Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Getichte.
Man denckt itzund nicht mehr an tapffrer ahnen thaten:
Ein jeder folget blos dem sporne seiner wuth;
Doch kan der tugend macht nicht ihren helden rathen?
Straft denn der himmel nicht, was grimm und bosheit thut?
Darff meineyd und betrug auf sichern thronen sitzen?
Lacht des gelückes gunst nur die verräther an?
Verhängniß sonder recht! Du läßt die tugend schwitzen,
Wann ein verdammter schelm in rosen schlafen kan.
Bestürtzter Hannibal! in was vor labyrinthe
Reißt dich die ungeduld, das blendwerck der vernunfft?
Wenn gleich dein eyfer itzt auf donner-worte sinnte;
So weiß die freyheit doch von keiner wiederkunfft.
Die freyheit, so bißher mein abgott ist gewesen,
Geht, eh' ich selbst vergeh, wie flammen in den wind,
Und heißt mich zum verdruß den schweren ausspruch lesen:
Daß adler eben so, wie käfer, sterblich sind.
Doch soll ein edler fuß beschimpffte fessel tragen?
Muß Hannibal nun erst ein feiger sclave seyn?
Soll man den helden-arm in band und eisen schlagen?
Schliest deinen freyen geist ein düstrer kercker ein?
Nein, Hannibal! dein ruhm, der in entfernten ländern
Der barbarn ohren füllt, und biß an Thule dringt:
Dein nahmen, den kein grimm der zeiten darff verändern:
Dein ruf, den Famens hand biß an die sonne schwingt,
Kan eine solche nacht und engen zwang nicht leiden:
Sein blitz schlägt kett und band, als rohr und glas, entzwey.
Eh' muß ein kalter dolch die tapffre brust durchschneiden:
Eh' Rom sich rühmen soll, daß ich sein sclave sey.
Jch kan der feinde trutz in meinem zimmer schlagen.
Wenn der behertzte geist nur hand und sebel regt.
So darff kein stoltzer mund der frechen Römer sagen:
Es wurde Hannibal von meiner faust erlegt.
Jst gleich das offne schloß mit feinden rings umgeben:
Sind tausend schwerdter schon auf diesen hals gezuckt;
So wird doch Hannibal gantz ungebunden leben:
Dann ein gesetzter geist wird niemahls unterdruckt.
Es
Vermiſchte Getichte.
Man denckt itzund nicht mehr an tapffrer ahnen thaten:
Ein jeder folget blos dem ſporne ſeiner wuth;
Doch kan der tugend macht nicht ihren helden rathen?
Straft denn der himmel nicht, was grimm und bosheit thut?
Darff meineyd und betrug auf ſichern thronen ſitzen?
Lacht des geluͤckes gunſt nur die verraͤther an?
Verhaͤngniß ſonder recht! Du laͤßt die tugend ſchwitzen,
Wann ein verdammter ſchelm in roſen ſchlafen kan.
Beſtuͤrtzter Hannibal! in was vor labyrinthe
Reißt dich die ungeduld, das blendwerck der vernunfft?
Wenn gleich dein eyfer itzt auf donner-worte ſinnte;
So weiß die freyheit doch von keiner wiederkunfft.
Die freyheit, ſo bißher mein abgott iſt geweſen,
Geht, eh’ ich ſelbſt vergeh, wie flammen in den wind,
Und heißt mich zum verdruß den ſchweren ausſpruch leſen:
Daß adler eben ſo, wie kaͤfer, ſterblich ſind.
Doch ſoll ein edler fuß beſchimpffte feſſel tragen?
Muß Hannibal nun erſt ein feiger ſclave ſeyn?
Soll man den helden-arm in band und eiſen ſchlagen?
Schlieſt deinen freyen geiſt ein duͤſtrer kercker ein?
Nein, Hannibal! dein ruhm, der in entfernten laͤndern
Der barbarn ohren fuͤllt, und biß an Thule dringt:
Dein nahmen, den kein grimm der zeiten darff veraͤndern:
Dein ruf, den Famens hand biß an die ſonne ſchwingt,
Kan eine ſolche nacht und engen zwang nicht leiden:
Sein blitz ſchlaͤgt kett und band, als rohr und glas, entzwey.
Eh’ muß ein kalter dolch die tapffre bruſt durchſchneiden:
Eh’ Rom ſich ruͤhmen ſoll, daß ich ſein ſclave ſey.
Jch kan der feinde trutz in meinem zimmer ſchlagen.
Wenn der behertzte geiſt nur hand und ſebel regt.
So darff kein ſtoltzer mund der frechen Roͤmer ſagen:
Es wurde Hannibal von meiner fauſt erlegt.
Jſt gleich das offne ſchloß mit feinden rings umgeben:
Sind tauſend ſchwerdter ſchon auf dieſen hals gezuckt;
So wird doch Hannibal gantz ungebunden leben:
Dann ein geſetzter geiſt wird niemahls unterdruckt.
Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0359" n="335"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Getichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Man denckt itzund nicht mehr an tapffrer ahnen thaten:</l><lb/>
            <l>Ein jeder folget blos dem &#x017F;porne &#x017F;einer wuth;</l><lb/>
            <l>Doch kan der tugend macht nicht ihren helden rathen?</l><lb/>
            <l>Straft denn der himmel nicht, was grimm und bosheit thut?</l><lb/>
            <l>Darff meineyd und betrug auf &#x017F;ichern thronen &#x017F;itzen?</l><lb/>
            <l>Lacht des gelu&#x0364;ckes gun&#x017F;t nur die verra&#x0364;ther an?</l><lb/>
            <l>Verha&#x0364;ngniß &#x017F;onder recht! Du la&#x0364;ßt die tugend &#x017F;chwitzen,</l><lb/>
            <l>Wann ein verdammter &#x017F;chelm in ro&#x017F;en &#x017F;chlafen kan.</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;tu&#x0364;rtzter Hannibal! in was vor labyrinthe</l><lb/>
            <l>Reißt dich die ungeduld, das blendwerck der vernunfft?</l><lb/>
            <l>Wenn gleich dein eyfer itzt auf donner-worte &#x017F;innte;</l><lb/>
            <l>So weiß die freyheit doch von keiner wiederkunfft.</l><lb/>
            <l>Die freyheit, &#x017F;o bißher mein abgott i&#x017F;t gewe&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Geht, eh&#x2019; ich &#x017F;elb&#x017F;t vergeh, wie flammen in den wind,</l><lb/>
            <l>Und heißt mich zum verdruß den &#x017F;chweren aus&#x017F;pruch le&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Daß adler eben &#x017F;o, wie ka&#x0364;fer, &#x017F;terblich &#x017F;ind.</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;oll ein edler fuß be&#x017F;chimpffte fe&#x017F;&#x017F;el tragen?</l><lb/>
            <l>Muß Hannibal nun er&#x017F;t ein feiger &#x017F;clave &#x017F;eyn?</l><lb/>
            <l>Soll man den helden-arm in band und ei&#x017F;en &#x017F;chlagen?</l><lb/>
            <l>Schlie&#x017F;t deinen freyen gei&#x017F;t ein du&#x0364;&#x017F;trer kercker ein?</l><lb/>
            <l>Nein, Hannibal! dein ruhm, der in entfernten la&#x0364;ndern</l><lb/>
            <l>Der barbarn ohren fu&#x0364;llt, und biß an Thule dringt:</l><lb/>
            <l>Dein nahmen, den kein grimm der zeiten darff vera&#x0364;ndern:</l><lb/>
            <l>Dein ruf, den Famens hand biß an die &#x017F;onne &#x017F;chwingt,</l><lb/>
