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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Leanders aus Schlesien
Drum untersteh ich mich, dein klagen nicht zu tadeln;
Denn welch gesetze lehrt uns unbeweglich seyn?
Scharrt doch, was tugend, witz und nette sitten adeln,
Auch selbst ein stoicus nicht ohne thränen ein.
Jch kenne den verlust, und weiß, was du verlohren;
Dergleichen perlen sind itzt kein gemeiner schatz:
Ein tugend-reiches weib ist nicht so bald gebohren:
Die tugend findet nicht in allen frauen platz.
Man findet Helenen, die schwanen im gesichte,
Und in der seele doch so schwartz, als raben, seyn;
Denn die erfahrung macht des Plato satz zu nichte:
Die tugend kehre stets in schönen leibern ein.
Dein weinen ist gerecht. Weil deine Catharine,
Dem geist und leibe nach, vollkommen schöne war;
Ach! wäre sie doch noch! so kehrte sich die bühne
Der süssen liebe nicht in eine todten-bahr.
Drum, edle thränen! rinnt, die liebe will es haben:
Dein grosser vater fällt selbst deiner wehmuth bey:
Ach! daß wir doch, was fromm und seltsam ist, begraben!
Jst in der gantzen welt nichts vor dem tode frey?
Weiß denn Papinian hier keinen rath zu geben?
Darff der gesetzte tag nicht abgeschrieben seyn?
Hat denn die jugend nicht ein grösser recht zu leben?
Und schlägt der donner auch in grüne myrthen ein?
Ach leyder! ja er schlägt, und hat bereits geschlagen,
Daß dein bestürtzter geist kaum bey sich selber ist.
Dein schatz, dein holder schatz, wird in die grufft getragen,
Wo man nur einsamkeit und finsterniß erkiest.
Die rosen wandeln sich in traurige eypressen;
Allein, was reiß ich hier die wunden weiter auf?
Wo aug und traurigkeit gemüth und hertze pressen,
Da läst man ohnedem den thränen ihren lauff.
Und darum solt ich nur bewährte pflaster bringen;
Doch wer die harffe selbst an bittre weyden hängt,
Dem kan, Hoch-edler Stryck! kein rechter trost gelingen:
Wie sehr man immerhin auf öl und balsam denckt.
Zwar,
Leanders aus Schleſien
Drum unterſteh ich mich, dein klagen nicht zu tadeln;
Denn welch geſetze lehrt uns unbeweglich ſeyn?
Scharꝛt doch, was tugend, witz und nette ſitten adeln,
Auch ſelbſt ein ſtoicus nicht ohne thraͤnen ein.
Jch kenne den verluſt, und weiß, was du verlohren;
Dergleichen perlen ſind itzt kein gemeiner ſchatz:
Ein tugend-reiches weib iſt nicht ſo bald gebohren:
Die tugend findet nicht in allen frauen platz.
Man findet Helenen, die ſchwanen im geſichte,
Und in der ſeele doch ſo ſchwartz, als raben, ſeyn;
Denn die erfahrung macht des Plato ſatz zu nichte:
Die tugend kehre ſtets in ſchoͤnen leibern ein.
Dein weinen iſt gerecht. Weil deine Catharine,
Dem geiſt und leibe nach, vollkommen ſchoͤne war;
Ach! waͤre ſie doch noch! ſo kehrte ſich die buͤhne
Der ſuͤſſen liebe nicht in eine todten-bahr.
Drum, edle thraͤnen! rinnt, die liebe will es haben:
Dein groſſer vater faͤllt ſelbſt deiner wehmuth bey:
Ach! daß wir doch, was fromm und ſeltſam iſt, begraben!
Jſt in der gantzen welt nichts vor dem tode frey?
Weiß denn Papinian hier keinen rath zu geben?
Darff der geſetzte tag nicht abgeſchrieben ſeyn?
Hat denn die jugend nicht ein groͤſſer recht zu leben?
Und ſchlaͤgt der donner auch in gruͤne myrthen ein?
Ach leyder! ja er ſchlaͤgt, und hat bereits geſchlagen,
Daß dein beſtuͤrtzter geiſt kaum bey ſich ſelber iſt.
Dein ſchatz, dein holder ſchatz, wird in die grufft getragen,
Wo man nur einſamkeit und finſterniß erkieſt.
Die roſen wandeln ſich in traurige eypreſſen;
Allein, was reiß ich hier die wunden weiter auf?
Wo aug und traurigkeit gemuͤth und hertze preſſen,
Da laͤſt man ohnedem den thraͤnen ihren lauff.
Und darum ſolt ich nur bewaͤhrte pflaſter bringen;
Doch wer die harffe ſelbſt an bittre weyden haͤngt,
Dem kan, Hoch-edler Stryck! kein rechter troſt gelingen:
Wie ſehr man immerhin auf oͤl und balſam denckt.
Zwar,
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[324/0348] Leanders aus Schleſien Drum unterſteh ich mich, dein klagen nicht zu tadeln; Denn welch geſetze lehrt uns unbeweglich ſeyn? Scharꝛt doch, was tugend, witz und nette ſitten adeln, Auch ſelbſt ein ſtoicus nicht ohne thraͤnen ein. Jch kenne den verluſt, und weiß, was du verlohren; Dergleichen perlen ſind itzt kein gemeiner ſchatz: Ein tugend-reiches weib iſt nicht ſo bald gebohren: Die tugend findet nicht in allen frauen platz. Man findet Helenen, die ſchwanen im geſichte, Und in der ſeele doch ſo ſchwartz, als raben, ſeyn; Denn die erfahrung macht des Plato ſatz zu nichte: Die tugend kehre ſtets in ſchoͤnen leibern ein. Dein weinen iſt gerecht. Weil deine Catharine, Dem geiſt und leibe nach, vollkommen ſchoͤne war; Ach! waͤre ſie doch noch! ſo kehrte ſich die buͤhne Der ſuͤſſen liebe nicht in eine todten-bahr. Drum, edle thraͤnen! rinnt, die liebe will es haben: Dein groſſer vater faͤllt ſelbſt deiner wehmuth bey: Ach! daß wir doch, was fromm und ſeltſam iſt, begraben! Jſt in der gantzen welt nichts vor dem tode frey? Weiß denn Papinian hier keinen rath zu geben? Darff der geſetzte tag nicht abgeſchrieben ſeyn? Hat denn die jugend nicht ein groͤſſer recht zu leben? Und ſchlaͤgt der donner auch in gruͤne myrthen ein? Ach leyder! ja er ſchlaͤgt, und hat bereits geſchlagen, Daß dein beſtuͤrtzter geiſt kaum bey ſich ſelber iſt. Dein ſchatz, dein holder ſchatz, wird in die grufft getragen, Wo man nur einſamkeit und finſterniß erkieſt. Die roſen wandeln ſich in traurige eypreſſen; Allein, was reiß ich hier die wunden weiter auf? Wo aug und traurigkeit gemuͤth und hertze preſſen, Da laͤſt man ohnedem den thraͤnen ihren lauff. Und darum ſolt ich nur bewaͤhrte pflaſter bringen; Doch wer die harffe ſelbſt an bittre weyden haͤngt, Dem kan, Hoch-edler Stryck! kein rechter troſt gelingen: Wie ſehr man immerhin auf oͤl und balſam denckt. Zwar,

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/348>, abgerufen am 23.11.2024.