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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Galante Getichte.
Jn seiner macht beruhn, die er wohl muß verwahren,
Und einen kleinen platz vor ihren ausgang sparen.
Wenn diß gemeine thor bißweilen offen steht,
Und ein subtiler ritz zu dem verborguen geht,
So sieht man ohngefähr zwey dutzent weisse säulen,
Die sich von osten an gantz biß nach westen theilen.
Am kinne lässet sich ein kleines wärtzgen sehn,
Das ist, so viel man mir gesagt, darum geschehn:
Als unlängst die natur spatzieren gehen solte,
Und hier in dieser stadt genau erforschen wolte,
Wer von den damen wohl die allerbeste sey?
So brachte man alsbald die Silvia herbey.
Die war vor andern nett, galant, manierlich, schöne,
Drum machte die natur bey ihr ein nota bene,
Sie legte gantz subtil ein pünetgen auf das kinn,
Und sprach: Man ruffet mich zu andern örtern hin;
Doch laßt das zeichen stehn, damit ich dich geschwinde,
Wenn mir was schönes fehlt, hernachmals wieder sinde.
Nun möcht' ich der natur gern einen possen thun;
Drum wolte Silvia in meinem willen ruhn?
So würd' ich tag für tag ihr nota bene küssen,
Biß dieses zeichen gantz verwischet und zerrissen.
Doch ob man dieses gleich als wunder-wercke preißt,
So weiß ich doch gewiß, es sieht der edle geist
Noch tausendmahl so schön. Die innersten gemächer
Sind meistentheils galant, wenn äusserlich die dächer
Jn vollem putze stehn. Zwar bey der Silvia
Jst, wo ich rathen darff, der einzge mangel da,
Daß sie die tugenden, so viel sie kan, verstecket,
Und dergestalt davon das wenigste entdecket.
Doch wie ein heller glantz auch durch die wolcken bricht,
So nimmt uns Silvia das allerminste nicht.
Es weiß die halbe welt, daß wir bey unsern linden
An ihrer artigkeit das gröste kleinod finden.
Ein fremder, welcher sonst allhier den gantzen ort,
Doch sie noch nie gesehn, zieht schwerlich weiter fort.
Man
VI. Theil. C
Galante Getichte.
Jn ſeiner macht beruhn, die er wohl muß verwahren,
Und einen kleinen platz vor ihren ausgang ſparen.
Wenn diß gemeine thor bißweilen offen ſteht,
Und ein ſubtiler ritz zu dem verborguen geht,
So ſieht man ohngefaͤhr zwey dutzent weiſſe ſaͤulen,
Die ſich von oſten an gantz biß nach weſten theilen.
Am kinne laͤſſet ſich ein kleines waͤrtzgen ſehn,
Das iſt, ſo viel man mir geſagt, darum geſchehn:
Als unlaͤngſt die natur ſpatzieren gehen ſolte,
Und hier in dieſer ſtadt genau erforſchen wolte,
Wer von den damen wohl die allerbeſte ſey?
So brachte man alsbald die Silvia herbey.
Die war vor andern nett, galant, manierlich, ſchoͤne,
Drum machte die natur bey ihr ein nota benè,
Sie legte gantz ſubtil ein puͤnetgen auf das kinn,
Und ſprach: Man ruffet mich zu andern oͤrtern hin;
Doch laßt das zeichen ſtehn, damit ich dich geſchwinde,
Wenn mir was ſchoͤnes fehlt, hernachmals wieder ſinde.
Nun moͤcht’ ich der natur gern einen poſſen thun;
Drum wolte Silvia in meinem willen ruhn?
So wuͤrd’ ich tag fuͤr tag ihr nota benè kuͤſſen,
Biß dieſes zeichen gantz verwiſchet und zerriſſen.
Doch ob man dieſes gleich als wunder-wercke preißt,
So weiß ich doch gewiß, es ſieht der edle geiſt
Noch tauſendmahl ſo ſchoͤn. Die innerſten gemaͤcher
Sind meiſtentheils galant, wenn aͤuſſerlich die daͤcher
Jn vollem putze ſtehn. Zwar bey der Silvia
Jſt, wo ich rathen darff, der einzge mangel da,
Daß ſie die tugenden, ſo viel ſie kan, verſtecket,
Und dergeſtalt davon das wenigſte entdecket.
Doch wie ein heller glantz auch durch die wolcken bricht,
So nimmt uns Silvia das allerminſte nicht.
Es weiß die halbe welt, daß wir bey unſern linden
An ihrer artigkeit das groͤſte kleinod finden.
Ein fremder, welcher ſonſt allhier den gantzen ort,
Doch ſie noch nie geſehn, zieht ſchwerlich weiter fort.
Man
VI. Theil. C
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[33/0057] Galante Getichte. Jn ſeiner macht beruhn, die er wohl muß verwahren, Und einen kleinen platz vor ihren ausgang ſparen. Wenn diß gemeine thor bißweilen offen ſteht, Und ein ſubtiler ritz zu dem verborguen geht, So ſieht man ohngefaͤhr zwey dutzent weiſſe ſaͤulen, Die ſich von oſten an gantz biß nach weſten theilen. Am kinne laͤſſet ſich ein kleines waͤrtzgen ſehn, Das iſt, ſo viel man mir geſagt, darum geſchehn: Als unlaͤngſt die natur ſpatzieren gehen ſolte, Und hier in dieſer ſtadt genau erforſchen wolte, Wer von den damen wohl die allerbeſte ſey? So brachte man alsbald die Silvia herbey. Die war vor andern nett, galant, manierlich, ſchoͤne, Drum machte die natur bey ihr ein nota benè, Sie legte gantz ſubtil ein puͤnetgen auf das kinn, Und ſprach: Man ruffet mich zu andern oͤrtern hin; Doch laßt das zeichen ſtehn, damit ich dich geſchwinde, Wenn mir was ſchoͤnes fehlt, hernachmals wieder ſinde. Nun moͤcht’ ich der natur gern einen poſſen thun; Drum wolte Silvia in meinem willen ruhn? So wuͤrd’ ich tag fuͤr tag ihr nota benè kuͤſſen, Biß dieſes zeichen gantz verwiſchet und zerriſſen. Doch ob man dieſes gleich als wunder-wercke preißt, So weiß ich doch gewiß, es ſieht der edle geiſt Noch tauſendmahl ſo ſchoͤn. Die innerſten gemaͤcher Sind meiſtentheils galant, wenn aͤuſſerlich die daͤcher Jn vollem putze ſtehn. Zwar bey der Silvia Jſt, wo ich rathen darff, der einzge mangel da, Daß ſie die tugenden, ſo viel ſie kan, verſtecket, Und dergeſtalt davon das wenigſte entdecket. Doch wie ein heller glantz auch durch die wolcken bricht, So nimmt uns Silvia das allerminſte nicht. Es weiß die halbe welt, daß wir bey unſern linden An ihrer artigkeit das groͤſte kleinod finden. Ein fremder, welcher ſonſt allhier den gantzen ort, Doch ſie noch nie geſehn, zieht ſchwerlich weiter fort. Man VI. Theil. C

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/57>, abgerufen am 24.11.2024.