Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Leanders aus Schlesien Warum die jungfern itzt so zeitlich DEr jungfer-krantz ist schwer: und bricht das alter ein,heyrathen? So muß das arme ding verlegne waare seyn; Welch kluger wolte nun die damen itzt verdencken, Daß sie den jungfer-krantz bald an den nagel hencken? Was zur poesie erfordert werde. ZUr poesie gehört erfahrung, witz und zeit,Ein angebohrner trieb, ruh, lust und einsamkeit. Grabschrifft des Timons, VErwundert euch nur nicht, daß Timons leichen-steineines Griechischen Philosophi. So ferne von Athen in dieser wüste lieget: Weil ihn die einsamkeit mehr als die stadt vergnüget, So muste sie sein haus und auch sein kirch-hof seyn. Abbildung etlicher thorheiten, so sonderlich auf universitäten paßiren. 1. BEh nur! geh, verbuhlte dirne!Jch begehre keinen kuß: Ob an deiner geilen stirne Gleich manch schiff zerscheitern muß. Die sich dir zum selaven machen, Sind wahrhafftig auszulachen. 2. Heisst das nicht rechtschaffen rasen,Wenn ein kerl sich so verliebt? Unge-
Leanders aus Schleſien Warum die jungfern itzt ſo zeitlich DEr jungfer-krantz iſt ſchwer: und bricht das alter ein,heyrathen? So muß das arme ding verlegne waare ſeyn; Welch kluger wolte nun die damen itzt verdencken, Daß ſie den jungfer-krantz bald an den nagel hencken? Was zur poeſie erfordert werde. ZUr poeſie gehoͤrt erfahrung, witz und zeit,Ein angebohrner trieb, ruh, luſt und einſamkeit. Grabſchrifft des Timons, VErwundert euch nur nicht, daß Timons leichen-ſteineines Griechiſchen Philoſophi. So ferne von Athen in dieſer wuͤſte lieget: Weil ihn die einſamkeit mehr als die ſtadt vergnuͤget, So muſte ſie ſein haus und auch ſein kirch-hof ſeyn. Abbildung etlicher thorheiten, ſo ſonderlich auf univerſitaͤten paßiren. 1. BEh nur! geh, verbuhlte dirne!Jch begehre keinen kuß: Ob an deiner geilen ſtirne Gleich manch ſchiff zerſcheitern muß. Die ſich dir zum ſelaven machen, Sind wahrhafftig auszulachen. 2. Heiſſt das nicht rechtſchaffen raſen,Wenn ein kerl ſich ſo verliebt? Unge-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0364" n="340"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schleſien</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Warum die jungfern itzt ſo zeitlich<lb/> heyrathen?</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>Er jungfer-krantz iſt ſchwer: und bricht das alter ein,</l><lb/> <l>So muß das arme ding verlegne waare ſeyn;</l><lb/> <l>Welch kluger wolte nun die damen itzt verdencken,</l><lb/> <l>Daß ſie den jungfer-krantz bald an den nagel hencken?</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Was zur poeſie erfordert werde.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">Z</hi>Ur poeſie gehoͤrt erfahrung, witz und zeit,</l><lb/> <l>Ein angebohrner trieb, ruh, luſt und einſamkeit.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Grabſchrifft des Timons,<lb/> eines Griechiſchen <hi rendition="#aq">Philoſophi.</hi></hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">V</hi>Erwundert euch nur nicht, daß Timons leichen-ſtein</l><lb/> <l>So ferne von Athen in dieſer wuͤſte lieget:</l><lb/> <l>Weil ihn die einſamkeit mehr als die ſtadt vergnuͤget,</l><lb/> <l>So muſte ſie ſein haus und auch ſein kirch-hof ſeyn.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Abbildung etlicher thorheiten, ſo ſonderlich<lb/> auf univerſitaͤten paßiren.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <head>1.</head><lb/> <l><hi rendition="#in">B</hi>Eh nur! geh, verbuhlte dirne!</l><lb/> <l>Jch begehre keinen kuß:</l><lb/> <l>Ob an deiner geilen ſtirne</l><lb/> <l>Gleich manch ſchiff zerſcheitern muß.</l><lb/> <l>Die ſich dir zum ſelaven machen,</l><lb/> <l>Sind wahrhafftig auszulachen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <head>2.</head><lb/> <l>Heiſſt das nicht rechtſchaffen raſen,</l><lb/> <l>Wenn ein kerl ſich ſo verliebt?<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Unge-</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [340/0364]
Leanders aus Schleſien
Warum die jungfern itzt ſo zeitlich
heyrathen?
DEr jungfer-krantz iſt ſchwer: und bricht das alter ein,
So muß das arme ding verlegne waare ſeyn;
Welch kluger wolte nun die damen itzt verdencken,
Daß ſie den jungfer-krantz bald an den nagel hencken?
Was zur poeſie erfordert werde.
ZUr poeſie gehoͤrt erfahrung, witz und zeit,
Ein angebohrner trieb, ruh, luſt und einſamkeit.
Grabſchrifft des Timons,
eines Griechiſchen Philoſophi.
VErwundert euch nur nicht, daß Timons leichen-ſtein
So ferne von Athen in dieſer wuͤſte lieget:
Weil ihn die einſamkeit mehr als die ſtadt vergnuͤget,
So muſte ſie ſein haus und auch ſein kirch-hof ſeyn.
Abbildung etlicher thorheiten, ſo ſonderlich
auf univerſitaͤten paßiren.
1.
BEh nur! geh, verbuhlte dirne!
Jch begehre keinen kuß:
Ob an deiner geilen ſtirne
Gleich manch ſchiff zerſcheitern muß.
Die ſich dir zum ſelaven machen,
Sind wahrhafftig auszulachen.
2.
Heiſſt das nicht rechtſchaffen raſen,
Wenn ein kerl ſich ſo verliebt?
Unge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/364 |
Zitationshilfe: | Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/364>, abgerufen am 17.02.2025. |