Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Wer saltz in seiner brust, witz im gehirne führt,Der wird bey dieser grufft die sinnen nicht entfernen, Und von den todten auch des lebens klugheit lernen. Schaut, sterbliche! der sarg, den boy und kertze ziert, Jst nun das letzte haus auf dieser morschen erden, Jn welchem der von Mohl der glieder bau verschliest, Seit dem die ewigkeit der seelen losung ist. Jhm hat die späte welt viel müssen schuldig werden, Weil er des landes trost, der kirchen auge war; Doch wer den nachruhm will in wenig zeilen lesen, Der schreibe nur soviel auf seinen denck-altar: Sein gantzes leben ist ein rechter bau gewesen. Gleichwie ein irrdisch stoff des Adams ursprung hieß; So war sein lebens-bau zwar nur von schlechter erden, Doch must er durch den geist zu einem tempel werden, Daran die tugend selbst den zierath bauen ließ. Wenn sonsten farb und gips die zimmer herrlich machen; So sahe man bey ihm der ahnen vorbild stehn: Es durffte hier kein gold das aussenwerck erhöhn, Der sinnen schönster schmuck bestund in klugen sachen: Er war des landes thurm, der auf die vorsicht stund: Ein zeughaus voller witz, wo rath und that zu schauen: Ein pfeiler vor dem fall, ein ungemeiner grund, Darauf die wohlfarth ließ ihr leib-gedinge bauen. Lernt, sterbliche! worinn der seelen bau besteht! Sein bester grund-stein war gebet und GOttes güte, Der kalck die einigkeit, der sand ein gut gemüthe, Der eckstein die geduld und wahre pietät, Die pfosten strich er an mit blute von dem lamme, So offt des würgers geist bey ihm vorüber gieng: Und daß sein schwaches haus niemahls den fall empfieng, So untergrub er stets das holtz vom creutzes-stamme: Auf seinen treppen stieg der engel auf und ab: Sein bestes fenster war ein unverfälscht gewissen: Wer auf sein christenthum in allen achtung gab, Kunt' aus dem hause leicht des wirthes adel schlüssen. Nicht
Begraͤbniß-Getichte. Wer ſaltz in ſeiner bruſt, witz im gehirne fuͤhrt,Der wird bey dieſer grufft die ſinnen nicht entfernen, Und von den todten auch des lebens klugheit lernen. Schaut, ſterbliche! der ſarg, den boy und kertze ziert, Jſt nun das letzte haus auf dieſer morſchen erden, Jn welchem der von Mohl der glieder bau verſchlieſt, Seit dem die ewigkeit der ſeelen loſung iſt. Jhm hat die ſpaͤte welt viel muͤſſen ſchuldig werden, Weil er des landes troſt, der kirchen auge war; Doch wer den nachruhm will in wenig zeilen leſen, Der ſchreibe nur ſoviel auf ſeinen denck-altar: Sein gantzes leben iſt ein rechter bau geweſen. Gleichwie ein irꝛdiſch ſtoff des Adams urſprung hieß; So war ſein lebens-bau zwar nur von ſchlechter erden, Doch muſt er durch den geiſt zu einem tempel werden, Daran die tugend ſelbſt den zierath bauen ließ. Wenn ſonſten farb und gips die zimmer herꝛlich machen; So ſahe man bey ihm der ahnen vorbild ſtehn: Es durffte hier kein gold das auſſenwerck erhoͤhn, Der ſinnen ſchoͤnſter ſchmuck beſtund in klugen ſachen: Er war des landes thurm, der auf die vorſicht ſtund: Ein zeughaus voller witz, wo rath und that zu ſchauen: Ein pfeiler vor dem fall, ein ungemeiner grund, Darauf die wohlfarth ließ ihr leib-gedinge bauen. Lernt, ſterbliche! worinn der ſeelen bau beſteht! Sein beſter grund-ſtein war gebet und GOttes guͤte, Der kalck die einigkeit, der ſand ein gut gemuͤthe, Der eckſtein die geduld und wahre pietaͤt, Die pfoſten ſtrich er an mit blute von dem lamme, So offt des wuͤrgers geiſt bey ihm voruͤber gieng: Und daß ſein ſchwaches haus niemahls den fall empfieng, So untergrub er ſtets das holtz vom creutzes-ſtamme: Auf ſeinen treppen ſtieg der engel auf und ab: Sein beſtes fenſter war ein unverfaͤlſcht gewiſſen: Wer auf ſein chriſtenthum in allen achtung gab, Kunt’ aus dem hauſe leicht des wirthes adel ſchluͤſſen. Nicht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0197" n="173"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begraͤbniß-Getichte.</hi> </fw><lb/> <l>Wer ſaltz in ſeiner bruſt, witz im gehirne fuͤhrt,</l><lb/> <l>Der wird bey dieſer grufft die ſinnen nicht entfernen,</l><lb/> <l>Und von den todten auch des lebens klugheit lernen.