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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Ein strahl kan alle krafft aus unsern adern saugen,
Den eine schöne läst aus ihren sonnen gehn.
Da weiß kein diamant zu halten,
Ein recht verliebter blick kan harte falsen spalten.

2.
Durch zwey augen und die sonne
Besteht die klein' und große welt:
Auf diese gründet sich der himmel unsrer wonne,
Denn wären beyde nicht, so stünd' es schlecht bestellt.
Die sonn' erleuchtet finstre hölen:
Der holden augen licht erqvickt betrübte seelen.
3.
Augen sind der liebe wiege;
Jn diesen muscheln wächst das kind,
Vor dessen wunder-krafft ein adler eine fliege,
Und starcke riesen nur geschwächte zwerge sind.
Jn solchen angenehmen wellen
Läst die vergnügung ihr die lagerstatt bestellen.
4.
Gleichwol streuen iede sterne
Nicht einen süßen glantz von sich.
Wo der Orion brennt, da creutzt kein schiffer gerne:
Kein schwartzes auge labt, ergetzt und reitzet mich.
Die finsterniß ist mir zuwider;
Vor nacht und schatten schlag' ich stets mein auge nieder.
5.
Blauen augen bleibt die crone,
Weil ihre farbe göttlich ist.
Hier sitzt die anmuth selbst auf dem sapphirnen throne,
Wenn sie der menschligkeit ein holdes urthel liest.
Aus schwartzen wolcken fahren blitze,
Aus blauen aber spielt beliebte sonnen-hitze.
6.
Schwartz stammt aus der finstern hölle;
Blau schreihet sich vom himmel her.
Welch

Leanders aus Schleſien
Ein ſtrahl kan alle krafft aus unſern adern ſaugen,
Den eine ſchoͤne laͤſt aus ihren ſonnen gehn.
Da weiß kein diamant zu halten,
Ein recht verliebter blick kan harte falſen ſpalten.

2.
Durch zwey augen und die ſonne
Beſteht die klein’ und große welt:
Auf dieſe gruͤndet ſich der himmel unſrer wonne,
Denn waͤren beyde nicht, ſo ſtuͤnd’ es ſchlecht beſtellt.
Die ſonn’ erleuchtet finſtre hoͤlen:
Der holden augen licht erqvickt betruͤbte ſeelen.
3.
Augen ſind der liebe wiege;
Jn dieſen muſcheln waͤchſt das kind,
Vor deſſen wunder-krafft ein adler eine fliege,
Und ſtarcke rieſen nur geſchwaͤchte zwerge ſind.
Jn ſolchen angenehmen wellen
Laͤſt die vergnuͤgung ihr die lagerſtatt beſtellen.
4.
Gleichwol ſtreuen iede ſterne
Nicht einen ſuͤßen glantz von ſich.
Wo der Orion brennt, da creutzt kein ſchiffer gerne:
Kein ſchwartzes auge labt, ergetzt und reitzet mich.
Die finſterniß iſt mir zuwider;
Vor nacht und ſchatten ſchlag’ ich ſtets mein auge nieder.
5.
Blauen augen bleibt die crone,
Weil ihre farbe goͤttlich iſt.
Hier ſitzt die anmuth ſelbſt auf dem ſapphirnen throne,
Wenn ſie der menſchligkeit ein holdes urthel lieſt.
Aus ſchwartzen wolcken fahren blitze,
Aus blauen aber ſpielt beliebte ſonnen-hitze.
6.
Schwartz ſtammt aus der finſtern hoͤlle;
Blau ſchreihet ſich vom himmel her.
Welch
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[238/0240] Leanders aus Schleſien Ein ſtrahl kan alle krafft aus unſern adern ſaugen, Den eine ſchoͤne laͤſt aus ihren ſonnen gehn. Da weiß kein diamant zu halten, Ein recht verliebter blick kan harte falſen ſpalten. 2. Durch zwey augen und die ſonne Beſteht die klein’ und große welt: Auf dieſe gruͤndet ſich der himmel unſrer wonne, Denn waͤren beyde nicht, ſo ſtuͤnd’ es ſchlecht beſtellt. Die ſonn’ erleuchtet finſtre hoͤlen: Der holden augen licht erqvickt betruͤbte ſeelen. 3. Augen ſind der liebe wiege; Jn dieſen muſcheln waͤchſt das kind, Vor deſſen wunder-krafft ein adler eine fliege, Und ſtarcke rieſen nur geſchwaͤchte zwerge ſind. Jn ſolchen angenehmen wellen Laͤſt die vergnuͤgung ihr die lagerſtatt beſtellen. 4. Gleichwol ſtreuen iede ſterne Nicht einen ſuͤßen glantz von ſich. Wo der Orion brennt, da creutzt kein ſchiffer gerne: Kein ſchwartzes auge labt, ergetzt und reitzet mich. Die finſterniß iſt mir zuwider; Vor nacht und ſchatten ſchlag’ ich ſtets mein auge nieder. 5. Blauen augen bleibt die crone, Weil ihre farbe goͤttlich iſt. Hier ſitzt die anmuth ſelbſt auf dem ſapphirnen throne, Wenn ſie der menſchligkeit ein holdes urthel lieſt. Aus ſchwartzen wolcken fahren blitze, Aus blauen aber ſpielt beliebte ſonnen-hitze. 6. Schwartz ſtammt aus der finſtern hoͤlle; Blau ſchreihet ſich vom himmel her. Welch

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/240>, abgerufen am 23.11.2024.