Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Leanders aus Schlesien
Leander an Sylvien, als er ihr das ver-
sprochne hündgen schicken
solte.
GEliebte Sylvia! stünd es in meinen händen,
So küßte dir itzund dein hündgen fuß und hand;
So aber kan ich nichts, als leere verse, senden,
Die dein gerechter zorn vielleicht zur gluth verbannt.
Jch bin zwar ausser schuld, so fern das schnöde glücke
Mich nicht gewähren läst, was ich dir zugesagt;
Doch warum hielt ich nicht das kühne wort zurücke?
Wohl diesem! der ja nichts auf gut gelücke wagt.
Du hast dann, schönes kind! das schönste recht zu zürnen,
Biß ich die missethat vollkommen abgebüßt:
Wiewohl, du gleichst vielmehr den gütigen gestirnen,
Aus denen lauter gold geneigter strahlen fließt.
Diß, hoff' ich. Sylvia! laß meine hoffnung gelten,
Weil die vergebung dir nicht wenig ehre bringt!
Die cantzel selber pflegt, auf zorn und grimm zu schelten:
Du weist, wie Seeligmann auf lieb und sanfftmuth dringt.
Man muß die predigten der priester nicht verwerffen,
Denn ihre wachsamkeit bewahrt des HErren haus:
Sie wissen bald das schwerd des cherubims zu schärffen,
Und jagen uns damit von Edens garten aus.
Ach! könnt' ich meine lieb itzt in ein hündgen kehren!
So wär ich meiner furcht am allerbesten los:
Jch weiß, du würdest es mit eigner hand ernähren:
Es ruhte manche stund auf deiner sanfften schos.
Du würdest ihm auch selbst das bette nicht verschliessen,
Jn welches Sylvia die zarten glieder streckt:
Es dürffte dir getrost die reinen lippen küssen,
Wo krafft und lieblichkeit in warmen rosen steckt.
Sonst kostet es viel müh, ein hündgen abzurichten;
Hier aber hättest du dergleichen sorge nicht:
Es würde dir zu lieb auf lauter künste tichten!
Dein auge wär' sein stern, dein augen-winck sein licht.
Es
Leanders aus Schleſien
Leander an Sylvien, als er ihr das ver-
ſprochne huͤndgen ſchicken
ſolte.
GEliebte Sylvia! ſtuͤnd es in meinen haͤnden,
So kuͤßte dir itzund dein huͤndgen fuß und hand;
So aber kan ich nichts, als leere verſe, ſenden,
Die dein gerechter zorn vielleicht zur gluth verbannt.
Jch bin zwar auſſer ſchuld, ſo fern das ſchnoͤde gluͤcke
Mich nicht gewaͤhren laͤſt, was ich dir zugeſagt;
Doch warum hielt ich nicht das kuͤhne wort zuruͤcke?
Wohl dieſem! der ja nichts auf gut geluͤcke wagt.
Du haſt dann, ſchoͤnes kind! das ſchoͤnſte recht zu zuͤrnen,
Biß ich die miſſethat vollkommen abgebuͤßt:
Wiewohl, du gleichſt vielmehr den guͤtigen geſtirnen,
Aus denen lauter gold geneigter ſtrahlen fließt.
Diß, hoff’ ich. Sylvia! laß meine hoffnung gelten,
Weil die vergebung dir nicht wenig ehre bringt!
Die cantzel ſelber pflegt, auf zorn und grimm zu ſchelten:
Du weiſt, wie Seeligmann auf lieb und ſanfftmuth dringt.
Man muß die predigten der prieſter nicht verwerffen,
Denn ihre wachſamkeit bewahrt des HErren haus:
Sie wiſſen bald das ſchwerd des cherubims zu ſchaͤrffen,
Und jagen uns damit von Edens garten aus.
Ach! koͤnnt’ ich meine lieb itzt in ein huͤndgen kehren!
So waͤr ich meiner furcht am allerbeſten los:
Jch weiß, du wuͤrdeſt es mit eigner hand ernaͤhren:
Es ruhte manche ſtund auf deiner ſanfften ſchos.
Du wuͤrdeſt ihm auch ſelbſt das bette nicht verſchlieſſen,
Jn welches Sylvia die zarten glieder ſtreckt:
Es duͤrffte dir getroſt die reinen lippen kuͤſſen,
Wo krafft und lieblichkeit in warmen roſen ſteckt.
Sonſt koſtet es viel muͤh, ein huͤndgen abzurichten;
Hier aber haͤtteſt du dergleichen ſorge nicht:
Es wuͤrde dir zu lieb auf lauter kuͤnſte tichten!
Dein auge waͤr’ ſein ſtern, dein augen-winck ſein licht.
Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0320" n="296"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Leander an Sylvien, als er ihr das ver-<lb/>
&#x017F;prochne hu&#x0364;ndgen &#x017F;chicken<lb/>
&#x017F;olte.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">G</hi>Eliebte Sylvia! &#x017F;tu&#x0364;nd es in meinen ha&#x0364;nden,</l><lb/>
            <l>So ku&#x0364;ßte dir itzund dein hu&#x0364;ndgen fuß und hand;</l><lb/>
            <l>So aber kan ich nichts, als leere ver&#x017F;e, &#x017F;enden,</l><lb/>
            <l>Die dein gerechter zorn vielleicht zur gluth verbannt.</l><lb/>
            <l>Jch bin zwar au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chuld, &#x017F;o fern das &#x017F;chno&#x0364;de glu&#x0364;cke</l><lb/>
            <l>Mich nicht gewa&#x0364;hren la&#x0364;&#x017F;t, was ich dir zuge&#x017F;agt;</l><lb/>
            <l>Doch warum hielt ich nicht das ku&#x0364;hne wort zuru&#x0364;cke?</l><lb/>
            <l>Wohl die&#x017F;em! der ja nichts auf gut gelu&#x0364;cke wagt.</l><lb/>
            <l>Du ha&#x017F;t dann, &#x017F;cho&#x0364;nes kind! das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te recht zu zu&#x0364;rnen,</l><lb/>
            <l>Biß ich die mi&#x017F;&#x017F;ethat vollkommen abgebu&#x0364;ßt:</l><lb/>
            <l>Wiewohl, du gleich&#x017F;t vielmehr den gu&#x0364;tigen ge&#x017F;tirnen,</l><lb/>
            <l>Aus denen lauter gold geneigter &#x017F;trahlen fließt.</l><lb/>
            <l>Diß, hoff&#x2019; ich. Sylvia! laß meine hoffnung gelten,</l><lb/>
            <l>Weil die vergebung dir nicht wenig ehre bringt!</l><lb/>
            <l>Die cantzel &#x017F;elber pflegt, auf zorn und grimm zu &#x017F;chelten:</l><lb/>
            <l>Du wei&#x017F;t, wie Seeligmann auf lieb und &#x017F;anfftmuth dringt.</l><lb/>
            <l>Man muß die predigten der prie&#x017F;ter nicht verwerffen,</l><lb/>
            <l>Denn ihre wach&#x017F;amkeit bewahrt des HErren haus:</l><lb/>
            <l>Sie wi&#x017F;&#x017F;en bald das &#x017F;chwerd des cherubims zu &#x017F;cha&#x0364;rffen,</l><lb/>
            <l>Und jagen uns damit von Edens garten aus.</l><lb/>
            <l>Ach! ko&#x0364;nnt&#x2019; ich meine lieb itzt in ein hu&#x0364;ndgen kehren!</l><lb/>
            <l>So wa&#x0364;r ich meiner furcht am allerbe&#x017F;ten los:</l><lb/>
            <l>Jch weiß, du wu&#x0364;rde&#x017F;t es mit eigner hand erna&#x0364;hren:</l><lb/>
            <l>Es ruhte manche &#x017F;tund auf deiner &#x017F;anfften &#x017F;chos.</l><lb/>
            <l>Du wu&#x0364;rde&#x017F;t ihm auch &#x017F;elb&#x017F;t das bette nicht ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Jn welches Sylvia die zarten glieder &#x017F;treckt:</l><lb/>
            <l>Es du&#x0364;rffte dir getro&#x017F;t die reinen lippen ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wo krafft und lieblichkeit in warmen ro&#x017F;en &#x017F;teckt.</l><lb/>
            <l>Son&#x017F;t ko&#x017F;tet es viel mu&#x0364;h, ein hu&#x0364;ndgen abzurichten;</l><lb/>
            <l>Hier aber ha&#x0364;tte&#x017F;t du dergleichen &#x017F;orge nicht:</l><lb/>
            <l>Es wu&#x0364;rde dir zu lieb auf lauter ku&#x0364;n&#x017F;te tichten!</l><lb/>
            <l>Dein auge wa&#x0364;r&#x2019; &#x017F;ein &#x017F;tern, dein augen-winck &#x017F;ein licht.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0320] Leanders aus Schleſien Leander an Sylvien, als er ihr das ver- ſprochne huͤndgen ſchicken ſolte. GEliebte Sylvia! ſtuͤnd es in meinen haͤnden, So kuͤßte dir itzund dein huͤndgen fuß und hand; So aber kan ich nichts, als leere verſe, ſenden, Die dein gerechter zorn vielleicht zur gluth verbannt. Jch bin zwar auſſer ſchuld, ſo fern das ſchnoͤde gluͤcke Mich nicht gewaͤhren laͤſt, was ich dir zugeſagt; Doch warum hielt ich nicht das kuͤhne wort zuruͤcke? Wohl dieſem! der ja nichts auf gut geluͤcke wagt. Du haſt dann, ſchoͤnes kind! das ſchoͤnſte recht zu zuͤrnen, Biß ich die miſſethat vollkommen abgebuͤßt: Wiewohl, du gleichſt vielmehr den guͤtigen geſtirnen, Aus denen lauter gold geneigter ſtrahlen fließt. Diß, hoff’ ich. Sylvia! laß meine hoffnung gelten, Weil die vergebung dir nicht wenig ehre bringt! Die cantzel ſelber pflegt, auf zorn und grimm zu ſchelten: Du weiſt, wie Seeligmann auf lieb und ſanfftmuth dringt. Man muß die predigten der prieſter nicht verwerffen, Denn ihre wachſamkeit bewahrt des HErren haus: Sie wiſſen bald das ſchwerd des cherubims zu ſchaͤrffen, Und jagen uns damit von Edens garten aus. Ach! koͤnnt’ ich meine lieb itzt in ein huͤndgen kehren! So waͤr ich meiner furcht am allerbeſten los: Jch weiß, du wuͤrdeſt es mit eigner hand ernaͤhren: Es ruhte manche ſtund auf deiner ſanfften ſchos. Du wuͤrdeſt ihm auch ſelbſt das bette nicht verſchlieſſen, Jn welches Sylvia die zarten glieder ſtreckt: Es duͤrffte dir getroſt die reinen lippen kuͤſſen, Wo krafft und lieblichkeit in warmen roſen ſteckt. Sonſt koſtet es viel muͤh, ein huͤndgen abzurichten; Hier aber haͤtteſt du dergleichen ſorge nicht: Es wuͤrde dir zu lieb auf lauter kuͤnſte tichten! Dein auge waͤr’ ſein ſtern, dein augen-winck ſein licht. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/320
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/320>, abgerufen am 26.11.2024.