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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Und kunst gewiesen hat! Das Asien gebaut,
Wodurch sich die natur selbst überwunden schaut!
Der liebe griffel hat die grabschrifft eingeätzt,
Und statt der farbe sie mit thränen voll genetzt:
Sie baut in dieser grufft vor meines fürsten ruhm,
Dem tode zum verdruß ein ewig heiligthum.
Doch liebe! welch ein fleck beschmützt dein ehren-kleid,
Wenn ich die marmel hier zu neben-buhlern leid'?
Und meiner seele gluth, die keiner thränen guß
Zu leschen fähig ist, mit ihnen theilen muß?
Nein, Artemisia! nachdem Mausolens geist
Jtzt in das blasse feld der todten abgereist,
So muß die liebe doch die strahlen von sich streun,
Und auch die asche selbst in dir lebendig seyn.


Als tit. Herr Professor Buddeus zu Halle
d. 19 Jun. 1705 Doctor Theologiae ernennet
wurde, im nahmen einiger seiner
haus-pursche.
DJe weisheit der vernunfft ist kein geringes licht,
Wenn der begierden dampff nicht ihren schein verdunckelt:
Sie ist dem monden gleich, der in den nächten funckelt,
Wenn keiner wolcken dunst die strahlen unterbricht:
Sie lehrt die kleine welt sich durch die groß' erbauen,
Und läßt den schöpffer uns aus den geschöpffen schauen.
2.
Der mensch würd' ohne sie kein rechter mensch nicht seyn:
Sie weist ihm, was er ist: Sie giebt ihm sitten-regeln:
Sie ist der see-compaß, nachdem die klugen segeln:
Sie zeigt die strudel an, so uns den schiffbruch dräun:
Sie macht den selbst-betrug, den falschen schein zu nichte,
Und zieht der heucheley die larve vom gesichte.
Doch
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Vermiſchte Getichte.
Und kunſt gewieſen hat! Das Aſien gebaut,
Wodurch ſich die natur ſelbſt uͤberwunden ſchaut!
Der liebe griffel hat die grabſchrifft eingeaͤtzt,
Und ſtatt der farbe ſie mit thraͤnen voll genetzt:
Sie baut in dieſer grufft vor meines fuͤrſten ruhm,
Dem tode zum verdruß ein ewig heiligthum.
Doch liebe! welch ein fleck beſchmuͤtzt dein ehren-kleid,
Wenn ich die marmel hier zu neben-buhlern leid’?
Und meiner ſeele gluth, die keiner thraͤnen guß
Zu leſchen faͤhig iſt, mit ihnen theilen muß?
Nein, Artemiſia! nachdem Mauſolens geiſt
Jtzt in das blaſſe feld der todten abgereiſt,
So muß die liebe doch die ſtrahlen von ſich ſtreun,
Und auch die aſche ſelbſt in dir lebendig ſeyn.


Als tit. Herꝛ Profeſſor Buddeus zu Halle
d. 19 Jun. 1705 Doctor Theologiæ ernennet
wurde, im nahmen einiger ſeiner
haus-purſche.
DJe weisheit der vernunfft iſt kein geringes licht,
Wenn der begierden dampff nicht ihren ſchein verdunckelt:
Sie iſt dem monden gleich, der in den naͤchten funckelt,
Wenn keiner wolcken dunſt die ſtrahlen unterbricht:
Sie lehrt die kleine welt ſich durch die groß’ erbauen,
Und laͤßt den ſchoͤpffer uns aus den geſchoͤpffen ſchauen.
2.
Der menſch wuͤrd’ ohne ſie kein rechter menſch nicht ſeyn:
Sie weiſt ihm, was er iſt: Sie giebt ihm ſitten-regeln:
Sie iſt der ſee-compaß, nachdem die klugen ſegeln:
Sie zeigt die ſtrudel an, ſo uns den ſchiffbruch draͤun:
Sie macht den ſelbſt-betrug, den falſchen ſchein zu nichte,
Und zieht der heucheley die larve vom geſichte.
Doch
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[329/0353] Vermiſchte Getichte. Und kunſt gewieſen hat! Das Aſien gebaut, Wodurch ſich die natur ſelbſt uͤberwunden ſchaut! Der liebe griffel hat die grabſchrifft eingeaͤtzt, Und ſtatt der farbe ſie mit thraͤnen voll genetzt: Sie baut in dieſer grufft vor meines fuͤrſten ruhm, Dem tode zum verdruß ein ewig heiligthum. Doch liebe! welch ein fleck beſchmuͤtzt dein ehren-kleid, Wenn ich die marmel hier zu neben-buhlern leid’? Und meiner ſeele gluth, die keiner thraͤnen guß Zu leſchen faͤhig iſt, mit ihnen theilen muß? Nein, Artemiſia! nachdem Mauſolens geiſt Jtzt in das blaſſe feld der todten abgereiſt, So muß die liebe doch die ſtrahlen von ſich ſtreun, Und auch die aſche ſelbſt in dir lebendig ſeyn. Als tit. Herꝛ Profeſſor Buddeus zu Halle d. 19 Jun. 1705 Doctor Theologiæ ernennet wurde, im nahmen einiger ſeiner haus-purſche. DJe weisheit der vernunfft iſt kein geringes licht, Wenn der begierden dampff nicht ihren ſchein verdunckelt: Sie iſt dem monden gleich, der in den naͤchten funckelt, Wenn keiner wolcken dunſt die ſtrahlen unterbricht: Sie lehrt die kleine welt ſich durch die groß’ erbauen, Und laͤßt den ſchoͤpffer uns aus den geſchoͤpffen ſchauen. 2. Der menſch wuͤrd’ ohne ſie kein rechter menſch nicht ſeyn: Sie weiſt ihm, was er iſt: Sie giebt ihm ſitten-regeln: Sie iſt der ſee-compaß, nachdem die klugen ſegeln: Sie zeigt die ſtrudel an, ſo uns den ſchiffbruch draͤun: Sie macht den ſelbſt-betrug, den falſchen ſchein zu nichte, Und zieht der heucheley die larve vom geſichte. Doch X 5

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/353>, abgerufen am 24.11.2024.