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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Verliebte und Galante Getichte.
Jhr bäume! wißt es auch, was ich in euch gegraben,
Ob zeit und unfall gleich die schrifft vertilget haben.
Des flusses tieffe schos trägt so viel tropffen nicht,
Als dieser rosen-busch, wo Venus blumen bricht,
Gebrochne seufftzer führt, so meine brust gebohren.
Doch wo gerath ich hin? Macht mich der schmertz zum thoren?
Was sing ich? Ach Florett'! ich weiß nicht, wo ich bin,
Der wind der traurigkeit führt meine geister hin.
Jch bin, als wie ein kahn, auf ungestümen fluthen;
Jndessen kanst du doch leicht meinen zweck vermuthen,
Obschon kein förmlich wort aus meinen lippen fliest,
Weil deiner augen witz auch die gedancken liest.
Wiewohl, du kanst es fast in jeder mien' erblicken,
Leander müsse sich auf einen abschied schicken.
O abschied voller pein! Hier starrte zung und mund:
Der augen nasser blick gab seine wehmuth kund:
Es ließ die kalte faust die leichte flöte fahren:
Und endlich sanck er selbst, da, wo er vor zwey jahren
Mit seinem Seladon vergnügt und tichtend saß,
Vor tieffer mattigkeit in das bethaute gras.
Es hatte nur sein geist sich wieder aufgeschwungen,
So rieff er: Blätter! kommt und werdet mir zu zungen,
Und saget, was so schwer von meinen lippen geht!
Doch weil ihr allesammt noch zugeschlossen steht,
Und mich der süsse mund der holden nachtigallen
Jtzt nicht vertreten kan; so laß mein schwaches lallen,
Beliebte schäferin! dir nicht entgegen seyn!
Erzürnst du dich doch nicht, wenn deine schafe schreyn;
Doch was vergleich ich mich mit den beglückten schafen,
Die immer um dich sind, an deiner seite schlafen,
Und die manch sanffter strich von deiner hand ergetzt,
Vor der die wolle sich nicht weich und sauber schätzt,
Ja, die mein schlechter mund nicht würdig ist zu küssen.
Florette! gute nacht! ich muß mein lallen schliessen:
Denn die verwirrung läst mir nichts gereimtes zu.
Florette! gute nacht! du leitstern meiner ruh!
Jch
T 3
Verliebte und Galante Getichte.
Jhr baͤume! wißt es auch, was ich in euch gegraben,
Ob zeit und unfall gleich die ſchrifft vertilget haben.
Des fluſſes tieffe ſchos traͤgt ſo viel tropffen nicht,
Als dieſer roſen-buſch, wo Venus blumen bricht,
Gebrochne ſeufftzer fuͤhrt, ſo meine bruſt gebohren.
Doch wo gerath ich hin? Macht mich der ſchmertz zum thoren?
Was ſing ich? Ach Florett’! ich weiß nicht, wo ich bin,
Der wind der traurigkeit fuͤhrt meine geiſter hin.
Jch bin, als wie ein kahn, auf ungeſtuͤmen fluthen;
Jndeſſen kanſt du doch leicht meinen zweck vermuthen,
Obſchon kein foͤrmlich wort aus meinen lippen flieſt,
Weil deiner augen witz auch die gedancken lieſt.
Wiewohl, du kanſt es faſt in jeder mien’ erblicken,
Leander muͤſſe ſich auf einen abſchied ſchicken.
O abſchied voller pein! Hier ſtarꝛte zung und mund:
Der augen naſſer blick gab ſeine wehmuth kund:
Es ließ die kalte fauſt die leichte floͤte fahren:
Und endlich ſanck er ſelbſt, da, wo er vor zwey jahren
Mit ſeinem Seladon vergnuͤgt und tichtend ſaß,
Vor tieffer mattigkeit in das bethaute gras.
Es hatte nur ſein geiſt ſich wieder aufgeſchwungen,
So rieff er: Blaͤtter! kommt und werdet mir zu zungen,
Und ſaget, was ſo ſchwer von meinen lippen geht!
Doch weil ihr alleſammt noch zugeſchloſſen ſteht,
Und mich der ſuͤſſe mund der holden nachtigallen
Jtzt nicht vertreten kan; ſo laß mein ſchwaches lallen,
Beliebte ſchaͤferin! dir nicht entgegen ſeyn!
Erzuͤrnſt du dich doch nicht, wenn deine ſchafe ſchreyn;
Doch was vergleich ich mich mit den begluͤckten ſchafen,
Die immer um dich ſind, an deiner ſeite ſchlafen,
Und die manch ſanffter ſtrich von deiner hand ergetzt,
Vor der die wolle ſich nicht weich und ſauber ſchaͤtzt,
Ja, die mein ſchlechter mund nicht wuͤrdig iſt zu kuͤſſen.
Florette! gute nacht! ich muß mein lallen ſchlieſſen:
Denn die verwirrung laͤſt mir nichts gereimtes zu.
Florette! gute nacht! du leitſtern meiner ruh!
Jch
T 3
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[293/0317] Verliebte und Galante Getichte. Jhr baͤume! wißt es auch, was ich in euch gegraben, Ob zeit und unfall gleich die ſchrifft vertilget haben. Des fluſſes tieffe ſchos traͤgt ſo viel tropffen nicht, Als dieſer roſen-buſch, wo Venus blumen bricht, Gebrochne ſeufftzer fuͤhrt, ſo meine bruſt gebohren. Doch wo gerath ich hin? Macht mich der ſchmertz zum thoren? Was ſing ich? Ach Florett’! ich weiß nicht, wo ich bin, Der wind der traurigkeit fuͤhrt meine geiſter hin. Jch bin, als wie ein kahn, auf ungeſtuͤmen fluthen; Jndeſſen kanſt du doch leicht meinen zweck vermuthen, Obſchon kein foͤrmlich wort aus meinen lippen flieſt, Weil deiner augen witz auch die gedancken lieſt. Wiewohl, du kanſt es faſt in jeder mien’ erblicken, Leander muͤſſe ſich auf einen abſchied ſchicken. O abſchied voller pein! Hier ſtarꝛte zung und mund: Der augen naſſer blick gab ſeine wehmuth kund: Es ließ die kalte fauſt die leichte floͤte fahren: Und endlich ſanck er ſelbſt, da, wo er vor zwey jahren Mit ſeinem Seladon vergnuͤgt und tichtend ſaß, Vor tieffer mattigkeit in das bethaute gras. Es hatte nur ſein geiſt ſich wieder aufgeſchwungen, So rieff er: Blaͤtter! kommt und werdet mir zu zungen, Und ſaget, was ſo ſchwer von meinen lippen geht! Doch weil ihr alleſammt noch zugeſchloſſen ſteht, Und mich der ſuͤſſe mund der holden nachtigallen Jtzt nicht vertreten kan; ſo laß mein ſchwaches lallen, Beliebte ſchaͤferin! dir nicht entgegen ſeyn! Erzuͤrnſt du dich doch nicht, wenn deine ſchafe ſchreyn; Doch was vergleich ich mich mit den begluͤckten ſchafen, Die immer um dich ſind, an deiner ſeite ſchlafen, Und die manch ſanffter ſtrich von deiner hand ergetzt, Vor der die wolle ſich nicht weich und ſauber ſchaͤtzt, Ja, die mein ſchlechter mund nicht wuͤrdig iſt zu kuͤſſen. Florette! gute nacht! ich muß mein lallen ſchlieſſen: Denn die verwirrung laͤſt mir nichts gereimtes zu. Florette! gute nacht! du leitſtern meiner ruh! Jch T 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/317>, abgerufen am 26.11.2024.