Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Leanders aus Schlesien Du weist wohl, daß der majoran,Dem man die wurtzel ausgerissen, Auch bey dem fleißigsten begießen Verwelcken muß, und nicht mehr blühen kan. Er vergleicht sich mit ihrer nach- BEliebte nachtigall! es schließt dich zwar Lisettetigall. So wol als mich, in einen kercker ein. Wir liegen beyd' an einer kette, Allein dein zustand will doch nicht der meine seyn. Denn was erwirbt dir nicht die anmuth deiner weisen? Es pflegt dich ihre gunst mit eigner hand zu speisen. Mir aber, hin ich gleich zum singen stets bereit, Will ihres hertzens grausamkeit Noch keinen andern lohn gewähren, Als dürres brodt der angst, und wasser bittrer zähren. Aria. 1. MUß ich denn nichts, als klage-lieder singen,Und nur ein spiel der sternen seyn? Soll meine ruh mir selber unruh bringen? Erndt ich bey rosen dornen ein? Ach, verhängniß! ändre dich, Sonst wird dein schluß Melindens todes-stich. 2. Es zeigt sich zwar die angenehmste sonne;Doch stehn die wolcken stets dabey: Die nacht der angst steht immer bey der wonne. Mein glück ist lauter tyranney. Ach, verhängniß! ändre dich, Sonst wird dein schluß Melindens todes-stich. 3. Kan
Leanders aus Schleſien Du weiſt wohl, daß der majoran,Dem man die wurtzel ausgeriſſen, Auch bey dem fleißigſten begießen Verwelcken muß, und nicht mehr bluͤhen kan. Er vergleicht ſich mit ihrer nach- BEliebte nachtigall! es ſchließt dich zwar Liſettetigall. So wol als mich, in einen kercker ein. Wir liegen beyd’ an einer kette, Allein dein zuſtand will doch nicht der meine ſeyn. Denn was erwirbt dir nicht die anmuth deiner weiſen? Es pflegt dich ihre gunſt mit eigner hand zu ſpeiſen. Mir aber, hin ich gleich zum ſingen ſtets bereit, Will ihres hertzens grauſamkeit Noch keinen andern lohn gewaͤhren, Als duͤrres brodt der angſt, und waſſer bittrer zaͤhren. Aria. 1. MUß ich denn nichts, als klage-lieder ſingen,Und nur ein ſpiel der ſternen ſeyn? Soll meine ruh mir ſelber unruh bringen? Erndt ich bey roſen dornen ein? Ach, verhaͤngniß! aͤndre dich, Sonſt wird dein ſchluß Melindens todes-ſtich. 2. Es zeigt ſich zwar die angenehmſte ſonne;Doch ſtehn die wolcken ſtets dabey: Die nacht der angſt ſteht immer bey der wonne. Mein gluͤck iſt lauter tyranney. Ach, verhaͤngniß! aͤndre dich, Sonſt wird dein ſchluß Melindens todes-ſtich. 3. Kan
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0238" n="236"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schleſien</hi> </fw><lb/> <l>Du weiſt wohl, daß der majoran,</l><lb/> <l>Dem man die wurtzel ausgeriſſen,</l><lb/> <l>Auch bey dem fleißigſten begießen</l><lb/> <l>Verwelcken muß, und nicht mehr bluͤhen kan.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Er vergleicht ſich mit ihrer nach-<lb/> tigall.</hi> </hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">B</hi>Eliebte nachtigall! es ſchließt dich zwar Liſette</l><lb/> <l>So wol als mich, in einen kercker ein.</l><lb/> <l>Wir liegen beyd’ an einer kette,</l><lb/> <l>Allein dein zuſtand will doch nicht der meine ſeyn.</l><lb/> <l>Denn was erwirbt dir nicht die anmuth deiner weiſen?</l><lb/> <l>Es pflegt dich ihre gunſt mit eigner hand zu ſpeiſen.</l><lb/> <l>Mir aber, hin ich gleich zum ſingen ſtets bereit,</l><lb/> <l>Will ihres hertzens grauſamkeit</l><lb/> <l>Noch keinen andern lohn gewaͤhren,</l><lb/> <l>Als duͤrres brodt der angſt, und waſſer bittrer zaͤhren.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Aria.</hi> </hi> </head><lb/> <lg n="1"> <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">M</hi>Uß ich denn nichts, als klage-lieder ſingen,</l><lb/> <l>Und nur ein ſpiel der ſternen ſeyn?</l><lb/> <l>Soll meine ruh mir ſelber unruh bringen?</l><lb/> <l>Erndt ich bey roſen dornen ein?</l><lb/> <l>Ach, verhaͤngniß! aͤndre dich,</l><lb/> <l>Sonſt wird dein ſchluß Melindens todes-ſtich.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/> <l>Es zeigt ſich zwar die angenehmſte ſonne;</l><lb/> <l>Doch ſtehn die wolcken ſtets dabey:</l><lb/> <l>Die nacht der angſt ſteht immer bey der wonne.</l><lb/> <l>Mein gluͤck iſt lauter tyranney.</l><lb/> <l>Ach, verhaͤngniß! aͤndre dich,</l><lb/> <l>Sonſt wird dein ſchluß Melindens todes-ſtich.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">3. Kan</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0238]
Leanders aus Schleſien
Du weiſt wohl, daß der majoran,
Dem man die wurtzel ausgeriſſen,
Auch bey dem fleißigſten begießen
Verwelcken muß, und nicht mehr bluͤhen kan.
Er vergleicht ſich mit ihrer nach-
tigall.
BEliebte nachtigall! es ſchließt dich zwar Liſette
So wol als mich, in einen kercker ein.
Wir liegen beyd’ an einer kette,
Allein dein zuſtand will doch nicht der meine ſeyn.
Denn was erwirbt dir nicht die anmuth deiner weiſen?
Es pflegt dich ihre gunſt mit eigner hand zu ſpeiſen.
Mir aber, hin ich gleich zum ſingen ſtets bereit,
Will ihres hertzens grauſamkeit
Noch keinen andern lohn gewaͤhren,
Als duͤrres brodt der angſt, und waſſer bittrer zaͤhren.
Aria.
1.
MUß ich denn nichts, als klage-lieder ſingen,
Und nur ein ſpiel der ſternen ſeyn?
Soll meine ruh mir ſelber unruh bringen?
Erndt ich bey roſen dornen ein?
Ach, verhaͤngniß! aͤndre dich,
Sonſt wird dein ſchluß Melindens todes-ſtich.
2.
Es zeigt ſich zwar die angenehmſte ſonne;
Doch ſtehn die wolcken ſtets dabey:
Die nacht der angſt ſteht immer bey der wonne.
Mein gluͤck iſt lauter tyranney.
Ach, verhaͤngniß! aͤndre dich,
Sonſt wird dein ſchluß Melindens todes-ſtich.
3. Kan
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/238 |
Zitationshilfe: | Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/238>, abgerufen am 17.02.2025. |