            <l>Kan eine &#x017F;olche nacht und engen zwang nicht leiden:</l><lb/>
            <l>Sein blitz &#x017F;chla&#x0364;gt kett und band, als rohr und glas, entzwey.</l><lb/>
            <l>Eh&#x2019; muß ein kalter dolch die tapffre bru&#x017F;t durch&#x017F;chneiden:</l><lb/>
            <l>Eh&#x2019; Rom &#x017F;ich ru&#x0364;hmen &#x017F;oll, daß ich &#x017F;ein &#x017F;clave &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>Jch kan der feinde trutz in meinem zimmer &#x017F;chlagen.</l><lb/>
            <l>Wenn der behertzte gei&#x017F;t nur hand und &#x017F;ebel regt.</l><lb/>
            <l>So darff kein &#x017F;toltzer mund der frechen Ro&#x0364;mer &#x017F;agen:</l><lb/>
            <l>Es wurde Hannibal von meiner fau&#x017F;t erlegt.</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t gleich das offne &#x017F;chloß mit feinden rings umgeben:</l><lb/>
            <l>Sind tau&#x017F;end &#x017F;chwerdter &#x017F;chon auf die&#x017F;en hals gezuckt;</l><lb/>
            <l>So wird doch Hannibal gantz ungebunden leben:</l><lb/>
            <l>Dann ein ge&#x017F;etzter gei&#x017F;t wird niemahls unterdruckt.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0359] Vermiſchte Getichte. Man denckt itzund nicht mehr an tapffrer ahnen thaten: Ein jeder folget blos dem ſporne ſeiner wuth; Doch kan der tugend macht nicht ihren helden rathen? Straft denn der himmel nicht, was grimm und bosheit thut? Darff meineyd und betrug auf ſichern thronen ſitzen? Lacht des geluͤckes gunſt nur die verraͤther an? Verhaͤngniß ſonder recht! Du laͤßt die tugend ſchwitzen, Wann ein verdammter ſchelm in roſen ſchlafen kan. Beſtuͤrtzter Hannibal! in was vor labyrinthe Reißt dich die ungeduld, das blendwerck der vernunfft? Wenn gleich dein eyfer itzt auf donner-worte ſinnte; So weiß die freyheit doch von keiner wiederkunfft. Die freyheit, ſo bißher mein abgott iſt geweſen, Geht, eh’ ich ſelbſt vergeh, wie flammen in den wind, Und heißt mich zum verdruß den ſchweren ausſpruch leſen: Daß adler eben ſo, wie kaͤfer, ſterblich ſind. Doch ſoll ein edler fuß beſchimpffte feſſel tragen? Muß Hannibal nun erſt ein feiger ſclave ſeyn? Soll man den helden-arm in band und eiſen ſchlagen? Schlieſt deinen freyen geiſt ein duͤſtrer kercker ein? Nein, Hannibal! dein ruhm, der in entfernten laͤndern Der barbarn ohren fuͤllt, und biß an Thule dringt: Dein nahmen, den kein grimm der zeiten darff veraͤndern: Dein ruf, den Famens hand biß an die ſonne ſchwingt, Kan eine ſolche nacht und engen zwang nicht leiden: Sein blitz ſchlaͤgt kett und band, als rohr und glas, entzwey. Eh’ muß ein kalter dolch die tapffre bruſt durchſchneiden: Eh’ Rom ſich ruͤhmen ſoll, daß ich ſein ſclave ſey. Jch kan der feinde trutz in meinem zimmer ſchlagen. Wenn der behertzte geiſt nur hand und ſebel regt. So darff kein ſtoltzer mund der frechen Roͤmer ſagen: Es wurde Hannibal von meiner fauſt erlegt. Jſt gleich das offne ſchloß mit feinden rings umgeben: Sind tauſend ſchwerdter ſchon auf dieſen hals gezuckt; So wird doch Hannibal gantz ungebunden leben: Dann ein geſetzter geiſt wird niemahls unterdruckt. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/359
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/359>, abgerufen am 27.11.2024.