Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Galante Getichte.
Du suchst in der natur, die doch zur klugheit weist,
Und weißt doch nicht das thun, was gantz natürlich heist;
Also bist du kein mensch, doch bist du auch kein stein,
Weil in den steinen doch noch feuer-funcken seyn.
Von wilden thieren ist dein erster ursprung nicht,
Weil ja kein wildes thier der liebe widerspricht;
Ein bär, ein elephant, ein tieger ist verliebt,
Wenn Venus den befehl zur süssen wollust giebt.
Der himmel, der uns liebt, der hat dich nicht gemacht,
Die welt hat dich auch nicht aus ihrem schos gebracht.
Du must ein monstrum seyn, das von sich selbst entsteht,
Und das zu seiner zeit auch von sich selbst vergeht.
Gilt meine schönheit nicht, der abgott dieser welt,
Vor der die hoffart selbst in demuth niederfällt?
Die fürsten waren mir vor diesem unterthan;
Und ein philosophus sieht mich verächtlich an.
Mein nahme konte sonst die hertzen an sich ziehn',
Hier bin ich noch zu schwach, da ich zugegen bin.
Mein eigen lob stinckt nicht, weil es die probe hält,
Denn, daß ich schöne sey, das glaubt die gantze welt.
Ein held, dem weder muth noch glück im kriege fehlt,
Der wird nicht ausgelacht, wenn er sein lob erzehlt;
Ja wer mich schöne nennt, dem stimmt das echo bey,
Die felsen sagen selbst, daß Phryne schöne sey.
Wiewohl was hilfft mich das, was hilfft mich alle pracht,
Wenn es Xenocrates gleich als wie koth veracht?
Man nennt die schönheit zwar den abgott dieser zeit,
Die herrscherin der welt, den strahl der göttlichkeit,
Der augen sonnen-licht, des mundes honigseim,
Des alters netz und strick, der jugend vogel-leim;
O falsche heucheley! ach, schweigt, ihr lügner, schweigt,
Weil euch Xenocrates der falschheit überzeugt.
Doch nein, es bleibt darbey: die schönheit triumphirt,
Offt wird durch einen blick ein steinern hertz gerührt.
Der grosse Jupiter verließ sein himmelreich,
Und ward aus liebes-brunst den wilden thieren gleich.
Ja
VI. Theil. B
Galante Getichte.
Du ſuchſt in der natur, die doch zur klugheit weiſt,
Und weißt doch nicht das thun, was gantz natuͤrlich heiſt;
Alſo biſt du kein menſch, doch biſt du auch kein ſtein,
Weil in den ſteinen doch noch feuer-funcken ſeyn.
Von wilden thieren iſt dein erſter urſprung nicht,
Weil ja kein wildes thier der liebe widerſpricht;
Ein baͤr, ein elephant, ein tieger iſt verliebt,
Wenn Venus den befehl zur ſuͤſſen wolluſt giebt.
Der himmel, der uns liebt, der hat dich nicht gemacht,
Die welt hat dich auch nicht aus ihrem ſchos gebracht.
Du muſt ein monſtrum ſeyn, das von ſich ſelbſt entſteht,
Und das zu ſeiner zeit auch von ſich ſelbſt vergeht.
Gilt meine ſchoͤnheit nicht, der abgott dieſer welt,
Vor der die hoffart ſelbſt in demuth niederfaͤllt?
Die fuͤrſten waren mir vor dieſem unterthan;
Und ein philoſophus ſieht mich veraͤchtlich an.
Mein nahme konte ſonſt die hertzen an ſich ziehn’,
Hier bin ich noch zu ſchwach, da ich zugegen bin.
Mein eigen lob ſtinckt nicht, weil es die probe haͤlt,
Denn, daß ich ſchoͤne ſey, das glaubt die gantze welt.
Ein held, dem weder muth noch gluͤck im kriege fehlt,
Der wird nicht ausgelacht, wenn er ſein lob erzehlt;
Ja wer mich ſchoͤne nennt, dem ſtimmt das echo bey,
Die felſen ſagen ſelbſt, daß Phryne ſchoͤne ſey.
Wiewohl was hilfft mich das, was hilfft mich alle pracht,
Wenn es Xenocrates gleich als wie koth veracht?
Man nennt die ſchoͤnheit zwar den abgott dieſer zeit,
Die herꝛſcherin der welt, den ſtrahl der goͤttlichkeit,
Der augen ſonnen-licht, des mundes honigſeim,
Des alters netz und ſtrick, der jugend vogel-leim;
O falſche heucheley! ach, ſchweigt, ihr luͤgner, ſchweigt,
Weil euch Xenocrates der falſchheit uͤberzeugt.
Doch nein, es bleibt darbey: die ſchoͤnheit triumphirt,
Offt wird durch einen blick ein ſteinern hertz geruͤhrt.
Der groſſe Jupiter verließ ſein himmelreich,
Und ward aus liebes-brunſt den wilden thieren gleich.
Ja
VI. Theil. B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0041" n="17"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Galante Getichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Du &#x017F;uch&#x017F;t in der natur, die doch zur klugheit wei&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und weißt doch nicht das thun, was gantz natu&#x0364;rlich hei&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o bi&#x017F;t du kein men&#x017F;ch, doch bi&#x017F;t du auch kein &#x017F;tein,</l><lb/>
            <l>Weil in den &#x017F;teinen doch noch feuer-funcken &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Von wilden thieren i&#x017F;t dein er&#x017F;ter ur&#x017F;prung nicht,</l><lb/>
            <l>Weil ja kein wildes thier der liebe wider&#x017F;pricht;</l><lb/>
            <l>Ein ba&#x0364;r, ein elephant, ein tieger i&#x017F;t verliebt,</l><lb/>
            <l>Wenn Venus den befehl zur &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wollu&#x017F;t giebt.</l><lb/>
            <l>Der himmel, der uns liebt, der hat dich nicht gemacht,</l><lb/>
            <l>Die welt hat dich auch nicht aus ihrem &#x017F;chos gebracht.</l><lb/>
            <l>Du mu&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">mon&#x017F;trum</hi> &#x017F;eyn, das von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ent&#x017F;teht,</l><lb/>
            <l>Und das zu &#x017F;einer zeit auch von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vergeht.</l><lb/>
            <l>Gilt meine &#x017F;cho&#x0364;nheit nicht, der abgott die&#x017F;er welt,</l><lb/>
            <l>Vor der die hoffart &#x017F;elb&#x017F;t in demuth niederfa&#x0364;llt?</l><lb/>
            <l>Die fu&#x0364;r&#x017F;ten waren mir vor die&#x017F;em unterthan;</l><lb/>
            <l>Und ein <hi rendition="#aq">philo&#x017F;ophus</hi> &#x017F;ieht mich vera&#x0364;chtlich an.</l><lb/>
            <l>Mein nahme konte &#x017F;on&#x017F;t die hertzen an &#x017F;ich ziehn&#x2019;,</l><lb/>
            <l>Hier bin ich noch zu &#x017F;chwach, da ich zugegen bin.</l><lb/>
            <l>Mein eigen lob &#x017F;tinckt nicht, weil es die probe ha&#x0364;lt,</l><lb/>
            <l>Denn, daß ich &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;ey, das glaubt die gantze welt.</l><lb/>
            <l>Ein held, dem weder muth noch glu&#x0364;ck im kriege fehlt,</l><lb/>
            <l>Der wird nicht ausgelacht, wenn er &#x017F;ein lob erzehlt;</l><lb/>
            <l>Ja wer mich &#x017F;cho&#x0364;ne nennt, dem &#x017F;timmt das echo bey,</l><lb/>
            <l>Die fel&#x017F;en &#x017F;agen &#x017F;elb&#x017F;t, daß Phryne &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>Wiewohl was hilfft mich das, was hilfft mich alle pracht,</l><lb/>
