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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Hochzeit-Gedichte.
Hilff GOtt! was soll ich thun? JA ist zwar kurtz und klein,
Ach aber! allerdings mit schwierigkeit verbunden;
Und NEJN schlitzt manchesmal gar vielen tiefe wunden,
Wenn das gelücke nicht wie vor, will günstig seyn.
Wie! soll ich wol mein kind, die Margaris, mein leben,
Dem, den man mir genennt, zu seiner braut hingeben?
Ein ieder lobet ihn von seiner sittsamkeit:
Den Gott-geweihten sinn spürt man in allen thaten;
Jn rechten weiß er ihm und andern wohl zu rathen;
Die feder zeigt verstand, der mund bescheidenheit;
Die treu und redligkeit rühmt ihn als einen Christen,
Jn dem die falschheit nicht gewohnet ist zu nisten.
Sie war nach dem gantz still, und drückte hand auf hand,
Die seuffzer fiengen an in ihrer brust zu beten,
Und als ich näher kam zu ihrem stuhl getreten,
So merckt' ich, daß sie gleich die bibel vor ihr fandt,
Die ihr bey allem thun in centuer-schweren dingen,
Muß vor die seele trost, vors hertze stärckung bringen.
Sie schlug Tobiam auf und fand dasselbe blat,
Allwo sein lieber sohn die treue Sara findet,
Und sich mit ihrer gunst aufs eugels wort verbindet,
Damit er Raguel so weit beredet hat:
Die tochter müste wol den keuschen menschen lieben,
Weil seine gottes-furcht ihr wär zu eigen blieben.
Hier, rief Eusebie, steht mein verlangter schluß:
Ein ander mag nach pracht und eitelkeiten freyen;
Jch achte diesen dunst so viel als schlechte kleyen,
Die mancher mit verdruß bey tische dulden muß,
Wenn eine hand voll geld offt zanck und zwietracht stiffter,
Und die so süße kost der liebe gantz vergifftet.
Jch preise diese wahl, die nach der tugend geht,
Wenn lieb und gottesfurcht die traungs-ringe wechseln;
Wenn gleichheit und verstand das hochzeit-bette drechseln,
Das gegen neid und sturm auf marmor-seulen steht.
Drum lasset mir mein kind und auch den Doctor holen,
Die gottes-furcht reicht ihm der liebe heiße kohlen.
Jch
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Hochzeit-Gedichte.
Hilff GOtt! was ſoll ich thun? JA iſt zwar kurtz und klein,
Ach aber! allerdings mit ſchwierigkeit verbunden;
Und NEJN ſchlitzt manchesmal gar vielen tiefe wunden,
Wenn das geluͤcke nicht wie vor, will guͤnſtig ſeyn.
Wie! ſoll ich wol mein kind, die Margaris, mein leben,
Dem, den man mir genennt, zu ſeiner braut hingeben?
Ein ieder lobet ihn von ſeiner ſittſamkeit:
Den Gott-geweihten ſinn ſpuͤrt man in allen thaten;
Jn rechten weiß er ihm und andern wohl zu rathen;
Die feder zeigt verſtand, der mund beſcheidenheit;
Die treu und redligkeit ruͤhmt ihn als einen Chriſten,
Jn dem die falſchheit nicht gewohnet iſt zu niſten.
Sie war nach dem gantz ſtill, und druͤckte hand auf hand,
Die ſeuffzer fiengen an in ihrer bruſt zu beten,
Und als ich naͤher kam zu ihrem ſtuhl getreten,
So merckt’ ich, daß ſie gleich die bibel vor ihr fandt,
Die ihr bey allem thun in centuer-ſchweren dingen,
Muß vor die ſeele troſt, vors hertze ſtaͤrckung bringen.
Sie ſchlug Tobiam auf und fand daſſelbe blat,
Allwo ſein lieber ſohn die treue Sara findet,
Und ſich mit ihrer gunſt aufs eugels wort verbindet,
Damit er Raguel ſo weit beredet hat:
Die tochter muͤſte wol den keuſchen menſchen lieben,
Weil ſeine gottes-furcht ihr waͤr zu eigen blieben.
Hier, rief Euſebie, ſteht mein verlangter ſchluß:
Ein ander mag nach pracht und eitelkeiten freyen;
Jch achte dieſen dunſt ſo viel als ſchlechte kleyen,
Die mancher mit verdruß bey tiſche dulden muß,
Wenn eine hand voll geld offt zanck und zwietracht ſtiffter,
Und die ſo ſuͤße koſt der liebe gantz vergifftet.
Jch preiſe dieſe wahl, die nach der tugend geht,
Wenn lieb und gottesfurcht die traungs-ringe wechſeln;
Wenn gleichheit und verſtand das hochzeit-bette drechſeln,
Das gegen neid und ſturm auf marmor-ſeulen ſteht.
Drum laſſet mir mein kind und auch den Doctor holen,
Die gottes-furcht reicht ihm der liebe heiße kohlen.
Jch
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[69/0071] Hochzeit-Gedichte. Hilff GOtt! was ſoll ich thun? JA iſt zwar kurtz und klein, Ach aber! allerdings mit ſchwierigkeit verbunden; Und NEJN ſchlitzt manchesmal gar vielen tiefe wunden, Wenn das geluͤcke nicht wie vor, will guͤnſtig ſeyn. Wie! ſoll ich wol mein kind, die Margaris, mein leben, Dem, den man mir genennt, zu ſeiner braut hingeben? Ein ieder lobet ihn von ſeiner ſittſamkeit: Den Gott-geweihten ſinn ſpuͤrt man in allen thaten; Jn rechten weiß er ihm und andern wohl zu rathen; Die feder zeigt verſtand, der mund beſcheidenheit; Die treu und redligkeit ruͤhmt ihn als einen Chriſten, Jn dem die falſchheit nicht gewohnet iſt zu niſten. Sie war nach dem gantz ſtill, und druͤckte hand auf hand, Die ſeuffzer fiengen an in ihrer bruſt zu beten, Und als ich naͤher kam zu ihrem ſtuhl getreten, So merckt’ ich, daß ſie gleich die bibel vor ihr fandt, Die ihr bey allem thun in centuer-ſchweren dingen, Muß vor die ſeele troſt, vors hertze ſtaͤrckung bringen. Sie ſchlug Tobiam auf und fand daſſelbe blat, Allwo ſein lieber ſohn die treue Sara findet, Und ſich mit ihrer gunſt aufs eugels wort verbindet, Damit er Raguel ſo weit beredet hat: Die tochter muͤſte wol den keuſchen menſchen lieben, Weil ſeine gottes-furcht ihr waͤr zu eigen blieben. Hier, rief Euſebie, ſteht mein verlangter ſchluß: Ein ander mag nach pracht und eitelkeiten freyen; Jch achte dieſen dunſt ſo viel als ſchlechte kleyen, Die mancher mit verdruß bey tiſche dulden muß, Wenn eine hand voll geld offt zanck und zwietracht ſtiffter, Und die ſo ſuͤße koſt der liebe gantz vergifftet. Jch preiſe dieſe wahl, die nach der tugend geht, Wenn lieb und gottesfurcht die traungs-ringe wechſeln; Wenn gleichheit und verſtand das hochzeit-bette drechſeln, Das gegen neid und ſturm auf marmor-ſeulen ſteht. Drum laſſet mir mein kind und auch den Doctor holen, Die gottes-furcht reicht ihm der liebe heiße kohlen. Jch E 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/71>, abgerufen am 04.12.2024.