Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Die wangen nur nicht mehr. Das, was der tod begräbet,Jst nicht, was ihr beweint; denn Leonora lebet. Eben darauf. ES sind, gelehrter mann! vier winter fast begraben,C. G. R. Seit dem ich dich gekannt, gehört und hochgeschätzt: Darum ich offt gewünscht, gelegenheit zu haben, Zu zeigen, was ein kiel verbundner diener setzt; Es hat sich aber nichts dergleichen fügen wollen, Biß deines kindes tod mich itzt zum tichter macht. Ach! hätt ich doch ein lied von freude schreiben sollen! Ach! wüste doch dein tag von keiner trauer-nacht! Dein kind, das liebste kind, die zarte Leonore Vergeht als wie ein licht, das kaum entglommen ist; Drum deckt dein antlitz sich mit einem duncklen flore, Jn deinem zimmer wird nur ach! und boy erkiest. Man höret nun nicht mehr das angeuehme lallen, Damit ihr kleiner mund der eltern hertz erfreut: Jhr unschuld-voller schertz, der allen wohl gefallen, Und viel verdruß versüßt, kehrt sich in herbes leid. Der muntre Friedrich sucht die schwester zwar zu wecken; Allein sie schläft den schlaf, den niemand stöhren kan; Drum steht er gantz bestürtzt, es will ihm nichts mehr schmecken, Und giebt mit trübem ach! sein liebstes spielwerck an. Hoch-werthester patron! es schiessen die cypressen Dir selber allzu früh in deinem garten auf. Der hoffnungs-bau verfällt, man kan es leicht ermessen, Dein schöner vorsatz hemmt den angefangnen lauff. Der himmel hatte dich zwey kinder küssen lassen, Es ließ uns die vernunfft was seltnes propheceyn: Die tochter wolt in sich der mutter tugend fassen, Der sohn ein contrefait des klugen vaters seyn; Allein
Begraͤbniß-Getichte. Die wangen nur nicht mehr. Das, was der tod begraͤbet,Jſt nicht, was ihr beweint; denn Leonora lebet. Eben darauf. ES ſind, gelehrter mann! vier winter faſt begraben,C. G. R. Seit dem ich dich gekannt, gehoͤrt und hochgeſchaͤtzt: Darum ich offt gewuͤnſcht, gelegenheit zu haben, Zu zeigen, was ein kiel verbundner diener ſetzt; Es hat ſich aber nichts dergleichen fuͤgen wollen, Biß deines kindes tod mich itzt zum tichter macht. Ach! haͤtt ich doch ein lied von freude ſchreiben ſollen! Ach! wuͤſte doch dein tag von keiner trauer-nacht! Dein kind, das liebſte kind, die zarte Leonore Vergeht als wie ein licht, das kaum entglommen iſt; Drum deckt dein antlitz ſich mit einem duncklen flore, Jn deinem zimmer wird nur ach! und boy erkieſt. Man hoͤret nun nicht mehr das angeuehme lallen, Damit ihr kleiner mund der eltern hertz erfreut: Jhr unſchuld-voller ſchertz, der allen wohl gefallen, Und viel verdruß verſuͤßt, kehrt ſich in herbes leid. Der muntre Friedrich ſucht die ſchweſter zwar zu wecken; Allein ſie ſchlaͤft den ſchlaf, den niemand ſtoͤhren kan; Drum ſteht er gantz beſtuͤrtzt, es will ihm nichts mehr ſchmecken, Und giebt mit truͤbem ach! ſein liebſtes ſpielwerck an. Hoch-wertheſter patron! es ſchieſſen die cypreſſen Dir ſelber allzu fruͤh in deinem garten auf. Der hoffnungs-bau verfaͤllt, man kan es leicht ermeſſen, Dein ſchoͤner vorſatz hemmt den angefangnen lauff. Der himmel hatte dich zwey kinder kuͤſſen laſſen, Es ließ uns die vernunfft was ſeltnes propheceyn: Die tochter wolt in ſich der mutter tugend faſſen, Der ſohn ein contrefait des klugen vaters ſeyn; Allein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0222" n="198"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begraͤbniß-Getichte.</hi> </fw><lb/> <l>Die wangen nur nicht mehr. Das, was der tod begraͤbet,</l><lb/> <l>Jſt nicht, was ihr beweint; denn Leonora lebet.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#b">Eben darauf.</hi><lb/> C. G. R.