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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Ein frommer, welchen Gott und die erfahrung weise
Und in geheimnißen still und getreu gemacht:
Drum halt dich iederzeit zu einem solchen greise;
Deun bey der jugend wird nichts sicher angebracht.
Lern eingezogen seyn, und fleuch die frechen buben,
Mit denen du zuvor bekant gewesen bist.
Fleuch großer herren höf', und alle diese stuben,
Wo man der redligkeit und menschen-furcht vergißt.
Denn trug und heucheley geziemet keinen Christen.
Die einfalt stehet dir am allerbesten an.
Geselle dich allein zu rechten pietisten,
Ob sie die rohe welt schon nicht vertragen kan.
Mit diesen mache dich, durch unschuld-volle sitten
Und unterredungen nach Christi sinn, gemein.
Der weisheit schüler sind bey weisen wohl gelitten,
Wenn sie nur in der zucht still und gehorsam seyn.
Bewahre deinen schritt, und geh der weiber müßig:
Jhr umgang stürtzet dich sonst in gefahr und spott:
Bey ihnen wird man bald der keuschheit überdrüßig;
Drum fleuch sie, und befiehl die frommen deinem Gott.
Mit engeln und mit Gott allein gemeinschafft pflegen
Jst wol die sicherste gesellschafft auf der welt.
Wer andre kundschafft sucht, der wagt es sehr verwegen;
Drum sey dein hertze stets dem himmel zugesellt.
Die liebe gegen all' und iede menschen üben,
Steht Christlich; doch zu viel gemeinschafft ist nicht gut.
Man kan die brüder auch in seiner kammer lieben,
Jndem man vor ihr heyl bitt' und gebete thut.
Ein mann, der in der fern als eine sonne scheinet,
Verliehret in der näh offt allen glantz und schein;
Denn was der kluge mund gleich auszurichten meynet,
Das reissen meistentheils die fremden sitten ein.


Das neunte capitel.
GEhorsam leben ist weit sichrer, als befehlen:
Denn unterthänig seyn ist kein geringes gut;
Wie-
Leanders aus Schleſien
Ein frommer, welchen Gott und die erfahrung weiſe
Und in geheimnißen ſtill und getreu gemacht:
Drum halt dich iederzeit zu einem ſolchen greiſe;
Deun bey der jugend wird nichts ſicher angebracht.
Lern eingezogen ſeyn, und fleuch die frechen buben,
Mit denen du zuvor bekant geweſen biſt.
Fleuch großer herren hoͤf’, und alle dieſe ſtuben,
Wo man der redligkeit und menſchen-furcht vergißt.
Denn trug und heucheley geziemet keinen Chriſten.
Die einfalt ſtehet dir am allerbeſten an.
Geſelle dich allein zu rechten pietiſten,
Ob ſie die rohe welt ſchon nicht vertragen kan.
Mit dieſen mache dich, durch unſchuld-volle ſitten
Und unterredungen nach Chriſti ſinn, gemein.
Der weisheit ſchuͤler ſind bey weiſen wohl gelitten,
Wenn ſie nur in der zucht ſtill und gehorſam ſeyn.
Bewahre deinen ſchritt, und geh der weiber muͤßig:
Jhr umgang ſtuͤrtzet dich ſonſt in gefahr und ſpott:
Bey ihnen wird man bald der keuſchheit uͤberdruͤßig;
Drum fleuch ſie, und befiehl die frommen deinem Gott.
Mit engeln und mit Gott allein gemeinſchafft pflegen
Jſt wol die ſicherſte geſellſchafft auf der welt.
Wer andre kundſchafft ſucht, der wagt es ſehr verwegen;
Drum ſey dein hertze ſtets dem himmel zugeſellt.
Die liebe gegen all’ und iede menſchen uͤben,
Steht Chriſtlich; doch zu viel gemeinſchafft iſt nicht gut.
Man kan die bruͤder auch in ſeiner kammer lieben,
Jndem man vor ihr heyl bitt’ und gebete thut.
Ein mann, der in der fern als eine ſonne ſcheinet,
Verliehret in der naͤh offt allen glantz und ſchein;
Denn was der kluge mund gleich auszurichten meynet,
Das reiſſen meiſtentheils die fremden ſitten ein.


Das neunte capitel.
GEhorſam leben iſt weit ſichrer, als befehlen:
Denn unterthaͤnig ſeyn iſt kein geringes gut;
Wie-
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[286/0288] Leanders aus Schleſien Ein frommer, welchen Gott und die erfahrung weiſe Und in geheimnißen ſtill und getreu gemacht: Drum halt dich iederzeit zu einem ſolchen greiſe; Deun bey der jugend wird nichts ſicher angebracht. Lern eingezogen ſeyn, und fleuch die frechen buben, Mit denen du zuvor bekant geweſen biſt. Fleuch großer herren hoͤf’, und alle dieſe ſtuben, Wo man der redligkeit und menſchen-furcht vergißt. Denn trug und heucheley geziemet keinen Chriſten. Die einfalt ſtehet dir am allerbeſten an. Geſelle dich allein zu rechten pietiſten, Ob ſie die rohe welt ſchon nicht vertragen kan. Mit dieſen mache dich, durch unſchuld-volle ſitten Und unterredungen nach Chriſti ſinn, gemein. Der weisheit ſchuͤler ſind bey weiſen wohl gelitten, Wenn ſie nur in der zucht ſtill und gehorſam ſeyn. Bewahre deinen ſchritt, und geh der weiber muͤßig: Jhr umgang ſtuͤrtzet dich ſonſt in gefahr und ſpott: Bey ihnen wird man bald der keuſchheit uͤberdruͤßig; Drum fleuch ſie, und befiehl die frommen deinem Gott. Mit engeln und mit Gott allein gemeinſchafft pflegen Jſt wol die ſicherſte geſellſchafft auf der welt. Wer andre kundſchafft ſucht, der wagt es ſehr verwegen; Drum ſey dein hertze ſtets dem himmel zugeſellt. Die liebe gegen all’ und iede menſchen uͤben, Steht Chriſtlich; doch zu viel gemeinſchafft iſt nicht gut. Man kan die bruͤder auch in ſeiner kammer lieben, Jndem man vor ihr heyl bitt’ und gebete thut. Ein mann, der in der fern als eine ſonne ſcheinet, Verliehret in der naͤh offt allen glantz und ſchein; Denn was der kluge mund gleich auszurichten meynet, Das reiſſen meiſtentheils die fremden ſitten ein. Das neunte capitel. GEhorſam leben iſt weit ſichrer, als befehlen: Denn unterthaͤnig ſeyn iſt kein geringes gut; Wie-

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/288>, abgerufen am 23.11.2024.