Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Verliebte und Ja Pluto selber kam aus seiner finsterniß,Als sich Proserpina von ihm entführen ließ. Die kette Herculis, die aus dem munde gieng, Wenn er das wilde volck mit seiner rede fieng, Die stellt im bilde vor, was eine schönheit kan, Denn eben so sind ihr die barbarn unterthan; Wie aber daß mich hier das unthier nicht begehrt? Xenocrates hat recht, denn er ist mein nicht werth. Er sieht die niedrigkeit, und meine hoheit an, Die sein gehirne nicht zusammen reimen kan: Hier ist galauterie, und dort pedauterey, Er sieht, daß er ein narr, und ich was kluges sey. Es wird dadurch das thier der thorheit überführt, Das in der liebes-lust das leben selbst verliehrt. Es stirbt, wofern es lebt, und lebet doch mit lust: Du aber lebest nicht, da du nicht sterben must. Die eitle phantasey giebt dir was falsches ein, Was sich zusammen schickt, das muß zusammen seyn. Du sprichst zu aller welt: es sey kein vacuum; Und gleich wohl hab ich eins zu meinem eigenthum. O weh der gantzen welt! sie geht warhafftig ein, Wofern ein jeder mensch will deiner meynung seyn. Was diese welt erhält, das nennst du missethat; Also verdammst du das, was dich gezeuget hat. Ach himmel! hätte doch dein vater so gedacht, So hätte die natur dich nicht ans licht gebracht. So wär' auch in der welt ein solches monstrum nicht, Das auf den untergang der welt sein absehn richt. Das leben, das du hast, ist nur ein capital, Der himmel, der es lehnt, verlangt ein gratial: Die seelen werden nur auf zinsen augelegt, Je mehr man kinder hat, je mehr man zinse trägt. Jst das philosophirt, wenn man das sünde nennt, Was GOtt und die natur vor schuldigkeit erkennt? Verfluchte welt-weißheit! wer hat doch diß erdacht, Als würde man durch sie den göttern gleich geacht? Wenn
Verliebte und Ja Pluto ſelber kam aus ſeiner finſterniß,Als ſich Proſerpina von ihm entfuͤhren ließ. Die kette Herculis, die aus dem munde gieng, Wenn er das wilde volck mit ſeiner rede fieng, Die ſtellt im bilde vor, was eine ſchoͤnheit kan, Denn eben ſo ſind ihr die barbarn unterthan; Wie aber daß mich hier das unthier nicht begehrt? Xenocrates hat recht, denn er iſt mein nicht werth. Er ſieht die niedrigkeit, und meine hoheit an, Die ſein gehirne nicht zuſammen reimen kan: Hier iſt galauterie, und dort pedauterey, Er ſieht, daß er ein narꝛ, und ich was kluges ſey. Es wird dadurch das thier der thorheit uͤberfuͤhrt, Das in der liebes-luſt das leben ſelbſt verliehrt. Es ſtirbt, wofern es lebt, und lebet doch mit luſt: Du aber lebeſt nicht, da du nicht ſterben muſt. Die eitle phantaſey giebt dir was falſches ein, Was ſich zuſammen ſchickt, das muß zuſammen ſeyn. Du ſprichſt zu aller welt: es ſey kein vacuum; Und gleich wohl hab ich eins zu meinem eigenthum. O weh der gantzen welt! ſie geht warhafftig ein, Wofern ein jeder menſch will deiner meynung ſeyn. Was dieſe welt erhaͤlt, das nennſt du miſſethat; Alſo verdammſt du das, was dich gezeuget hat. Ach himmel! haͤtte doch dein vater ſo gedacht, So haͤtte die natur dich nicht ans licht gebracht. So waͤr’ auch in der welt ein ſolches monſtrum nicht, Das auf den untergang der welt ſein abſehn richt. Das leben, das du haſt, iſt nur ein capital, Der himmel, der es lehnt, verlangt ein gratial: Die ſeelen werden nur auf zinſen augelegt, Je mehr man kinder hat, je mehr man zinſe traͤgt. Jſt das philoſophirt, wenn man das ſuͤnde nennt, Was GOtt und die natur vor ſchuldigkeit erkennt? Verfluchte welt-weißheit! wer hat doch diß erdacht, Als wuͤrde man durch ſie den goͤttern gleich geacht? Wenn
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Verliebte und
Ja Pluto ſelber kam aus ſeiner finſterniß,
Als ſich Proſerpina von ihm entfuͤhren ließ.
Die kette Herculis, die aus dem munde gieng,
Wenn er das wilde volck mit ſeiner rede fieng,
Die ſtellt im bilde vor, was eine ſchoͤnheit kan,
Denn eben ſo ſind ihr die barbarn unterthan;
Wie aber daß mich hier das unthier nicht begehrt?
Xenocrates hat recht, denn er iſt mein nicht werth.
Er ſieht die niedrigkeit, und meine hoheit an,
Die ſein gehirne nicht zuſammen reimen kan:
Hier iſt galauterie, und dort pedauterey,
Er ſieht, daß er ein narꝛ, und ich was kluges ſey.
Es wird dadurch das thier der thorheit uͤberfuͤhrt,
Das in der liebes-luſt das leben ſelbſt verliehrt.
Es ſtirbt, wofern es lebt, und lebet doch mit luſt:
Du aber lebeſt nicht, da du nicht ſterben muſt.
Die eitle phantaſey giebt dir was falſches ein,
Was ſich zuſammen ſchickt, das muß zuſammen ſeyn.
Du ſprichſt zu aller welt: es ſey kein vacuum;
Und gleich wohl hab ich eins zu meinem eigenthum.
O weh der gantzen welt! ſie geht warhafftig ein,
Wofern ein jeder menſch will deiner meynung ſeyn.
Was dieſe welt erhaͤlt, das nennſt du miſſethat;
Alſo verdammſt du das, was dich gezeuget hat.
Ach himmel! haͤtte doch dein vater ſo gedacht,
So haͤtte die natur dich nicht ans licht gebracht.
So waͤr’ auch in der welt ein ſolches monſtrum nicht,
Das auf den untergang der welt ſein abſehn richt.
Das leben, das du haſt, iſt nur ein capital,
Der himmel, der es lehnt, verlangt ein gratial:
Die ſeelen werden nur auf zinſen augelegt,
Je mehr man kinder hat, je mehr man zinſe traͤgt.
Jſt das philoſophirt, wenn man das ſuͤnde nennt,
Was GOtt und die natur vor ſchuldigkeit erkennt?
Verfluchte welt-weißheit! wer hat doch diß erdacht,
Als wuͤrde man durch ſie den goͤttern gleich geacht?
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Zitationshilfe: | Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/42>, abgerufen am 16.02.2025. |