</head><lb/> <l><hi rendition="#in">E</hi>S ſind, gelehrter mann! vier winter faſt begraben,</l><lb/> <l>Seit dem ich dich gekannt, gehoͤrt und hochgeſchaͤtzt:</l><lb/> <l>Darum ich offt gewuͤnſcht, gelegenheit zu haben,</l><lb/> <l>Zu zeigen, was ein kiel verbundner diener ſetzt;</l><lb/> <l>Es hat ſich aber nichts dergleichen fuͤgen wollen,</l><lb/> <l>Biß deines kindes tod mich itzt zum tichter macht.</l><lb/> <l>Ach! haͤtt ich doch ein lied von freude ſchreiben ſollen!</l><lb/> <l>Ach! wuͤſte doch dein tag von keiner trauer-nacht!</l><lb/> <l>Dein kind, das liebſte kind, die zarte Leonore</l><lb/> <l>Vergeht als wie ein licht, das kaum entglommen iſt;</l><lb/> <l>Drum deckt dein antlitz ſich mit einem duncklen flore,</l><lb/> <l>Jn deinem zimmer wird nur ach! und boy erkieſt.</l><lb/> <l>Man hoͤret nun nicht mehr das angeuehme lallen,</l><lb/> <l>Damit ihr kleiner mund der eltern hertz erfreut:</l><lb/> <l>Jhr unſchuld-voller ſchertz, der allen wohl gefallen,</l><lb/> <l>Und viel verdruß verſuͤßt, kehrt ſich in herbes leid.</l><lb/> <l>Der muntre Friedrich ſucht die ſchweſter zwar zu wecken;</l><lb/> <l>Allein ſie ſchlaͤft den ſchlaf, den niemand ſtoͤhren kan;</l><lb/> <l>Drum ſteht er gantz beſtuͤrtzt, es will ihm nichts mehr ſchmecken,</l><lb/> <l>Und giebt mit truͤbem ach! ſein liebſtes ſpielwerck an.</l><lb/> <l>Hoch-wertheſter patron! es ſchieſſen die cypreſſen</l><lb/> <l>Dir ſelber allzu fruͤh in deinem garten auf.</l><lb/> <l>Der hoffnungs-bau verfaͤllt, man kan es leicht ermeſſen,</l><lb/> <l>Dein ſchoͤner vorſatz hemmt den angefangnen lauff.</l><lb/> <l>Der himmel hatte dich zwey kinder kuͤſſen laſſen,</l><lb/> <l>Es ließ uns die vernunfft was ſeltnes propheceyn:</l><lb/> <l>Die tochter wolt in ſich der mutter tugend faſſen,</l><lb/> <l>Der ſohn ein contrefait des klugen vaters ſeyn;</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Allein</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [198/0222]
Begraͤbniß-Getichte.
Die wangen nur nicht mehr. Das, was der tod begraͤbet,
Jſt nicht, was ihr beweint; denn Leonora lebet.
Eben darauf.
C. G. R.
ES ſind, gelehrter mann! vier winter faſt begraben,
Seit dem ich dich gekannt, gehoͤrt und hochgeſchaͤtzt:
Darum ich offt gewuͤnſcht, gelegenheit zu haben,
Zu zeigen, was ein kiel verbundner diener ſetzt;
Es hat ſich aber nichts dergleichen fuͤgen wollen,
Biß deines kindes tod mich itzt zum tichter macht.
Ach! haͤtt ich doch ein lied von freude ſchreiben ſollen!
Ach! wuͤſte doch dein tag von keiner trauer-nacht!
Dein kind, das liebſte kind, die zarte Leonore
Vergeht als wie ein licht, das kaum entglommen iſt;
Drum deckt dein antlitz ſich mit einem duncklen flore,
Jn deinem zimmer wird nur ach! und boy erkieſt.
Man hoͤret nun nicht mehr das angeuehme lallen,
Damit ihr kleiner mund der eltern hertz erfreut:
Jhr unſchuld-voller ſchertz, der allen wohl gefallen,
Und viel verdruß verſuͤßt, kehrt ſich in herbes leid.
Der muntre Friedrich ſucht die ſchweſter zwar zu wecken;
Allein ſie ſchlaͤft den ſchlaf, den niemand ſtoͤhren kan;
Drum ſteht er gantz beſtuͤrtzt, es will ihm nichts mehr ſchmecken,
Und giebt mit truͤbem ach! ſein liebſtes ſpielwerck an.
Hoch-wertheſter patron! es ſchieſſen die cypreſſen
Dir ſelber allzu fruͤh in deinem garten auf.
Der hoffnungs-bau verfaͤllt, man kan es leicht ermeſſen,
Dein ſchoͤner vorſatz hemmt den angefangnen lauff.
Der himmel hatte dich zwey kinder kuͤſſen laſſen,
Es ließ uns die vernunfft was ſeltnes propheceyn:
Die tochter wolt in ſich der mutter tugend faſſen,
Der ſohn ein contrefait des klugen vaters ſeyn;
Allein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |