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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.

Und diese wissenschafft heißt kein gemahlter dunst:
Sie läutert den verstand von allen finsternissen,
Und sühret unser hertz in wahre sicherheit;
Allein, wo lernt man sie, als in der einsamkeit?

20.
Die grösten geister zieht der einsamkeit magnet:
Adonis sucht in ihr* das labsal seiner seele:
Der groß Ariovist**, den stand und macht erhöht,
Fand endlich ruh und grab in einer düstren höle.
Was macht', o Salomo***! sonst, als das stille land,
Dir die vergänglichkeit der eitlen lust bekannt?
21.
Wo schöpfft Alcinous (a) und Atlas sanffte ruh?
Wo hieng Semiramis die sorgen an den nagel?
Wo legt' ihm Seneca (b) so grosse weißheit zu?
Wo lehret' Epicur (c), dem kein verleumdungs-hagel (d)
Der
philosophie mochte kayser Conrad haben, dessen denckspruch
war: Rede wenig mit andern, viel mit dir selbsten. An-
tisthenes rogatus, quidnam ex philosophia lucratus esset?
Mecum, ait, colloqui posse. Laert. lib. VI.
* Dieser könig in Cypern erleichterte sein mit reichs-sorgen be-
lästetes gemüthe in einem einsamen blumen-garten.
** Dieses gründet sich blos auf des Herrn von Lohenstein
Arminium.
*** vid. Nicolaus Fauquetus in der vorrede über seine Con-
seils de la sagesse,
so anno 1691 aus dem Frantzösischen ins
Teutsche vertirt heraus kommen.
(a) vid. Lohenst. Armin. im 2 theil p. 431.
(b) vid. Lipsius de Vita & scriptis Senecae p. 25 & 32 ed. in 8;
und des Mascaron letzte worte des sterbenden Senecae
pag.
46. 50.
(c) Jn einem garten, allwo er fast alle seine zeit zubrachte.
vid. Laert. lib. 10; und Thomasii monath-gespr. P. 2
p. 125 seq.
(d) vide Rondelium in Epicuri vita p. m. 15. 35.

Vermiſchte Getichte.

Und dieſe wiſſenſchafft heißt kein gemahlter dunſt:
Sie laͤutert den verſtand von allen finſterniſſen,
Und ſuͤhret unſer hertz in wahre ſicherheit;
Allein, wo lernt man ſie, als in der einſamkeit?

20.
Die groͤſten geiſter zieht der einſamkeit magnet:
Adonis ſucht in ihr* das labſal ſeiner ſeele:
Der groß Arioviſt**, den ſtand und macht erhoͤht,
Fand endlich ruh und grab in einer duͤſtren hoͤle.
Was macht’, o Salomo***! ſonſt, als das ſtille land,
Dir die vergaͤnglichkeit der eitlen luſt bekannt?
21.
Wo ſchoͤpfft Alcinous (a) und Atlas ſanffte ruh?
Wo hieng Semiramis die ſorgen an den nagel?
Wo legt’ ihm Seneca (b) ſo groſſe weißheit zu?
Wo lehret’ Epicur (c), dem kein verleumdungs-hagel (d)
Der
philoſophie mochte kayſer Conrad haben, deſſen denckſpruch
war: Rede wenig mit andern, viel mit dir ſelbſten. An-
tiſthenes rogatus, quidnam ex philoſophia lucratus eſſet?
Mecum, ait, colloqui poſſe. Laert. lib. VI.
* Dieſer koͤnig in Cypern erleichterte ſein mit reichs-ſorgen be-
laͤſtetes gemuͤthe in einem einſamen blumen-garten.
** Dieſes gruͤndet ſich blos auf des Herꝛn von Lohenſtein
Arminium.
*** vid. Nicolaus Fauquetus in der vorrede uͤber ſeine Con-
ſeils de la ſageſſe,
ſo anno 1691 aus dem Frantzoͤſiſchen ins
Teutſche vertirt heraus kommen.
(a) vid. Lohenſt. Armin. im 2 theil p. 431.
(b) vid. Lipſius de Vita & ſcriptis Senecæ p. 25 & 32 ed. in 8;
und des Maſcaron letzte worte des ſterbenden Senecæ
pag.
46. 50.
(c) Jn einem garten, allwo er faſt alle ſeine zeit zubrachte.
vid. Laert. lib. 10; und Thomaſii monath-geſpr. P. 2
p. 125 ſeq.
(d) vide Rondelium in Epicuri vita p. m. 15. 35.
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[349/0373] Vermiſchte Getichte. Und dieſe wiſſenſchafft heißt kein gemahlter dunſt: Sie laͤutert den verſtand von allen finſterniſſen, Und ſuͤhret unſer hertz in wahre ſicherheit; Allein, wo lernt man ſie, als in der einſamkeit? 20. Die groͤſten geiſter zieht der einſamkeit magnet: Adonis ſucht in ihr * das labſal ſeiner ſeele: Der groß Arioviſt **, den ſtand und macht erhoͤht, Fand endlich ruh und grab in einer duͤſtren hoͤle. Was macht’, o Salomo ***! ſonſt, als das ſtille land, Dir die vergaͤnglichkeit der eitlen luſt bekannt? 21. Wo ſchoͤpfft Alcinous (a) und Atlas ſanffte ruh? Wo hieng Semiramis die ſorgen an den nagel? Wo legt’ ihm Seneca (b) ſo groſſe weißheit zu? Wo lehret’ Epicur (c), dem kein verleumdungs-hagel (d) Der **** * Dieſer koͤnig in Cypern erleichterte ſein mit reichs-ſorgen be- laͤſtetes gemuͤthe in einem einſamen blumen-garten. ** Dieſes gruͤndet ſich blos auf des Herꝛn von Lohenſtein Arminium. *** vid. Nicolaus Fauquetus in der vorrede uͤber ſeine Con- ſeils de la ſageſſe, ſo anno 1691 aus dem Frantzoͤſiſchen ins Teutſche vertirt heraus kommen. (a) vid. Lohenſt. Armin. im 2 theil p. 431. (b) vid. Lipſius de Vita & ſcriptis Senecæ p. 25 & 32 ed. in 8; und des Maſcaron letzte worte des ſterbenden Senecæ pag. 46. 50. (c) Jn einem garten, allwo er faſt alle ſeine zeit zubrachte. vid. Laert. lib. 10; und Thomaſii monath-geſpr. P. 2 p. 125 ſeq. (d) vide Rondelium in Epicuri vita p. m. 15. 35. **** philoſophie mochte kayſer Conrad haben, deſſen denckſpruch war: Rede wenig mit andern, viel mit dir ſelbſten. An- tiſthenes rogatus, quidnam ex philoſophia lucratus eſſet? Mecum, ait, colloqui poſſe. Laert. lib. VI.

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/373>, abgerufen am 27.11.2024.