</l><lb/> <l>Schaut, ſterbliche! der ſarg, den boy und kertze ziert,</l><lb/> <l>Jſt nun das letzte haus auf dieſer morſchen erden,</l><lb/> <l>Jn welchem der von Mohl der glieder bau verſchlieſt,</l><lb/> <l>Seit dem die ewigkeit der ſeelen loſung iſt.</l><lb/> <l>Jhm hat die ſpaͤte welt viel muͤſſen ſchuldig werden,</l><lb/> <l>Weil er des landes troſt, der kirchen auge war;</l><lb/> <l>Doch wer den nachruhm will in wenig zeilen leſen,</l><lb/> <l>Der ſchreibe nur ſoviel auf ſeinen denck-altar:</l><lb/> <l>Sein gantzes leben iſt ein rechter bau geweſen.</l><lb/> <l>Gleichwie ein irꝛdiſch ſtoff des Adams urſprung hieß;</l><lb/> <l>So war ſein lebens-bau zwar nur von ſchlechter erden,</l><lb/> <l>Doch muſt er durch den geiſt zu einem tempel werden,</l><lb/> <l>Daran die tugend ſelbſt den zierath bauen ließ.</l><lb/> <l>Wenn ſonſten farb und gips die zimmer herꝛlich machen;</l><lb/> <l>So ſahe man bey ihm der ahnen vorbild ſtehn:</l><lb/> <l>Es durffte hier kein gold das auſſenwerck erhoͤhn,</l><lb/> <l>Der ſinnen ſchoͤnſter ſchmuck beſtund in klugen ſachen:</l><lb/> <l>Er war des landes thurm, der auf die vorſicht ſtund:</l><lb/> <l>Ein zeughaus voller witz, wo rath und that zu ſchauen:</l><lb/> <l>Ein pfeiler vor dem fall, ein ungemeiner grund,</l><lb/> <l>Darauf die wohlfarth ließ ihr leib-gedinge bauen.</l><lb/> <l>Lernt, ſterbliche! worinn der ſeelen bau beſteht!</l><lb/> <l>Sein beſter grund-ſtein war gebet und GOttes guͤte,</l><lb/> <l>Der kalck die einigkeit, der ſand ein gut gemuͤthe,</l><lb/> <l>Der eckſtein die geduld und wahre pietaͤt,</l><lb/> <l>Die pfoſten ſtrich er an mit blute von dem lamme,</l><lb/> <l>So offt des wuͤrgers geiſt bey ihm voruͤber gieng:</l><lb/> <l>Und daß ſein ſchwaches haus niemahls den fall empfieng,</l><lb/> <l>So untergrub er ſtets das holtz vom creutzes-ſtamme:</l><lb/> <l>Auf ſeinen treppen ſtieg der engel auf und ab:</l><lb/> <l>Sein beſtes fenſter war ein unverfaͤlſcht gewiſſen:</l><lb/> <l>Wer auf ſein chriſtenthum in allen achtung gab,</l><lb/> <l>Kunt’ aus dem hauſe leicht des wirthes adel ſchluͤſſen.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Nicht</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [173/0197]
Begraͤbniß-Getichte.
Wer ſaltz in ſeiner bruſt, witz im gehirne fuͤhrt,
Der wird bey dieſer grufft die ſinnen nicht entfernen,
Und von den todten auch des lebens klugheit lernen.
Schaut, ſterbliche! der ſarg, den boy und kertze ziert,
Jſt nun das letzte haus auf dieſer morſchen erden,
Jn welchem der von Mohl der glieder bau verſchlieſt,
Seit dem die ewigkeit der ſeelen loſung iſt.
Jhm hat die ſpaͤte welt viel muͤſſen ſchuldig werden,
Weil er des landes troſt, der kirchen auge war;
Doch wer den nachruhm will in wenig zeilen leſen,
Der ſchreibe nur ſoviel auf ſeinen denck-altar:
Sein gantzes leben iſt ein rechter bau geweſen.
Gleichwie ein irꝛdiſch ſtoff des Adams urſprung hieß;
So war ſein lebens-bau zwar nur von ſchlechter erden,
Doch muſt er durch den geiſt zu einem tempel werden,
Daran die tugend ſelbſt den zierath bauen ließ.
Wenn ſonſten farb und gips die zimmer herꝛlich machen;
So ſahe man bey ihm der ahnen vorbild ſtehn:
Es durffte hier kein gold das auſſenwerck erhoͤhn,
Der ſinnen ſchoͤnſter ſchmuck beſtund in klugen ſachen:
Er war des landes thurm, der auf die vorſicht ſtund:
Ein zeughaus voller witz, wo rath und that zu ſchauen:
Ein pfeiler vor dem fall, ein ungemeiner grund,
Darauf die wohlfarth ließ ihr leib-gedinge bauen.
Lernt, ſterbliche! worinn der ſeelen bau beſteht!
Sein beſter grund-ſtein war gebet und GOttes guͤte,
Der kalck die einigkeit, der ſand ein gut gemuͤthe,
Der eckſtein die geduld und wahre pietaͤt,
Die pfoſten ſtrich er an mit blute von dem lamme,
So offt des wuͤrgers geiſt bey ihm voruͤber gieng:
Und daß ſein ſchwaches haus niemahls den fall empfieng,
So untergrub er ſtets das holtz vom creutzes-ſtamme:
Auf ſeinen treppen ſtieg der engel auf und ab:
Sein beſtes fenſter war ein unverfaͤlſcht gewiſſen:
Wer auf ſein chriſtenthum in allen achtung gab,
Kunt’ aus dem hauſe leicht des wirthes adel ſchluͤſſen.
Nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |