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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.

Er ist, wie dort der hohe priester:
Die welt erschallt vor seinem ruhm;
Und meritirt kaum einen küster:
Das macht, er hat den mantel um.

4.
Ein ander, der das recht verstehet,
Der tritt, als wie ein gott, herein,
Und wenn man nur von weitem gehet,
So muß der hut herunter seyn;
Ach! solte man den mantel rauben,
Der seine schande decken muß,
So würde man wahrhafftig glauben,
Er wäre kaum notarius.
5.
Manch medicus lebt sehr bequeme,
Und macht die kasten ziemlich schwer:
Man dächte, pest und hunger käme,
Wann dieser nicht zugegen wär;
Doch öffters trifft man in den messen
Wohl einen land-betrüger an,
Der hat so viel, als er vergessen:
Drum sehet, was der mantel kan.
6.
Wohlan! bey so gestalten sachen
Schmählt auf die neue kleidung nicht:
Es läst kein mensch ein neues machen,
Weil es das alte noch verricht;
Wir sind den vätern nachgeschlagen,
Die kinder machens eben so:
Den mantel, den wir alle tragen,
Der heist und bleibt opinio.



Aller-

Vermiſchte Getichte.

Er iſt, wie dort der hohe prieſter:
Die welt erſchallt vor ſeinem ruhm;
Und meritirt kaum einen kuͤſter:
Das macht, er hat den mantel um.

4.
Ein ander, der das recht verſtehet,
Der tritt, als wie ein gott, herein,
Und wenn man nur von weitem gehet,
So muß der hut herunter ſeyn;
Ach! ſolte man den mantel rauben,
Der ſeine ſchande decken muß,
So wuͤrde man wahrhafftig glauben,
Er waͤre kaum notarius.
5.
Manch medicus lebt ſehr bequeme,
Und macht die kaſten ziemlich ſchwer:
Man daͤchte, peſt und hunger kaͤme,
Wann dieſer nicht zugegen waͤr;
Doch oͤffters trifft man in den meſſen
Wohl einen land-betruͤger an,
Der hat ſo viel, als er vergeſſen:
Drum ſehet, was der mantel kan.
6.
Wohlan! bey ſo geſtalten ſachen
Schmaͤhlt auf die neue kleidung nicht:
Es laͤſt kein menſch ein neues machen,
Weil es das alte noch verricht;
Wir ſind den vaͤtern nachgeſchlagen,
Die kinder machens eben ſo:
Den mantel, den wir alle tragen,
Der heiſt und bleibt opinio.



Aller-
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[285/0309] Vermiſchte Getichte. Er iſt, wie dort der hohe prieſter: Die welt erſchallt vor ſeinem ruhm; Und meritirt kaum einen kuͤſter: Das macht, er hat den mantel um. 4. Ein ander, der das recht verſtehet, Der tritt, als wie ein gott, herein, Und wenn man nur von weitem gehet, So muß der hut herunter ſeyn; Ach! ſolte man den mantel rauben, Der ſeine ſchande decken muß, So wuͤrde man wahrhafftig glauben, Er waͤre kaum notarius. 5. Manch medicus lebt ſehr bequeme, Und macht die kaſten ziemlich ſchwer: Man daͤchte, peſt und hunger kaͤme, Wann dieſer nicht zugegen waͤr; Doch oͤffters trifft man in den meſſen Wohl einen land-betruͤger an, Der hat ſo viel, als er vergeſſen: Drum ſehet, was der mantel kan. 6. Wohlan! bey ſo geſtalten ſachen Schmaͤhlt auf die neue kleidung nicht: Es laͤſt kein menſch ein neues machen, Weil es das alte noch verricht; Wir ſind den vaͤtern nachgeſchlagen, Die kinder machens eben ſo: Den mantel, den wir alle tragen, Der heiſt und bleibt opinio. Aller-

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/309>, abgerufen am 17.07.2024.