            <l>Wenn es Xenocrates gleich als wie koth veracht?</l><lb/>
            <l>Man nennt die &#x017F;cho&#x0364;nheit zwar den abgott die&#x017F;er zeit,</l><lb/>
            <l>Die her&#xA75B;&#x017F;cherin der welt, den &#x017F;trahl der go&#x0364;ttlichkeit,</l><lb/>
            <l>Der augen &#x017F;onnen-licht, des mundes honig&#x017F;eim,</l><lb/>
            <l>Des alters netz und &#x017F;trick, der jugend vogel-leim;</l><lb/>
            <l>O fal&#x017F;che heucheley! ach, &#x017F;chweigt, ihr lu&#x0364;gner, &#x017F;chweigt,</l><lb/>
            <l>Weil euch Xenocrates der fal&#x017F;chheit u&#x0364;berzeugt.</l><lb/>
            <l>Doch nein, es bleibt darbey: die &#x017F;cho&#x0364;nheit triumphirt,</l><lb/>
            <l>Offt wird durch einen blick ein &#x017F;teinern hertz geru&#x0364;hrt.</l><lb/>
            <l>Der gro&#x017F;&#x017F;e Jupiter verließ &#x017F;ein himmelreich,</l><lb/>
            <l>Und ward aus liebes-brun&#x017F;t den wilden thieren gleich.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Theil. B</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Ja</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0041] Galante Getichte. Du ſuchſt in der natur, die doch zur klugheit weiſt, Und weißt doch nicht das thun, was gantz natuͤrlich heiſt; Alſo biſt du kein menſch, doch biſt du auch kein ſtein, Weil in den ſteinen doch noch feuer-funcken ſeyn. Von wilden thieren iſt dein erſter urſprung nicht, Weil ja kein wildes thier der liebe widerſpricht; Ein baͤr, ein elephant, ein tieger iſt verliebt, Wenn Venus den befehl zur ſuͤſſen wolluſt giebt. Der himmel, der uns liebt, der hat dich nicht gemacht, Die welt hat dich auch nicht aus ihrem ſchos gebracht. Du muſt ein monſtrum ſeyn, das von ſich ſelbſt entſteht, Und das zu ſeiner zeit auch von ſich ſelbſt vergeht. Gilt meine ſchoͤnheit nicht, der abgott dieſer welt, Vor der die hoffart ſelbſt in demuth niederfaͤllt? Die fuͤrſten waren mir vor dieſem unterthan; Und ein philoſophus ſieht mich veraͤchtlich an. Mein nahme konte ſonſt die hertzen an ſich ziehn’, Hier bin ich noch zu ſchwach, da ich zugegen bin. Mein eigen lob ſtinckt nicht, weil es die probe haͤlt, Denn, daß ich ſchoͤne ſey, das glaubt die gantze welt. Ein held, dem weder muth noch gluͤck im kriege fehlt, Der wird nicht ausgelacht, wenn er ſein lob erzehlt; Ja wer mich ſchoͤne nennt, dem ſtimmt das echo bey, Die felſen ſagen ſelbſt, daß Phryne ſchoͤne ſey. Wiewohl was hilfft mich das, was hilfft mich alle pracht, Wenn es Xenocrates gleich als wie koth veracht? Man nennt die ſchoͤnheit zwar den abgott dieſer zeit, Die herꝛſcherin der welt, den ſtrahl der goͤttlichkeit, Der augen ſonnen-licht, des mundes honigſeim, Des alters netz und ſtrick, der jugend vogel-leim; O falſche heucheley! ach, ſchweigt, ihr luͤgner, ſchweigt, Weil euch Xenocrates der falſchheit uͤberzeugt. Doch nein, es bleibt darbey: die ſchoͤnheit triumphirt, Offt wird durch einen blick ein ſteinern hertz geruͤhrt. Der groſſe Jupiter verließ ſein himmelreich, Und ward aus liebes-brunſt den wilden thieren gleich. Ja VI. Theil. B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/41
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/41>, abgerufen am 24.11.2024.