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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Verliebte und
Man saget: Daß bey ihr ein wechsel sey geschehen,
Und daß zur selben zeit die welt nicht recht gesehen,
Da sie den schönsten geist, den kaum der zehnte mann
Recht voll und unverfälscht bey sich verspühren kan,
Jn einen solchen leib aus unverstand begraben,
Der sonst aus schwachheit nur will halbe seelen haben.
Sie zündet auf einmahl viel hundert seelen an,
Doch ihrem hertzen hat kein fünckgen leid gethan.
Sie fordert ein altar, das blos zu ihren ehren,
Den ausgestreuten rauch des opffers soll verzehren.
Ein abgenützter heerd, ein falscher opffer-knecht,
Und flüchtger weyrauch sind der Silvia zu schlecht.
Daher ist, wie mich deucht, auch dieser vorsatz kommen,
Daß sie bißher noch nie ein opffer angenommen.
Wers aber nicht versteht, wohin diß absehn zielt,
Der spricht: Die Silvia hat lauter falsch gespielt;
Es können uns dabey die augen und die minen,
Und alles, was an ihr, zur sichern nachricht dienen.
O schade! daß sie nichts von der barmhertzigkeit
Bey andern mercken läßt; da gleichsam sonst ein streit
Von allen tugenden in ihrer brust zu finden,
Da immer eine will die ander' überwinden.
Doch diese mißgunst legt sich bald gefangen hin,
So bald sich Silvia recht dencket zu bemühn.
Denn ihre tugend macht, als wie der strahl vom lichte
Die augen und das hertz der eulen, gantz zu nichte.
Sie als ein weibs-volck hat so viel autorität,
Daß ihr kein laster-freund gern an der seiten steht.
Jn ihrer stirnen ist ein merckmahl eingegraben,
Davor die kühnheit selbst ein schrecken muste haben.
Was sonst durch sauer-sehn und fluchen kaum geschicht,
Das wird durch einen winck bey Silvien verricht.
Mit diesem lernet sie die welt zu allen dingen
Biß zur unmöglichkeit mit leichter mühe zwingen.
Hier fällt mir etwas ein, das fast unglaublich scheint:
Die Silvia ist doch dabey ein demuths-freund,
Und
Verliebte und
Man ſaget: Daß bey ihr ein wechſel ſey geſchehen,
Und daß zur ſelben zeit die welt nicht recht geſehen,
Da ſie den ſchoͤnſten geiſt, den kaum der zehnte mann
Recht voll und unverfaͤlſcht bey ſich verſpuͤhren kan,
Jn einen ſolchen leib aus unverſtand begraben,
Der ſonſt aus ſchwachheit nur will halbe ſeelen haben.
Sie zuͤndet auf einmahl viel hundert ſeelen an,
Doch ihrem hertzen hat kein fuͤnckgen leid gethan.
Sie fordert ein altar, das blos zu ihren ehren,
Den ausgeſtreuten rauch des opffers ſoll verzehren.
Ein abgenuͤtzter heerd, ein falſcher opffer-knecht,
Und fluͤchtger weyrauch ſind der Silvia zu ſchlecht.
Daher iſt, wie mich deucht, auch dieſer vorſatz kommen,
Daß ſie bißher noch nie ein opffer angenommen.
Wers aber nicht verſteht, wohin diß abſehn zielt,
Der ſpricht: Die Silvia hat lauter falſch geſpielt;
Es koͤnnen uns dabey die augen und die minen,
Und alles, was an ihr, zur ſichern nachricht dienen.
O ſchade! daß ſie nichts von der barmhertzigkeit
Bey andern mercken laͤßt; da gleichſam ſonſt ein ſtreit
Von allen tugenden in ihrer bruſt zu finden,
Da immer eine will die ander’ uͤberwinden.
Doch dieſe mißgunſt legt ſich bald gefangen hin,
So bald ſich Silvia recht dencket zu bemuͤhn.
Denn ihre tugend macht, als wie der ſtrahl vom lichte
Die augen und das hertz der eulen, gantz zu nichte.
Sie als ein weibs-volck hat ſo viel autoritaͤt,
Daß ihr kein laſter-freund gern an der ſeiten ſteht.
Jn ihrer ſtirnen iſt ein merckmahl eingegraben,
Davor die kuͤhnheit ſelbſt ein ſchrecken muſte haben.
Was ſonſt durch ſauer-ſehn und fluchen kaum geſchicht,
Das wird durch einen winck bey Silvien verricht.
Mit dieſem lernet ſie die welt zu allen dingen
Biß zur unmoͤglichkeit mit leichter muͤhe zwingen.
Hier faͤllt mir etwas ein, das faſt unglaublich ſcheint:
Die Silvia iſt doch dabey ein demuths-freund,
Und
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[34/0058] Verliebte und Man ſaget: Daß bey ihr ein wechſel ſey geſchehen, Und daß zur ſelben zeit die welt nicht recht geſehen, Da ſie den ſchoͤnſten geiſt, den kaum der zehnte mann Recht voll und unverfaͤlſcht bey ſich verſpuͤhren kan, Jn einen ſolchen leib aus unverſtand begraben, Der ſonſt aus ſchwachheit nur will halbe ſeelen haben. Sie zuͤndet auf einmahl viel hundert ſeelen an, Doch ihrem hertzen hat kein fuͤnckgen leid gethan. Sie fordert ein altar, das blos zu ihren ehren, Den ausgeſtreuten rauch des opffers ſoll verzehren. Ein abgenuͤtzter heerd, ein falſcher opffer-knecht, Und fluͤchtger weyrauch ſind der Silvia zu ſchlecht. Daher iſt, wie mich deucht, auch dieſer vorſatz kommen, Daß ſie bißher noch nie ein opffer angenommen. Wers aber nicht verſteht, wohin diß abſehn zielt, Der ſpricht: Die Silvia hat lauter falſch geſpielt; Es koͤnnen uns dabey die augen und die minen, Und alles, was an ihr, zur ſichern nachricht dienen. O ſchade! daß ſie nichts von der barmhertzigkeit Bey andern mercken laͤßt; da gleichſam ſonſt ein ſtreit Von allen tugenden in ihrer bruſt zu finden, Da immer eine will die ander’ uͤberwinden. Doch dieſe mißgunſt legt ſich bald gefangen hin, So bald ſich Silvia recht dencket zu bemuͤhn. Denn ihre tugend macht, als wie der ſtrahl vom lichte Die augen und das hertz der eulen, gantz zu nichte. Sie als ein weibs-volck hat ſo viel autoritaͤt, Daß ihr kein laſter-freund gern an der ſeiten ſteht. Jn ihrer ſtirnen iſt ein merckmahl eingegraben, Davor die kuͤhnheit ſelbſt ein ſchrecken muſte haben. Was ſonſt durch ſauer-ſehn und fluchen kaum geſchicht, Das wird durch einen winck bey Silvien verricht. Mit dieſem lernet ſie die welt zu allen dingen Biß zur unmoͤglichkeit mit leichter muͤhe zwingen. Hier faͤllt mir etwas ein, das faſt unglaublich ſcheint: Die Silvia iſt doch dabey ein demuths-freund, Und

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/58>, abgerufen am 24.11.2024.