silvia am wenigsten gerührt.
Sie hält nichts von sich selbst: Je mehr sie weiß und lernet,
Je mehr verbleibt ihr hertz von hochmuth weit entfernet.
Jhr bester zeit-vertreib ist eine kluge schrifft,
Mit diesem hat sie schon viel löbliches gestifft.
Jhr denckmahl wird zuerst durch dieses bücher-lieben
Selbst in das grosse buch der ewigkeit geschrieben.
Vors andre schämet sich auch mancher musen-sohn,
Daß die gelehrsamkeit bey einer weibs-person
Mehr als bey ihm vermag, und wünschet ihrentwegen
Auf ein gelehrtes werck sich ebenfalls zu legen.
So dienet Silvia dem nächsten und der welt.
Doch welcher diß an ihr vor's allerbeste hält,
Betrüget sich gar sehr: Sie bleibet auch darneben
Der wahren frömmigkeit im höchsten grad ergeben.
Die bleibet der compaß, so ihre lebens-farth,
Biß sie zum hafen kommt, vor aller noth bewahrt.
Durch diese gantz allein kan sie schon auf der erden
Zum engel, und ihr kuß zum paradiese werden.
Wer Silvien nicht kennt, der geh ins gottes-haus,
Dahin kommt sie zuerst, und geht zuletzt heraus.
Da läßt sie alle noth, durch singen und durch beten,
Jn wahrer heiligkeit von ihrer seelen treten.
Doch wenn du dieses thust, geliebte Silvia!
So stehen offtermals viel hundert andre da,
Die gar nicht heilig sind, die sich an dir vergaffen,
Die bald das achsel-band in kluge falten raffen,
Bald rock und krause ziehn, bald die perruque drehn,
Bald ihren schnupff-toback, bald sonsten was besehn,
Und die den feder-busch, der Silvia zu ehren,
Jn einer predigt mehr als hundertmahl verkehren.
Jch selbsten geh manchmal in diese - - schul,
Da bist du prediger, mein hertz der predig-stuhl.
Drum
C 2
Galante Getichte.
Und wird den blumen gleich: Je hoͤher ſolche ſteigen,
Je tieffer ſie den kopff hin zu der erden neigen.
Was fremde leute faſt zu der erſtaunung fuͤhrt,
Dadurch wird Silvia am wenigſten geruͤhrt.
Sie haͤlt nichts von ſich ſelbſt: Je mehr ſie weiß und lernet,
Je mehr verbleibt ihr hertz von hochmuth weit entfernet.
Jhr beſter zeit-vertreib iſt eine kluge ſchrifft,
Mit dieſem hat ſie ſchon viel loͤbliches geſtifft.
Jhr denckmahl wird zuerſt durch dieſes buͤcher-lieben
Selbſt in das groſſe buch der ewigkeit geſchrieben.
Vors andre ſchaͤmet ſich auch mancher muſen-ſohn,
Daß die gelehrſamkeit bey einer weibs-perſon
Mehr als bey ihm vermag, und wuͤnſchet ihrentwegen
Auf ein gelehrtes werck ſich ebenfalls zu legen.
So dienet Silvia dem naͤchſten und der welt.
Doch welcher diß an ihr vor’s allerbeſte haͤlt,
Betruͤget ſich gar ſehr: Sie bleibet auch darneben
Der wahren froͤmmigkeit im hoͤchſten grad ergeben.
Die bleibet der compaß, ſo ihre lebens-farth,
Biß ſie zum hafen kommt, vor aller noth bewahrt.
Durch dieſe gantz allein kan ſie ſchon auf der erden
Zum engel, und ihr kuß zum paradieſe werden.
Wer Silvien nicht kennt, der geh ins gottes-haus,
Dahin kommt ſie zuerſt, und geht zuletzt heraus.
Da laͤßt ſie alle noth, durch ſingen und durch beten,
Jn wahrer heiligkeit von ihrer ſeelen treten.
Doch wenn du dieſes thuſt, geliebte Silvia!
So ſtehen offtermals viel hundert andre da,
Die gar nicht heilig ſind, die ſich an dir vergaffen,
Die bald das achſel-band in kluge falten raffen,
Bald rock und krauſe ziehn, bald die perruque drehn,
Bald ihren ſchnupff-toback, bald ſonſten was beſehn,
Und die den feder-buſch, der Silvia zu ehren,
Jn einer predigt mehr als hundertmahl verkehren.
Jch ſelbſten geh manchmal in dieſe - - ſchul,
Da biſt du prediger, mein hertz der predig-ſtuhl.
Drum
C 2
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[35/0059] Galante Getichte. Und wird den blumen gleich: Je hoͤher ſolche ſteigen, Je tieffer ſie den kopff hin zu der erden neigen. Was fremde leute faſt zu der erſtaunung fuͤhrt, Dadurch wird Silvia am wenigſten geruͤhrt. Sie haͤlt nichts von ſich ſelbſt: Je mehr ſie weiß und lernet, Je mehr verbleibt ihr hertz von hochmuth weit entfernet. Jhr beſter zeit-vertreib iſt eine kluge ſchrifft, Mit dieſem hat ſie ſchon viel loͤbliches geſtifft. Jhr denckmahl wird zuerſt durch dieſes buͤcher-lieben Selbſt in das groſſe buch der ewigkeit geſchrieben. Vors andre ſchaͤmet ſich auch mancher muſen-ſohn, Daß die gelehrſamkeit bey einer weibs-perſon Mehr als bey ihm vermag, und wuͤnſchet ihrentwegen Auf ein gelehrtes werck ſich ebenfalls zu legen. So dienet Silvia dem naͤchſten und der welt. Doch welcher diß an ihr vor’s allerbeſte haͤlt, Betruͤget ſich gar ſehr: Sie bleibet auch darneben Der wahren froͤmmigkeit im hoͤchſten grad ergeben. Die bleibet der compaß, ſo ihre lebens-farth, Biß ſie zum hafen kommt, vor aller noth bewahrt. Durch dieſe gantz allein kan ſie ſchon auf der erden Zum engel, und ihr kuß zum paradieſe werden. Wer Silvien nicht kennt, der geh ins gottes-haus, Dahin kommt ſie zuerſt, und geht zuletzt heraus. Da laͤßt ſie alle noth, durch ſingen und durch beten, Jn wahrer heiligkeit von ihrer ſeelen treten. Doch wenn du dieſes thuſt, geliebte Silvia! So ſtehen offtermals viel hundert andre da, Die gar nicht heilig ſind, die ſich an dir vergaffen, Die bald das achſel-band in kluge falten raffen, Bald rock und krauſe ziehn, bald die perruque drehn, Bald ihren ſchnupff-toback, bald ſonſten was beſehn, Und die den feder-buſch, der Silvia zu ehren, Jn einer predigt mehr als hundertmahl verkehren. Jch ſelbſten geh manchmal in dieſe - - ſchul, Da biſt du prediger, mein hertz der predig-ſtuhl. Drum C 2

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/59>, abgerufen am 24.11.2024.